Prozess in Ansbach

170 Rinder verendet: Landwirt verurteilt


Der angeklagte Landwirt wartet im Sitzungssaal im Amtsgericht Ansbach auf den Prozessbeginn.

Der angeklagte Landwirt wartet im Sitzungssaal im Amtsgericht Ansbach auf den Prozessbeginn.

Von dpa

Ein Landwirt lässt seine Rinder im Stall qualvoll sterben. Aus Überforderung gibt er ihnen nicht genug Futter und Wasser, heißt es im Prozess. Wie konnte es dazu kommen?

Es war ein grauenvoller Anblick, der sich den Polizisten und der Polizistin im Stall bot: Überall lagen tote Rinder auf dem Boden, manche davon schon bis auf die Knochen verwest. Dazwischen standen noch einige stark abgemagerte Kühe. Das Amtsgericht Ansbach verurteilte einen 44-jährigen Landwirt deshalb am Mittwoch wegen tödlicher Vernachlässigung seiner Mastkühe zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und zu einem lebenslangen Tierhaltungsverbot.

Selbst die Expertin vom Veterinäramt, die schon viel gesehen hat, wirkt im Gericht bei ihrem Auftritt erschüttert von den Missständen. Das Sterben müsse sich über Monate hingezogen haben, sagt Birgit Badewitz. "Die Tiere waren in unterschiedlichem Verwesungszustand." Manche der Knochen seien sicherlich ein Jahr alt gewesen.

Fünf Lastwagenladungen lässt die Behörde nach der Entdeckung im Mai 2021 von dem Hof im bayerischen Landkreis Ansbach abtransportieren. 160 Tiere sind dort qualvoll zugrunde gegangen, weil ihr Besitzer diese über längere Zeit nicht ordentlich mit Wasser und Futter versorgt hatte. Weitere sind in einem so erbärmlichen Zustand, dass ein Tierarzt sie einschläfern muss.

Die Arbeit wuchs ihm über den Kopf

"Es war ein ganz langer, schleichender Prozess", sagt Richter Armin Abendschein. Der Angeklagte habe sich nach der Übernahme des Betriebes von seinem Vater immer mehr aufgebürdet. Irgendwann sei ihm die ganze Arbeit über den Kopf gewachsen. Die Folgen werden in der Verhandlung nach und nach deutlich: Der Landwirt fängt an, die Büroarbeit zu vernachlässigen, lässt Briefe und Mahnungen liegen. Der Hof gerät in finanzielle Schwierigkeiten. Dann kommt die Corona-Krise und der Landwirt kann seine Rinder nach eigenen Angaben nicht mehr vermarkten.

"Das war der Zeitpunkt, wo bei ihm Verzweiflung eingesetzt hat", erläutert sein Verteidiger Marc Zenner. Er sei in Depressionen abgeglitten und habe sich mit Alkohol betäubt. Nach dem Fund der Tiere sei er endgültig zusammengebrochen und in psychiatrische Behandlung gekommen. Einem Gutachten zufolge war er zu dem Zeitpunkt vermindert schuldfähig.

Auf den im Gericht gezeigten Bildern vom Hof sieht man auf den ersten Blick von außen nicht, welches Grauen sich im Stall abgespielt hat. Alles ist ordentlich gepflegt, das Büro penibel aufgeräumt. Doch an einer Außenwand am Stall ist Wellblech angebracht. Ein Polizist im Prozess erläutert den mutmaßlichen Grund: Die Holzwände des Stalls seien an vielen Stellen abgewetzt gewesen, wo Kühe vermutlich versucht haben, Kondenswasser aufzuschlecken. Teilweise seien die Balken auch aus Hunger angeknabbert gewesen. Der Angeklagte habe die Löcher wohl von außen abgedeckt, meint der Beamte.

Er fürchtete um sein Ansehen

Der Landwirt habe versucht zu vertuschen, was in seinem Stall vorgehe, sagt auch der Richter später in der Urteilsbegründung. Seiner Familie erzählt der Landwirt dem Gutachter zufolge nichts von den Problemen. Er sei nur noch ab und zu in den Stall gegangen. Er habe sich geschämt und sich auch keine Hilfe gesucht, weil er um seine Existenz, aber auch um sein Ansehen gefürchtet habe, sagt der Psychiater Peter Sauer.

Der Angeklagte sei stark ins Dorfleben eingebunden gewesen: Er war im Gemeinderat, bei der freiwilligen Feuerwehr und im Bauernverband. Im Dorf galt sein Betrieb als vorbildlich. Auch das Veterinäramt hatte nach Angaben der Expertin Badewitz bei früheren Kontrollen nie Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt.

Das Mandat und die Ämter hat der 44-Jährige inzwischen abgegeben. Seinen Betrieb will er aber weiter führen: ohne Tiere, nur noch mit Ackerbau und Biogasanlage. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.