Bayern
Corona-Soforthilfe: Ist die Rückforderung rechtswidrig?
21. März 2023, 18:12 Uhr aktualisiert am 21. März 2023, 18:12 Uhr
München - Versprochen war schnelle, unbürokratische Hilfe, als im ersten Corona-Lockdown vor drei Jahren Friseure, Kosmetiker, Fußpfleger und andere Soloselbstständige wochenlang nicht arbeiten durften. Allein in München beantragten 37.000 Personen oder Unternehmen Soforthilfe, fast 300 Millionen Euro zahlte die Landeshauptstadt aus.
Ende 2022 dann die böse Überraschung. Die Soforthilfe-Empfänger wurden aufgefordert, zu überprüfen, ob der "Liquiditätsengpass" für März bis Mai 2020 tatsächlich so eingetreten war. Andernfalls muss die Hilfe ganz oder anteilig bis 30. Juni zurückgezahlt werden.
"Für die Soloselbstständigen ist es am schwierigsten - viele müssen Kredite aufnehmen", sagt Achim von Michel vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) in Bayern. "Sie fühlen sich im Stich gelassen."
So geht es zum Beispiel Friseur Martin P. (75) aus Haidhausen. Trotz Soforthilfe musste er 2020 Tausende Euro Schulden machen und seine Altersvorsorge anbrechen (AZ berichtete)i. Nun wird er wieder Schulden machen müssen. "Dabei war von Rückzahlung nie die Rede", sagt er.
Auch die selbstständige Friseurmeisterin Caroline Kriegsmann trifft es hart. Sie muss laut Berechnung die gesamte Hilfe zurückzahlen: 9000 Euro - obwohl sie 16 Wochen nicht arbeiten durfte und keinen Verdienst hatte.
Doch sind die Forderungen überhaupt zulässig? Darüber wird gestritten. Noch gibt es keine Urteile von bayerischen Verwaltungsgerichten - jedoch aus anderen Bundesländern: So urteilte das Oberverwaltungsgericht in Münster (NRW) Ende voriger Woche, dass Rückforderungen in großen Teilen unzulässig sind. Achim von Michel empfiehlt nun auch Betroffenen in Bayern: "Leisten Sie erst mal keine Rückzahlung!" Stattdessen rät er, auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu warten.
Die Würzburger Kanzlei Steinbock & Partner vertritt bereits mehr als 100 Mandanten aus Bayern, die sich gegen die Rückforderung wehren. Anwalt Alexander Lang betont, dass nicht jede Forderung pauschal unzulässig sei. "Doch ich gehe davon aus, dass auch die Verwaltungsgerichte in Bayern die Rückforderungen im großen Umfang für rechtswidrig erklären werden".
Das Gericht in NRW stütze "sein Urteil darauf, dass im Rückmeldeverfahren keine anderen Kriterien angewendet werden dürfen als bei der Bewilligung der Soforthilfen", so Lang. Unklarheiten gingen zulasten des Landes. Auch in Bayern seien Regelungen in den Bewilligungsschreiben nicht klar gefasst und würden von den Berechnungsmethoden im Rückmeldeverfahren abweichen.
Anwalt Lang empfiehlt seinen Mandanten, erst mal nicht zu zahlen. Und: bis 30. Juni zwar die geforderten Auskünfte zu erteilen, aber per Anwaltsschreiben darzulegen, warum kein Anspruch bestehe.
Die Landtags-Grünen wollen die Rückzahlforderungen der Hilfen heute mit einem Dringlichkeitsantrag stoppen. Sie seien "nicht leistbar und existenzbedrohend", sagt Sanne Kurz, Sprecherin für Kultur und Film. Und stünden "in krassem Missverhältnis zu früheren Aussagen”.