Landshut
Übernachtung endet mit Vergewaltigung: Mann (43) vor Gericht
17. März 2016, 13:13 Uhr aktualisiert am 17. März 2016, 13:13 Uhr
Für Angelina C. endete der 20. Sepember 2015 mit einem Martyrium. Sie wurde von einem guten Bekannten vergewaltigt. Nun steht ihr Peiniger vor Gericht.
Sein Blick. Sie hatte schon oft bei ihm übernachtet, weil er nur wenige Minuten von ihrem Arbeitsplatz entfernt wohnte und sie sich dadurch die Zugfahrt sparen konnte. Doch am Abend des 20. September 2015 sieht Chiso A. sie auf eine neue Art und Weise an. "Seltsam. Seine Augen." Angelina C. rang vor Gericht um Worte und konnte dennoch nicht beschreiben, wie ihr Bekannter sie ansah. Als sie bemerkt, dass Chiso A. die Tür versperrt hatte, bekommt sie es endgültig mit der Angst zu tun. Sie schreit, versucht ihren Freund anzurufen, doch A. zertritt das Telefon. Später - A. hatte ihr erlaubt, sich im Bad zu säubern, nach dem sie vor lauter Angst eingenässt hatte - überlegt sie, aus dem Fenster im Bad zu springen. "Aber ich hatte Angst, zu sterben." Schließlich fügt sich Angelina C. Nach der Nacht, die ihr zum Martyrium wird, geht sie zur Polizei und erstattet Anzeige gegen den Mann, den sie am Abend zuvor noch als "Bruder" bezeichnet hatte.
Seit Mittwoch muss sich der 43-jährige Nigerianer Chiso A. vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung verantworten. Laut der von Staatsanwalt Gerd Strohner vertretenen Anklage begab sich Angelina C. gegen 20.45 Uhr in die Wohnung von A. in der Wolfgangsiedlung. Im Lauf des Abends entbrannte ein Streit darüber, wo C. schlafen sollte. Sie wollte auf einer Matratze schlafen, der Angeklagte bestand darauf, dass sie zu ihm ins Bett kommen solle. Sie habe immer auf der Matratze geschlafen, so Angelina C. vor Gericht. Ansonsten hätte sie auch kein Problem damit gehabt, mit einer Decke auf dem Boden zu liegen. An diesem Abend habe A. ihr gegenüber behauptet, die Matratze sei im Keller. "Später habe ich die Matratze dann im Bad entdeckt." Als C. entdeckte, dass die Tür abgesperrt ist, forderte sie laut Anklage Chiso A. auf, sie rauszulassen, und begann panisch zu schreien. A. schrie sie an, "Shut up, ruf' die Polizei, wenn Du meinst. Die glauben Dir sowieso nicht und wenn ich angebe, dass ich betrunken war, bekomme ich keine Strafe. Die Polizei steht hinter mir."
Nachdem der Angeklagte auch noch das Handy von Angelina C. zerstört hatte, versuchte sie, sich zu beruhigen und mit ihrem Bekannten zu reden. Dieser erklärte ihr jedoch laut Anklage, dass er sie liebe und sie zu ihm ins Bett kommen solle. Es sei sein Haus und sie müsse sich seinen Regeln beugen. C. sah keinen Ausweg mehr und willigte ein. Es folgte eine entwürdigende Nacht, die erst im Morgengrauen endete. Mit den Worten der Staatsanwaltschaft: "Mittels Gewalt, durch sein Schreien und seine Äußerungen überwandte der Angeklagte den Widerstand der Geschädigten und nutzte sodann bewusst aus, dass sie unter dem Eindruck ihres schutzlosen Ausgeliefertseins aus Furcht vor weiteren Gewalteinwirkungen auf weiteren Widerstand verzichtete und die sexuellen Handlungen erduldete."
Verteidiger Hubertus Werner erklärte nach Verlesung der Anklage, dass sein Mandant sich vorerst nicht äußern werde. Man werde die Einlassung von Angelina C. abwarten.
Angelina C. betrat dann sichtlich mitgenommen den Gerichtssaal, nahm aber nach unterstützenden Worten von ihrem Rechtsbeistand Wolfgang Heidersberger, der Dolmetscherin und der Kammer bestärkt auf dem Zeugenstuhl Platz. Pausen, die ihr Vorsitzender Richter Ralph Reiter immer wieder anbot, wenn sie aufgrund ihrer Schilderungen ins Stocken kam, lehnte sie ab: Sie wolle das alles so schnell wie möglich hinter sich lassen. Kennengelernt habe sie Chiso A. am Landshuter Bahnhof. Sie arbeite in einem Pflegeheim und pendle zur Arbeit. Chiso A. sei häufig am Bahnhof gesessen. Eines Tages habe sie ihn angesprochen wie sie es zu Beginn ihrer Zeit in Deutschland häufig bei dunkelhäutigen Menschen gemacht habe - "weil ich gerne meine Muttersprache gehört habe", so die Südafrikanerin. Chiso A. sei nett gewesen. Sie habe ihn öfter mal besucht; auch ihr Freund sei einmal dabei gewesen und habe für Chiso A. gekocht. Das mit dem Übernachten habe sich ergeben, da sie der Schichtarbeit nachgehe. Es sei einfacher für sie gewesen, wenn sie Spätschicht gehabt habe und am nächsten Morgen schon wieder arbeiten musste. Nie sei dies ein Problem für Chiso A. gewesen, sagte Angelina C. - bis zum 20. September. Sie habe doch immer Vertrauen zu ihm gehabt; er stamme schließlich vom selben Kontinent ab wie sie. Sie habe Chiso A. daher noch gefragt, "Bruder, was tust Du?"
Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.