Bayern

AZ-Rundgang: Was auf dem Areal des neuen Gasteig entstehen soll

Das Grundstück, auf dem die neue Isarphilharmonie steht, gehört den Stadtwerken. Sie wollen hier 450 Wohnungen für Mitarbeiter bauen, die Kultur soll bleiben und das Handwerk auch.Ein AZ-Rundgang.


BA-Chef Markus Lutz (l.), Angelika Riemensberger und Bernhard Boeck von den Stadtwerken zeigen das Gelände hinter dem HP8.

BA-Chef Markus Lutz (l.), Angelika Riemensberger und Bernhard Boeck von den Stadtwerken zeigen das Gelände hinter dem HP8.

Von Christina Hertel

Nur ein paar Meter von dort entfernt, wo am Abend Hunderte Münchner dem Orchester lauschen, gibt es auch am Vormittag viel zu hören. Man muss nur hinter die neue Gasteig-Philharmonie in Sendling gehen. Dort stehen Werkstätten und alte Industriehallen, manche sind aus Ziegelstein, manche haben Glasfassaden, viele sind über 50 Jahre alt. Man hört: eine Kreissäge. Gegenüber: zuerst Geigen, dann ein paar Meter weiter ein Becken.

Schaut man bei der nächsten Halle durchs Fenster, stehen da alte Porsches auf Hebebühnen. Noch ein paar Meter weiter sitzen junge Leute vor großen Bildschirmen, an der Wand lehnen Surfbretter. Das Türschild verrät, dass das Designer und Grafiker sein müssen. Und noch ein paar Meter weiter rauchen Bühnentechniker Zigaretten, trinken Kaffee, plaudern.

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Das Grundstück der Stadtwerke ist fast vier Hektar groß. Ziel ist, dass Wohnen, Gewerbe, Kultur und Grün miteinander funktionieren.

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Das Gelände hinter dem HP8.

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2024 soll das Ausbildungszentrum der Stadtwerke umziehen. Danach sollen hier Wohnungen für Mitarbeiter gebaut werden.

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Zuletzt haben die Stadtwerke hier Trafos gelagert. Jetzt ist der Gasteig eingezogen. Die Kultur soll bleiben.

Vor gut eineinhalb Jahren ist der Gasteig von Haidhausen hierher nach Sendling gezogen. Seitdem hat sich das Areal, das bis dahin die meisten Münchner wohl noch nie betreten hatten, gewandelt. Zu Mechanikern, Schreinern und Künstlern kamen Musiker, Bühnentechniker, Verwaltungs- und Bibliotheksleute. Und zu alten Industriehallen kamen neue, graue Bauten, denen man nicht ansieht, dass sie bloß schickere Container sind, Provisorien für die Volkshochschule und die Hochschule für Musik- und Theater.

Das Grundstück wird sich weiter verändern. Hier, direkt an der Isar, soll bis Anfang der 2030er Jahre ein neues Quartier mit zirka 450 Wohnungen, Kindergärten, Läden und Ateliers entstehen.

Die 3,8 Hektar große Fläche gehört den Stadtwerken (SWM) - es gibt sogar noch einen unterirdischen Gang hinüber zu ihrem Heizkraftwerk. Die denkmalgeschützten Halle E (heute das Foyer für die Philharmonie) wurde in den 1920ern erbaut. Die Stadtwerke lagerten darin zuletzt Stromtrafos.

Derzeit nutzen die SWM nur den südlichen Teil des Geländes als Ausbildungsstätte. Mechatroniker, aber auch Industriekaufleute lernen hier ihren Beruf. Doch sie sollen umziehen.

Gerade bauen die Stadtwerke an einem neuen Ausbildungszentrum neben ihrer Zentrale in Moosach. Bis Ende 2024 soll es fertig sein, sagt Bernhard Boeck, der für die Immobilien der Stadtwerke verantwortlich ist. Das Unternehmen kann also sein Grundstück in Sendling neu denken.

Im Herbst erfolgte der Startschuss: Der Stadtrat fasste den Aufstellungsbeschluss. Das ist der erste Schritt, wenn Kommunen ein Gebiet überplanen. Der Stadtrat legte fest, dass ein Quartier entstehen soll, in dem Kultur, Gewerbe und Wohnen miteinander funktionieren. Etwa 450 Wohnungen sollen gebaut werden, die denkmalgeschützte Halle soll für Kultur erhalten bleiben.

Die Stadtwerke wollen die Wohnungen an ihre Mitarbeiter vermieten. "Die aktuelle Durchschnittsmiete liegt im gesamten Werkswohnungsbestand bei rund neun Euro pro Quadratmeter", sagt Angelika Riemensberger.

Sie ist bei den Stadtwerken für die Entwicklung der Grundstücke zuständig. "Wir versuchen, die Mieten auch in dem neuen Quartier künftig weit unter Marktniveau zu halten." Genauer kann sie es nicht sagen. Denn fertig wird das Quartier frühestens 2032.

Noch in diesem Jahr werden die Pläne konkreter. Die Stadtwerke loben einen städtebaulichen- und landschaftsplanerischen Wettbewerb aus. 15 Büros können mitmachen. Ende 2023 soll der Sieger feststehen.

Die größte Herausforderung: "Einerseits wollen wir möglichst viel Wohnraum schaffen und mutig verdichten", sagt Boeck von den Stadtwerken. Andererseits werden die neuen Bewohner die Isar vor der Haustür haben. Hochhäuser, meint Boeck, wird es hier deshalb keine geben. "Die Häuser werden wohl nicht höher als die Nachbarbebauung sein."

Fest steht außerdem, dass die denkmalgeschützte Halle für Kultur erhalten bleibt. Die Wohnungen sollen nicht direkt daneben gebaut werden. Als Übergang soll es einen "Kreativbaustein" geben, erklärt Boeck. Dort sollen nicht nur Büros, sondern auch Handwerker und Künstler unterkommen. "Wir wollen keine Schlafstadt", sagt der Sendlinger Bezirksausschuss-Chef Markus Lutz (SPD). "Früher hatte Sendling viele Ateliers, die verlorengegangen sind." Lutz sieht es als "soziale Aufgabe" einer Stadt, auch Künstlern und Handwerkern einen Platz zu bieten.

Und was ist mit "Reifen Senjak" und "Royal Glanz Autopflege"? Passen die noch in ein neues Wohnquartier? "Der Planungsprozess zieht sich noch über viele Jahre", sagt Boeck. Schon als der Gasteig einzog, hätten die Stadtwerke versucht, so viele Mieter wie möglich zu halten. Doch ob das wieder klappt?

Beginnen sollen die ersten Abbrucharbeiten 2027. Ob alle alten Hallen, die sich hinter den HP8-Gebäuden befinden, weichen müssen oder ob welche saniert werden können, wird in den nächsten Planungsschritten überprüft, meint Boeck.

Bezirksausschuss-Chef Lutz freut sich schon jetzt: "Würde das Areal jemand anderem als den Stadtwerken gehören, entstünden hier die nächsten Isar-Suiten."