Interview

Studenten klagen gegen Polizeiaufgabengesetz


Franziska Pongratz hat an der Ausarbeitung der Popularklage gegen das Polizeiaufgabengesetz mitgearbeitet.

Franziska Pongratz hat an der Ausarbeitung der Popularklage gegen das Polizeiaufgabengesetz mitgearbeitet.

Studenten der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München haben zusammen mit ihren Professoren im Rahmen einer Law Clinic an einer Klage gegen das neue Polizeiaufgabengesetz gearbeitet. Die Popularklage wurde am 3.Mai beim bayerischen Verfassungsgericht eingereicht. An der Klageschrift mitgearbeitet hat auch die 22-jährige Jurastudentin Franziska Maria Elisabeth Pongratz. Die gebürtige Chamerin studiert im 9. Semester Jura an der LMU und erklärt, wie es zu der Klage gekommen ist, und was damit erreicht werden soll.

Frau Pongratz, erklären Sie doch bitte kurz, wie es zu dem Projekt und der damit verbundenen Klage gekommen ist.

Franziska Pongratz: Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von drei Universitäten, neben der LMU ist noch die Uni Würzburg und die Uni Erlangen beteiligt. Als unsere Professoren bemerkt haben, dass das Polizeiaufgabengesetz verfassungsmäßig problematisch sein könnte, haben Sie die Idee entwickelt, den Sachverhalt ihren Studenten paxisnäher zu vermitteln. Deswegen haben sie sich dazu entschlossen, eine Law Clinic zu machen. Es sollte nach US-Vorbild durchgeführt werden. Wir konnten dann praxisnah an einer konkreten Klage arbeiten, was ja so normalerweise im Studium nicht der Fall ist.

Wann haben Sie das Projekt durchgeführt?

Wir haben im November damit angefangen und haben uns zum ersten Mal in Nürnberg getroffen. Unser Abschlussseminar war dann Ende Februar.

Daraus ist dann eine Popularklage entstanden. Können Sie kurz erläutern, was eine Popularklage überhaupt ist?

Eine Popularklage ist eine bayerische Spezialität. Bei einer Popularklage kann sich jeder in Bayern, also auch jeder Deutsche, gegen ein Gesetz wehren, indem er Rechtsschutz vor dem Verfassungsgerichtshof in Bayern sucht. Man kann darlegen, wieso ein Gesetz verfassungswidrig ist. Man muss dafür aber nicht unmittelbar betroffen sein. Man muss also beispielsweise nicht eine Maßnahme nach dem neuen Polizeiaufgabengesetz erduldet haben.

Die Klage ist von den Studenten zusammen mit den Professoren auf den Weg gebracht worden...

Die schriftliche Arbeit ist schon hauptsächlich von den Studenten durchgeführt worden, natürlich haben die Professoren das dann verbessert oder Anregungen gegeben. Wir werden nun von unseren Professoren vertreten, weil wir ja selbst nicht prozessführungsbefugt sind.

Die Klage liegt also dem bayerischen Verfassungsgerichtshof jetzt schon vor...

Ja, wir haben sie am 3. Mai dort abgegeben.

Wie geht es nun weiter?

Tatsächlich weiß man nie genau, wann es bearbeitet wird. Wir rechnen mit einer sechsmonatigen Bearbeitungsfrist. Der nächste Schritt wäre jetzt, dass die Landesregierung eine Klageerwiderung schreibt.

Welche Punkte haben Sie überhaupt dazu gebracht, eine Klage gegen das Gesetz einzureichen?

Es war ein Denkprozess, in dem wir uns die problematischen Punkte angeschaut haben, und schließlich nach eingehender Prüfung zu der Überzeugung gekommen sind, dass das Gesetz verfassungswidrig ist. Gerade als Jurastudentin ist es wichtig, dass man sich dagegen wehrt, wenn man der Auffassung ist, dass etwas konkret gegen die Verfassung verstößt, und dann eben auch den Weg des Rechtsschutzes zu gehen.

Wieso ist das Gesetz ihrer Meinung nach denn verfassungswidrig?

Das sind verschiedene Punkte. Zum problematischen Punkt, zur Erweiterung der Generalklausel: Da gibt es den neuen Begriff der "drohenden Gefahr", der unserer Meinung nach gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstößt. Das finde ich problematisch, denn es ist ein Gebot des Rechtsstaates, dass alle Normen so formuliert sind, dass jeder Bürger verstehen kann, was darunter gemeint ist, und wann man dann davon betroffen ist. Problematisch ist es, wenn man gar nicht weiß, wann man davon betroffen sein kann. Das darf in einem Rechtsstaat meiner Meinung nach nicht sein.

Das heißt, die Begrifflichkeit, die verwendet wird, ist ihrer Meinung nach zu schwammig...

Ja. Das ist auch die Meinung vieler Sachverständiger.

Welche Chancen räumen Sie sich denn mit der Klage ein?

Wir gehen nicht unbedingt davon aus, dass der Verfassungsgerichtshof das Gesetz als verfassungswidrig erklärt, vor allem nicht in allen Punkten. Allerdings gehen wir schon davon aus, dass er Punkte an die Hand gibt, mit denen dann auch Richter und Polizisten arbeiten können, mit denen also die Frage beantwortet wird: Wann darf ich eingreifen und wann nicht?

Wahrheit statt Gerüchte

Derzeit wird von den Gegnern des Gesetzes so manches kolportiert, was nicht Wahrheit ist, beziehungsweise was Halbwahrheiten sind...

Ja, das stimmt.

Vielleicht können Sie bezüglich einiger Punkte für ein bisschen Klarheit sorgen. Es wird zum Beispiel von Gegnern kolportiert, dass die Polizei Menschen willkürlich drei Monate festhalten könnte. Was sagen Sie dazu?

Das ist tatsächlich eine falsche Aussage. Die Präventivhaft kann eben gerade nicht aufgrund der drohenden Gefahr angewendet werden. Das war mal so in einem Gesetzesentwurf vorgesehen. Die Regierung hat es aber zurückgenommen und neu formuliert. Was der Fall ist: Die Präventivhaft kann jeweils um drei Monate verlängert werden, vorher war sie auf 14 Tage beschränkt. Der Sachverhalt ist also insgesamt falsch kommuniziert worden, wobei man auch sagen muss: Die Bevölkerung wusste gar nicht, dass der Punkt geändert wird. Dadurch ist eventuell auch ein Raum für Gerüchte geschaffen worden.

Können Sie auch ein weiteres Gerücht entkräften, nämlich, dass die Polizei vielfach Handgranaten bei Einsätzen dabei haben soll?

Das ist tatsächlich auch eine falsche Behauptung.

Um es nochmals vom Ablauf her klar zu machen: Die Polizei kann ja nicht von sich aus bei einer drohenden Gefahr beispielsweise einen Menschen festhalten. Es muss ja immer ein Richter vorhanden sein, der das anordnet, oder?

Aufgrund der drohenden Gefahr wird die Präventivhaft sowieso nicht möglich sein. Ansonsten stimmt dieser Hinweis auf den Richtervorbehalt. Wir haben aber eben das Problem gesehen, dass ein Richtervorbehalt immer ein Zeichen des rechtlichen Gehörs sein soll. Dass man die Chance haben soll, vor einem Richter vorzutragen, was die Tatsachen aus der eigenen Sicht sind. Und dann kann eben auch die Polizei die Tatsachen vortragen. Aber wenn jemand seit Monaten in Haft war, dann wird es für ihn vermutlich schwierig, zu vermitteln, dass er keine Gefahr mehr darstellt. Es ist meiner Meinung nach eine Frage der Gewaltenteilung, ob die Polizei das rechtliche Gehör soweit ersetzen kann. Das Problem liegt darin, dass sie allein die Tatbestände schafft, also sagen kann, was vorgefallen ist oder worin die Gefahrenlage besteht.

Damit die Polizei präventiv tätig werden kann, muss ein bedeutendes Rechtsgut betroffen sein, es muss etwa eine Gefahr für Leib und Leben bestehen...

Diese Wortwahl wurde im Gesetz getroffen. Allerdings sind diese bedeutenden Rechtsgüter nur teilweise und nicht abschließend aufgezählt. Leib und Leben anderer Menschen wäre ein solches bedeutendes Rechtsgut. Allerdings weiß man eben nicht, was noch darunter fallen kann, was dann wieder ein Problem der Bestimmtheit wäre.

Im Kern zielt Ihre Kritik also wirklich auf die Unschärfen des Gesetzes ab...

Es ist zu schwammig und dadurch, weil es zu schwammig ist, ist es auch unverhältnismäßig den Betroffenen gegenüber.

Wie sieht es denn bei der Überwachung aus: Wenn die Telefonate oder die Internet-Aktivitäten überwacht werden sollen, dann braucht es ja auch die Zustimmung eines Richters...

Ja, das ist tatsächlich der Fall.

Nun demonstrieren viele Menschen gegen das Gesetz. Glauben Sie, dass sich dadurch noch etwas ändern wird?

Weil das Gesetz schon in Kraft ist, denke ich, dass es erst mal in Stein gemeißelt ist, bis eine Entscheidung durch das Gericht erfolgt. Ich denke aber schon, dass es Auswirkungen im Landtag haben wird, dass viele Menschen dagegen sind.