Kommunalwahlen

Barrierefreies Wählen: Idealzustand noch nicht erreicht


Immer mehr Wahllokale in Bayern sind barrierefrei. Doch noch gibt es Nachholbedarf. Gerade im Vorfeld der Kommunalwahlen könnte noch mehr Material in leichter Sprache bereit gestellt werden.

Immer mehr Wahllokale in Bayern sind barrierefrei. Doch noch gibt es Nachholbedarf. Gerade im Vorfeld der Kommunalwahlen könnte noch mehr Material in leichter Sprache bereit gestellt werden.

Von Florian Kronfeldner

Am 15. März sind Kommunalwahlen in Bayern. Wählen ist ein Grundrecht und sollte für jeden problemlos möglich sein. Doch nicht für jeden ist es gleich einfach, sein Kreuz zu setzen.

Das Ziel ist eindeutig: Nach einer UN-Vereinbarung, die Deutschland mit unterzeichnet hat, sollen alle Menschen dieselben Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe besitzen, und das gilt natürlich auch fürs Wählen. Die Wahlordnung für die Gemeinde- und Landkreiswahlen in Bayern legt fest, dass die Wahllokale so ausgestattet sein sollen, dass "insbesondere behinderten und anderen Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen die Teilnahme an der Abstimmung möglichst erleichtert wird."

Daraus folgt zwar kein genereller Anspruch auf Barrierefreiheit, aber die Kommunen sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür sorgen, dass das Wahlrecht ohne Behinderung ausgeübt werden kann. Darauf verweisen unter anderem die Regierungen von Niederbayern und der Oberpfalz, denen aber keine genauen Zahlen vorliegen, wie viele Menschen in der Region barrierefreie Wahllokale benötigen. In Bayern leben laut Angaben des Zentrums Bayern Familie und Soziales insgesamt rund 1,2 Millionen Menschen mit einer Schwerbehinderung.

Barrierefrei: Mehr als leichter Zugang

Barrierefreiheit heißt mehr als der erleichterte Zugang zu Wahllokalen: Auch einfachere Beschilderung, Anweisungen in leichter Sprache oder in Blindenschrift oder oft einfach nur eine gute Beleuchtung, eine ausreichend große Wahlkabine und die richtige Ansprache durch die Wahlhelfer gehören zur Barrierefreiheit. Jan Gerspach, Ressortleiter Leben mit Behinderung beim Sozialverband VdK Bayern, begrüßt, dass bei den kommenden Kommunalwahlen zum ersten Mal Menschen wählen dürfen, die auf eine Betreuungsperson angewiesen sind. Er meint aber auch: "Es hat sich zwar schon Einiges getan, aber die Wahllokale in Bayern sind noch lange nicht komplett barrierefrei."

Auch Behindertenvertreter in den ostbayerischen Städten machen Probleme bei der Barrierefreiheit aus. Karl Dengler, Verwaltungsrat der Stadt Straubing für Menschen mit Behinderung, sieht ein Manko, das bereits im Vorfeld der Wahlen auftritt. Für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bestehe das Problem, dass das Verfahren bei der Kommunalwahl sehr schwer nachzuvollziehen sei. Hier müsse man frühzeitiger ansetzen und die Wähler weit im Voraus informieren. Seine Partei, die ÖDP, habe als einzige Partei in Straubing ein Programm auch in leichter Sprache verfasst, berichtet Dengler. Zumindest beim Zugang der Wahllokale sieht er immer weniger Probleme. Wahllokale seien für so gut wie alle Wähler mit einer Rampe oder mit Lift erreichbar.

Briefwahl wird gerne genutzt

Gerade wegen der bestehenden Hindernisse würden viele Wähler mit Handicap die Briefwahl bevorzugen, sagt die Behindertenbeauftragte des Landkreises Cham, Wera Müller: "Mein Eindruck ist, dass viele sich die Wahlunterlagen nach Hause bringen lassen", sagt sie. Dann könne man in Ruhe seine Kreuze setzen. Doch sei auch ihr bewusst, dass eine vollständige Barrierefreiheit bei Wahlen derzeit nicht erreicht sei, gerade wenn man an Sehbehinderte oder kognitiv Beeinträchtigte denke.

Der Behindertenbeauftragte der Stadt Landshut, Franz Linzmeier, berichtet, dass das Briefwahllokal im Rathaus II sehr gerne in Anspruch genommen werde. Dieses sei barrierefrei erreichbar. Von den 60 Wahllokalen der Stadt Landshut seien 44 barrierefrei, bei den weiteren werde versucht, "bestmögliche Verbesserungen zu erzielen", wie die Stadtverwaltung auf Anfrage mitteilt.

Es bleibt also noch einiges zu tun. Bei der Bereitstellung von Infomaterial sieht Verbandsvertreter Jan Gerspach vor allem die Parteien in der Pflicht, noch mehr auf Menschen mit Behinderung zuzugehen und sie über ihre Wahlvorhaben zu informieren. Nachholbedarf sieht er vor allem in der Bereitstellung von Wahlprogrammen in leichter Sprache. "Bei Bundestagswahlen klappt das bereits recht gut, bei den Kommunalwahlen noch nicht", sagt Gerspach. Zudem wünscht der Verbandsvertreter noch mehr Infoveranstaltungen, die speziell auf die Belange für Menschen mit Beeinträchtigung zugeschnitten seien, etwa mit Gebärdendolmetschern. "Das würde gleichzeitig allen Wählern zugute kommen", meint Gerspach. Was die Wahllokale betrifft, liege dies im Ermessen der Kommunen. Sie sind angehalten, entweder barrierefreie Orte als Wahllokale auszuwählen oder sie für in der Mobilität eingeschränkte Personen zugänglich zu machen.