Wintersport

Dürrs krönender WM-Abschluss: «Gott ein deutscher Skifahrer»

2019 verliert Ski-Ass Dürr zwischenzeitlich den Kaderstatus. Vier Jahre später holt die Münchnerin WM-Bronze. Linus Straßer verpasst die Medaille knapp. Alpinchef Maier lobt - und übt starke Kritik.


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Lena Dürr aus Deutschland jubelt nach dem Gewinn der Bronzemedaille.

Lena Dürr genoss die Medaillenzeremonie von Beginn an. Jede Hand, die ihr die Fans entgegenstreckten, versuchte die deutsche Skirennfahrerin auf ihrem Weg auf's WM-Podest abzuklatschen. Mit der Bronzemedaille um den Hals gab es dann kein Halten mehr: Die Münchnerin schrie ihre Freude in den Nachthimmel über Méribel und präsentierte den Fotografen stolz ihr glitzerndes WM-Mitbringsel. Freudentränen hatte Dürr zu diesem Zeitpunkt am Samstag schon genug vergossen.

Rund zehn Kilometer weiter östlich weinte am Sonntag auch Linus Straßer in Courchevel. Allerdings aus Enttäuschung. Der mit großen Ambitionen gestartete Slalom-Spezialist fiel im Finale am Sonntag von Platz vier auf neun zurück und reiste ohne Edelmetall aus Frankreich ab. Dürr saß zu der Zeit schon im Auto zurück nach Bayern.

Ihre erste Einzelmedaille bei einem Großereignis war für die Sportlerin vom SV Germering in der Nähe von München ein Mannschaftserfolg. Trainer Markus Lenz rollte jubelnd durch den Schnee und die Teamkolleginnen Andrea Filser und Jessica Hilzinger weinten. "Am Schluss stehst du alleine am Start, aber den Weg dahin gehst du mit so vielen Leuten", sagte Dürr. Immer wieder unterbrach sie ihre Interviews, weil die Emotionen aus ihr herausplatzten. Erst bei ein paar Bier am Abend realisierte Dürr allmählich ihre kleine Heldentat.

Ein Schlüsselerlebnis kann Dürr nicht benennen. Irgendwann 2021 hat es Klick gemacht. Die Bayerin schaffte den Durchbruch, sammelte erste Podestplätze im Slalom und feierte schließlich vor wenigen Wochen den erlösenden ersten Weltcup-Sieg im Torlauf. "Es war immer dieses Dranbleiben", sagte Dürr rückblickend über schwierige Zeiten. Zeiten, in denen sie selten über Platz 15 hinauskam, hier und da das berühmte Quäntchen Glück fehlte und sie kurzzeitig sogar ihren Kaderstatus verlor.

Statt Servicemann und Kadertraining hieß es 2019: Ski selbst wachsen und eine eigene Trainingsgruppe suchen. Die Verantwortlichen im Deutschen Skiverband (DSV) glaubten nicht daran, dass Dürr ihr vorhandenes Potenzial ausschöpfen könne. "Lena, ich kann dir niemanden bieten, der dir helfen kann, du musst dir selber helfen, also probier es mal so", sagte Alpinchef Wolfgang Maier damals zu ihr. Rückblickend eine Win-Win-Situation für Dürr und den DSV.

Hundertstelsekunden entscheiden im Skisport über Sieg und Niederlage. Am Samstag waren es exakt zwei, die Dürr vor dem vierten Platz bewahrten. Eigentlich kurvte die Technikerin beim überraschenden Sieg der Kanadierin Laurence St-Germain zu zaghaft um die Stangen und hatte sich schon - wie bei den Olympischen Winterspielen in China vor einem Jahr - mit Rang vier abgefunden. Doch dann patzte ihre Schweizer Konkurrentin Wendy Holdener. "Manchmal ist der liebe Gott ein deutscher Rennfahrer", sagte Alpinchef Maier.

Fast hätte der Deutsche Skiverband sogar durchfeiern können. Denn mit lediglich 0,14 Sekunden Rückstand auf die Spitze startete Straßer am Sonntag als Vierter in den zweiten Slalom-Lauf. Am Ende fiel der Münchner beim Sieg des Norwegers Henrik Kristoffersen zurück. "Gibt schönere Tage", sagte Straßer enttäuscht. Sein Teamkollege Sebastian Holzmann, der im Weltcup noch nie in die Top Ten gefahren ist, wurde starker Fünfter.

Für den DSV endeten die Weltmeisterschaften nach Alexander Schmids Goldmedaille im Parallelrennen und Dürrs Bronze-Fahrt im Slalom also mit zwei Medaillen. "Eine Übererfüllung des Solls", nannte Maier die Ausbeute mit Blick auf Schmids Triumph. Allerdings habe die WM auch eklatante Schwachstellen offenbart. "Wir haben rein vom Ergebnis die absolute Weltspitze im Speed verloren und wir haben bei den Mädels gesehen, dass wir im Riesenslalom absolut nicht konkurrenzfähig sind", bemängelte der 62-Jährige.

Zumindest bei Dürr überwog jedoch das Positive. "Zeit mit den Liebsten verbringen und das Ganze einfach mal sacken lassen", kündigte sie für die nächsten Tage an. Ihr glitzerndes WM-Mitbringsel wird sie wohl noch ein paar Mal in die Kameras halten dürfen.