Deggendorf/Plattling
Nach Wirbel um "Ben": Jetzt bangt der Zirkus um seine Existenz
25. März 2016, 12:28 Uhr aktualisiert am 25. März 2016, 12:28 Uhr
Der Streit um den beschlagnahmten Zirkusbären "Ben" und dessen Folgen scheinen für den Zirkus "Louis Knie" noch nicht ausgestanden zu sein.
Aufgrund der Vorfälle in den vergangenen Tagen rücken viele Städte davon ab, dem Zirkus ein Gastspiel zu gewähren. So auch Deggendorf. "Die Stadt hat uns den Vertrag aufgekündigt, mit dem Hinweis, dass wir unsere Kaution nicht rechtzeitig bezahlt haben", erklärt Pressesprecherin Anja Noichl. Sie und ihre Tourmanagerin sind sich sicher, dass man in Deggendorf einem Zirkus, der bundesweit negativ in den Medien war, keine Plattform bieten möchte, um sich zu präsentieren.
"Es wäre eine Katastrophe für den Zirkus, wenn er nicht in Deggendorf auftreten könnte", betont die Tourmanagerin, die namentlich nicht genannt werden möchte. Sie selbst schließe die Verträge mit den Städten ab. "In Deggendorf musste der Zirkus eine Kaution von 3.000 Euro hinterlegen. Diese wäre am 14. März fällig gewesen. Genau an diesem Tag hat das Veterinäramt den Zirkusbären beschlagnahmt, so dass keiner mehr daran gedacht hat, die Kaution rechtzeitig zu zahlen", behauptet sie. Die Stadt habe umgehend gehandelt und den Vertrag mit "Louis Knie" für ein Gastspiel vom 7. bis 10. April gekündigt.
"Wir haben jetzt natürlich Angst, dass sich noch weitere Städte, in denen wir gastieren möchten, von uns distanzieren", befürchtet Nadja Frank, die Schwiegertochter des Bärenbesitzers, die mit ihrem Mann und zwei kleinen Kindern im Zirkus lebt. "Viele Familien gehören seit Jahren zum Zirkus und verdienen damit ihr Geld. Unser aller Existenz steht jetzt auf dem Spiel", klagt Noichl.
Niemals habe es bisher Beanstandungen seitens der Veterinärämter gegeben. Doch dann kam der 14. März: "Louis Knie" befand sich noch beim Umzug von einem Spielort zum nächsten. "Da können Tiere noch nicht in ihren Gehegen frei herumlaufen", erklärt Noichl. Die Veterinärtierärzte, die von Tierschützern informiert worden waren, sahen, dass sich der Zirkusbär sowie zwei kleine Hunde immer noch in ihren Transportwägen befanden und beschlagnahmten diese daraufhin. "Die Amtstierärztin konnte sich vermutlich den Anschuldigungen vonseiten der Tierschützer nicht entziehen und hat wohl überreagiert", schätzt die Tourmanagerin die Lage ein.
"Wir fühlten uns wie Verbrecher"
Doch auch die Zirkusmitarbeiter hätten falsch gehandelt, und seien schlichtweg "durchgedreht", wie es in einer Pressemitteilung heißt. Roberto Frank, dem Sohn des Bärenbesitzers, sei "die Sicherung durchgebrannt", als er mit dem Bärenwagen durch eine Absperrung der Polizei brach. "Wir fühlten uns wie Verbrecher", zeigt sich Nadja Frank heute noch entrüstet. "Die Polizeibeamten ließen uns gar nicht zu Wort kommen. Wir waren alle panisch, weil wir nicht wussten, was jetzt passieren soll", erzählt sie. Zudem hätte man ihnen keinen schriftlichen Beschluss vorlegen können. "Es gab nur eine mündliche Anordnung, die besagte, dass unser Ben jetzt wegmuss."
Ben sollte auf lange Sicht in einen Bärenpark ziehen
Neben der Existenz ihres Unternehmens gehe es ihnen aber in erster Linie um das Wohl ihres Braunbären. Seine Besitzer sind sich sicher, dass es ihm nicht gut gehe. "Seit Tagen ist er getrennt von seinem Tierhalter und rausgerissen aus seiner gewohnten Umgebung", unterstreicht Noichl.
Der Zirkus sei bereit dazu, den Bären auf lange Sicht in einem Bärenpark unterzubringen. Momentan gebe es jedoch keine andere Lösung, als Ben wieder zurück zum Zirkus zu holen. Dort soll er sich erholen und anschließend mit seinem Tiertrainer nach Bad Füssing zurückkehren. "Herr Frank würde solange bei ihm bleiben, bis er den Bärenpark als sein neues Zuhause annimmt", appelliert die Tourmanagerin an die zuständigen Behörden. "Das ist fest geplant und kann von einem Notar besiegelt werden", schreibt sie in einer Erklärung.
Sissy Bletschacher, Leiterin des Bärenparks in Bad Füssing, schätzt die Lage dagegen anderes ein: Laut der Leiterin geht es dem Bären gut. "Er frisst täglich bis zu sechs Kilogramm. Besonders gern mag er Forelle", schmunzelt sie. Er befinde sich aber immer noch in seinem Transportwagen. Solange sein Verbleib nicht endgültig geklärt sei, stimme sein Besitzer einem Umzug in das Freigehege nicht zu. "Sollte Ben allerdings auf lange Sicht bei uns bleiben, wird er in ein 5.500 Quadratmeter großes Areal umziehen", betont Bletschacher.
Die Zirkusleute vermuten, dass Bär Ben von Tierschutzverbänden instrumentalisiert wurde: Vergangenen Freitag beriet der Bundesrat ein weiteres Mal über ein Wildtierverbot in Zirkussen. "Sollte dieses Verbot wirklich durchgesetzt werden, geht es dabei nicht nur um uns. Das Bestehen aller Großzirkusse ist von diesem Urteil betroffen", mahnt Noichl.
Laut der Pressesprecherin musste der Zirkus bei den Aufführungen am vergangenen Wochenende Besuchereinbrüche von bis zu 70 Prozent hinnehmen. Die Zirkusmitarbeiter hoffen, dass sich die Gemüter beruhigen und Auftritte in anderen Städten wieder möglich werden. "Ein Zirkus kommt doch in die Stadt, um die Menschen zu erfreuen", fasst Noichl das Bestreben des österreichischen Nationalzirkus zusammen. "Dieser Krieg der Tierschützer gegen uns muss ein Ende haben. Wir verlieren so unseren guten Ruf und unsere Existenz."