Bayern

Fahrprüfer: Warum immer mehr durch die Prüfung fallen

Weinkrämpfe, abgefahrene Spiegel und eine Fahrschülerin, die aus dem Fenster purzelt. Was ein Fahrprüfer in München erlebt hat, wie sich sein Job wandelt - und warum immer mehr durchfallen.


Ganz digital: Im Prüfungsraum in Untersendling tippen die Fahrschüler ihre Antworten mittlerweile in ein Tablet. Die Auswertung folgt prompt.

Ganz digital: Im Prüfungsraum in Untersendling tippen die Fahrschüler ihre Antworten mittlerweile in ein Tablet. Die Auswertung folgt prompt.

Von Carmen Meckenschlager

In seinen sechs Jahren als Fahrprüfer hat Christian Schmid schon viel erlebt: Von Verdauungsschwierigkeiten über Panikattacken über Fahrschüler, die aus dem Auto gefallen sind. Ganze Seiten könnte er damit füllen, sagt er. Schmid ist 52 und gelernter Kfz-Mechaniker, 26 Jahre lang hat er als Fahrlehrer gearbeitet. Mittlerweile ist er beim Tüv Süd als Leiter Fahrerlaubnis Marktgemeinde München angestellt.


Schmid ist ein großer Kerl mit sonorer Stimme. Im AZ-Gespräch wirkt er entspannt, freundlich, macht Witze. Und trotzdem: Tagtäglich fürchten ihn die Fahrschüler. "Viele glauben immer noch, wir seien penible, empathielose Prüfer", sagt er. Dabei sei die Prüfung doch nur ein ganz kleiner Teil der Fahrausbildung. Um den Prüflingen die Angst zu nehmen, brauche es eine ganze Menge Fingerspitzengefühl. Schmid: "Der Job ist wirklich abwechslungsreich. Und fordert uns geistig. Das gefällt mir."

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Termine, Zulassungen und Zahlungen: In der sogenannten Schaltzentrale wird alles koordiniert.

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Stadt München, Garching, Unterhaching: Die Fähnchen markieren die Fahrschulen in der sogenannten Marktgemeinde - das sind rund 200.

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Die AZ besucht den Fahrprüfer Christian Schmid.


Auch gute Nerven sind wichtig für den Job. "Unfälle bei der Prüfung passieren sehr selten. Aber es schadet nicht, wenn man sich bewusst macht, dass ein Auto doch recht sicher ist und man nicht gleich stirbt", scherzt Schmid. Hier und da müsse mal ein Spiegel dran glauben oder es passiert ein Auffahrunfall.


"Oft sind dann gar nicht die Prüflinge schuld", erklärt der ehemalige Fahrlehrer. Bremst ein Prüfling vor einem Stoppschild oder einer roten Ampel abrupt ab, käme es hin und wieder zu Auffahrunfällen, weil der nachfolgende Fahrer nicht mit der Bremsung rechnet.


Am ehesten fallen Bewerber zu Beginn oder zum Ende einer Prüfung durch; in der sogenannten Warmlauf- oder der Auslaufphase. "Am Anfang stehen Stress und Nervosität. Zum Ende hin sinkt die Konzentration stark ab", sagt Schmid. In der Leistungsphase müssen die Prüflinge zeigen, was sie können. Insgesamt 55 Minuten lang dauert die Prüfungssituation, inklusive Begrüßung und Small Talk zur Beruhigung. Denn nervös seien alle Prüflinge. Die einen eben mehr, die anderen weniger.

Besonders erinnert sich Schmid an eine junge Frau, die schon aus 20 Metern Entfernung einen Weinkrampf bekam, als sie ihn sah. Andere bekämen Probleme mit der Verdauung, ein anderer begann zu hyperventilieren.

Bei einem Kollegen sei eine Schülerin sogar schon während der Prüfung hinterm Steuer ohnmächtig geworden. "Da musste dann der Fahrlehrer das Lenkrad übernehmen und an den Straßenrand fahren. Schließlich kam der Rettungswagen", erzählt der Prüfer.


Und noch eine Anekdote weiß Schmid zu erzählen. Zum Ende der Prüfung sollte eine junge Frau auf der Parkharfe am Olympiastadion stehenbleiben. Der ist abgegrenzt durch eine Schranke. "Nah genug ranfahren, aber den Kotflügel bitte dran lassen", sagt Schmid damals. Die Fahrschülerin fuhr schließlich viel zu weit von der Schranke entfernt an den Automaten für das Ticket. Über Minuten versuchte die junge Frau den Schalter doch irgendwie zu erreichen und den Arm so lang wie möglich zu machen.

"Dann schnallte sie sich ab, um noch einen Zentimeter zu gewinnen, und lehnte sich noch weiter raus. Plötzlich plumpste sie aus dem Fenster", erinnert er sich und muss heute noch lachen. Ob sie die Prüfung bestanden hat? "Jaja, ich habe nichts in der Prüfungsrichtlinie gefunden, dass man durch die Tür aussteigen muss", witzelt er.

Insgesamt habe sich das Prüfen verändert. Das liegt allein schon an der Technik. Den Theorieteil absolvieren die Prüflinge längst nicht mehr auf Papier. Jeder tippt die Prüfung in ein Tablet. So eines hat auch Schmid bei den Prüfungen im Auto dabei. Darauf wird in Echtzeit dokumentiert. "Die Prüfungen sind transparenter, gläserner geworden. Aber auch unpersönlicher", findet Schmid.

Das Tablet analysiert über die Geschwindigkeit und die Verkehrsbeobachtung, Schmid trägt etwaige Fehler ein. Eine Matrix errechnet daraus einen Wert. So kann am Ende genau nachvollzogen werden, warum ein Schüler beispielsweise durch die Prüfung gerasselt ist.


Laut dem Tüv-Verband fallen rund 39 Prozent deutschlandweit bei der theoretischen Prüfung durch. 2013 waren es noch zehn Prozent weniger. Zahlen für München gibt es nicht. Eine mögliche Erklärung: das gestiegene Verkehrsaufkommen.

Eine andere Idee: Eine Fahrstunde ist in den vergangenen Jahren immer teurer geworden. Schüler tendieren unter Umständen dazu, nur die Pflicht-Stunden zu absolvieren, und trotz fehlender Sicherheit in die Prüfung gehen.

Die Konsequenz: eine höhere Durchfallquote? Das zumindest hält Schmid nicht für ausgeschlossen.


2021 bestanden bayernweit rund 36 Prozent die Theorie nicht. Dass die Münchner aber immer schlechter abschneiden würden, klingt bei Schmid nicht so. Er selbst rasselte damals auch durch seine erste Theorieprüfung.

Und die Praktische habe mir mit viel Wohlwollen seines Prüfers geschafft, sagt er. Das klingt dann doch weniger nach penibel und empathielos. Oft gehöre eben auch ein wenig Glück dazu.

Die wichtigsten Tipps für die Führerscheinprüfung

Laut Fahrprüfer Christian Schmid ist jeder Prüfling nervös. Das sei völlig normal und nicht schlimm. Um trotzdem besonnen durch die Stresssituation zu kommen und am Ende mit dem Führerschein nach Hause zu gehen, hat Schmid noch ein paar Tipps:

Ausgeschlafen zur Prüfung kommen. Kein Geheimnis, aber ausreichend Schlaf ist wichtig für die Konzentration.

Leichtes Frühstück: "Mit leerem Magen sollte man nicht kommen. Aber besser auch keinen Schweinebraten vorher verdrücken. Wir hatten auch schon Prüflinge mit Verdauungsproblemen während der Fahrt", sagt Schmid.

Sich gut vorbereiten. Schmid: "Nur wer sich sicher fühlt und sich vorstellen kann, auch alleine hinter dem Steuer zu sitzen, sollte zur Prüfung kommen."

An sich glauben: "Wir sprechen da gerne von der sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Wer nicht daran glaubt, zu bestehen, macht es sich selber schwer", sagt der Fahrprüfer.

Wenn nicht bestanden: "Wichtig ist es, das Scheitern danach psychologisch aufzuarbeiten. Sonst kann beim nächsten Mal Angst entstehen", erklärt Schmid. Am besten mit der Fahrschule darüber sprechen. Und durchfallen ist keine Schande. Auch der Fahrprüfer Schmid fiel einmal durch die Theorie.

Hintergrund

Der Beruf Fahrprüfer sind amtlich anerkannte Sachverständige mit einem Studium. Sie führen Fahrzeugprüfungen, Hauptuntersuchungen, Schaden-, Wert- und Änderungsgutachten und Fahrerlaubnisprüfungen durch. Daneben gibt es amtlich anerkannte Prüfer. Also Fahrlehrer, die über mehrere Jahre Berufspraxis verfügen. Durch Schulungen und Sondergenehmigungen werden sie zu Fahrprüfern ausgebildet.