Freising
Gesundheitliche Probleme: Hartmut Binner (78) zieht sich zurück
18. Oktober 2016, 8:50 Uhr aktualisiert am 18. Oktober 2016, 8:50 Uhr
Er ist das Gesicht der Startbahngegner. Über ein Jahrzehnt kämpfte Hartmut Binner an vorderster Front gegen das Milliardenprojekt am Münchner Flughafen. Jetzt zieht sich der 78-Jährige zurück. Dennoch bleibt der Startbahn-Protest für den Ex-Polizisten "mein Lebenswerk".
Das Urteil war gerade gesprochen, der Vorsitzende Richter hielt seine Kurzbegründung, als Hartmut Binner zu singen begann. "Gott mit Dir, du Land der Bayern" stimmte er im Sitzungssaal an, und 200 Zuhörer sangen im Chor mit. Das hatte es noch nie gegeben, dass bei einer Urteilsverkündung die Bayernhymne gesungen wird. Ein sichtlich verärgerter Vorsitzender ließ den Saal räumen, doch Binner hatte auf seine Weise die gerichtliche Niederlage der Gegner einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen besungen.
Das war am 19. Februar 2014. Der gebürtige Freisinger war zu dem Zeitpunkt schon acht Jahre lang Sprecher des Aktionsbündnisses "AufgeMUCkt", in dem mehr als 80 Bürgerinitiativen gegen das umstrittene Milliardenprojekt im Erdinger Moos kämpfen. Jetzt zieht sich der mittlerweile 78-Jährige aus der ersten Reihe des Protestes zurück. Gesundheitliche Probleme zwingen Binner dazu, bei der Mitgliederversammlung des Aktionsbündnisses an diesem Mittwoch, 19. Oktober, nicht mehr für das Sprecheramt zu kandidieren.
So fing alles an
Binner erinnert sich noch genau, wie 2006 an die 10.000 Demonstranten durch seine Heimatstadt zogen und der damalige Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) von "ein paar Krakeelern" sprach, die nicht weiter beachtet werden müssten. Bei einer Kundgebung im Jahr darauf in München waren es schon doppelt so viele Teilnehmer - immer an vorderster Front mit der Armbinde und der Aufschrift "Ordner" dabei Hartmut Binner als das Gesicht der Startbahngegner.
Der mehrmalige Deutsche Meister im Faustball und frühere Leistungssportler war auch maßgeblich an der Organisation des Bürgerentscheids in der bayerischen Landeshauptstadt zur dritten Startbahn beteiligt. Die Projektgegner gewannen die Abstimmung vom Juni 2012 mit 54,3 Prozent. "Dafür danken wir den Münchnern noch heute", sagt Binner im Rückblick. Das ablehnende Votum sieht er als Faustpfand zur Verhinderung der dritten Startbahn.
Selbst Morddrohungen warfen ihn nicht aus der Bahn
Wo immer in den vergangenen Jahren CSU-Politiker auftraten, war Hartmut Binner schon vor ihnen da. Egal ob beim Politischen Aschermittwoch in Passau oder den CSU-Winterklausuren im tief verschneiten Wildbad Kreuth - der Hüne mit dem weißen Vollbart und seine Mitstreiter hielten Transparente mit der Aufschrift "Nein zur dritten Startbahn" in die Höhe. Oder sie vermittelten Abgeordneten vor deren eigener Haustür mit dem Fluglärmgenerator den Krach einer dritten Startbahn.
Noch Anfang Oktober verwehrte Binner dem Heimat- und Finanzminister Markus Söder (CSU) bei einer Veranstaltung in Helfenbrunn den Handschlag.
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Vom loyalen Staatsdiener zum kritischen Demonstranten
Binner war 42 Jahre Polizeibeamter, lange Zeit davon als Ausbilder und zuletzt im Landeskriminalamt. "Ich war Schandi mit Leib und Seele", bekennt der 78-Jährige. "Ich bin stolz, dass ich als Staatsdiener gegen diesen Staat vorgehen darf, ohne Repressalien befürchten zu müssen." Er habe aber erst lernen müssen, vom loyalen Staatsdiener zum kritischen Demonstranten zu werden, "der nur noch wenigen Politikern Glaubwürdigkeit bescheinigt".
Auch von Morddrohungen und Beschimpfungen ließ sich Binner nicht einschüchtern. Viel wichtiger war dem Ex-Polizisten, dass der Startbahn-Protest stets gewaltfrei blieb. Dafür legte sich der pensionierte Beamte auch mit Mitstreitern an. "Natürlich gab es Bestrebungen nach einer härteren Gangart", räumt er ein. Doch Steinewerfen und Sachbeschädigungen kommen für ihn nicht in Frage. "Anketten lassen würde ich mich allerdings schon, wenn die Bagger anrollen."
Erst einmal will er sich jetzt aber seiner Familie widmen, "die in all den Jahren des Widerstandes zu kurz gekommen ist". Binner freut sich aufs Spielen mit seinen vier Enkelkindern. Und doch: "Der Kampf gegen die dritte Startbahn ist mein Lebenswerk, das ich nie aufgeben werde."