Nach Fusion

IG Metall: Schaeffler will in Regensburg über 700 Stellen abbauen

Erst im Oktober hat Schaeffler die Fusion mit dem Regensburger Elektroantriebsspezialisten Vitesco vollzogen. Insgesamt will der Autozulieferer konzernweit 4.700 Stellen abbauen.


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Von dem geplanten Abbau von 4.700 Arbeitsplätzen in Europa entfallen 2.800 Stellen auf Standorte in Deutschland. (Archivbild)

Von Redaktion idowa und mit Material der dpa

Der Automobil- und Industriezulieferer Schaeffler kündigt einen Monat nach der Fusion mit Vitesco den Abbau von 4.700 Arbeitsplätzen in Europa an, davon 2.800 in Deutschland. Das entspreche rund 3,1 Prozent des gesamten Personalbestandes. Betroffen seien zehn Standorte in Deutschland und fünf weitere in Europa, teilte das Unternehmen mit, das weltweit 120.000 Menschen beschäftigt. 

Das Maßnahmenpaket werde in den Jahren 2025 bis 2027 umgesetzt. Ab 2029 sollen so 290 Millionen Euro pro Jahr eingespart werden. 75 Millionen Euro davon stünden im Zusammenhang mit der Fusion mit Vitesco. Der Betriebsrat von Vitesco Technologies und IG Metall kritisieren den Stellenabbau von Schaeffler scharf. Vitesco/Schaeffler Regensburg sei mit 734 abzubauenden Arbeitsplätzen besonders betroffen, heißt es in einer Mitteilung. Diese Zahl sei den Mitarbeitern am Dienstagvormittag vom Unternehmen mitgeteilt worden, sagt Rico Irmischer, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Regensburg.

Betriebsrat will Entscheidung nicht hinnehmen

Carsten Bruns, Betriebsratsvorsitzender von Vitesco in Regensburg, stellt klar: „Wir akzeptieren nicht, dass an unserem Standort 734 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren sollen.“ Bisher seien keine Verhandlungen mit dem Betriebsrat oder der IG Metall zu tragfähigen Lösungen für Regensburg oder den gesamten Konzern geführt worden. Laut Bruns muss jeder vierte Beschäftigte um seinen Job bangen.

„Mit einem derart radikalen Schlag konnte niemand rechnen“, sagt Irmischer. „Wir haben die Übernahme durch Schaeffler jetzt ein Jahr lang sehr positiv und wohlwollend begleitet, die Beschäftigten immer beruhigt, statt sie mit vielleicht drohenden Gefahren einer Fusion zu verunsichern.“ Den Arbeitsplatzabbau bezeichnet Irmischer als hektischen und konzeptlos. Als Dank für die besonderen Anstrengungen des vergangenen Jahres, sowohl in der Administration als auch in der Technologie, würden die Arbeitnehmer einen Schlag in die Magengrube bekommen.

Anfang Oktober vollzog Schaeffler mit dem Elektroantriebsspezialisten Vitesco die Fusion.Vitesco betreibt seine Hauptsitze in Regensburg und Herzogenaurach hat. Einige Tage vor dem Abschluss sagte Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld der Zeitung "Wirtschaftswoche", dass sich durch die Verschmelzung bestimmte Personalstellen erübrigen könnten. "Wir brauchen keine zwei Hauptquartiere. Auch bei bestimmten Funktionen sind wir doppelt besetzt. Wir werden also auch ausgewählte Stellen streichen müssen", sagte Rosenfeld. 

Regensburg soll Heimat für "Powertrain Solutions" werden

In der aktuellen Pressemitteilung wird das Vorhaben noch einmal unterstrichen. Demnach seien insbesondere die Funktionsbereiche und die Zentralabteilungen an den Hauptsitzen Regensburg und Herzogenaurauch betroffen, aber auch der Bereich Forschung und Entwicklung. Regensburg werde zukünftig Sitz des Unternehmensbereichs "Powertrain Solutions" der Sparte Powertrain & Chassis von Schaeffler. Sitz der neuen Sparte E-Mobility von Schaeffler wird Herzogenaurach, das zugleich Sitz der Konzernzentrale bleibt.

Im Ergebnis würden die Anpassungen zum Abbau von circa 600 Stellen führen, die auf Deutschland und hier maßgeblich auf die Standorte Regensburg und Herzogenaurach entfallen, heißt es in der Pressemitteilung. Zu diesen Zahlen tragen die beiden Unternehmen etwa im gleichen Verhältnis bei. 

In der Sparte Powertrain & Chassis macht laut Pressemitteilung die kontinuierlich voranschreitende Transformation weitere Anpassungen notwendig, die sowohl bei Schaeffler als auch bei Vitesco in den vergangenen Jahren definiert wurden. So werden aufgrund der gesunkenen Nachfrage in Folge des anhaltenden Rückgangs des Verbrennergeschäfts weitere Anpassungen durchgeführt, um die Kostenbasis weiter abzusenken. Betroffen seien hier vor allem die Standorte Herzogenaurach, Schwalbach und Regensburg.

Schaeffler ging es 2024 eigentlich gut

"Das Programm ist in der aktuellen Umfeldlage notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schaeffler-Gruppe langfristig zu sichern. Wir werden es sozialverträglich und mit Augenmaß umsetzen", sagte Schaeffler-Vorstandschef Klaus Rosenfeld.

In den ersten neun Monaten ging es Schaeffler - noch ohne Vitesco - wirtschaftlich vergleichsweise gut. Die Umsätze stiegen währungsbereinigt um ein Prozent auf 12,233 Milliarden Euro. Auch in der Autosparte ging es währungsbereinigt um 0,2 Prozent nach oben - vor allem wegen weiterer Auftragseingänge in der E-Mobilität. Vor Sondereffekten, Zinsen und Steuern stand ein Gewinn von 713 Millionen für die ersten neun Monate zu Buche, nach 964 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

2 Kommentare:


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Christian L.

am 05.11.2024 um 14:17

Familie Schäffler ist scheinbar ein Paradebeispiel wie Kapitalismus funktioniert. Jahrelange Gewinne wurden Privatisiert und Verluste sofort Sozialisiert. Wie bei VW auch, die Prognose liegt hier dieses Jahr bei "nur" 1,6 Milliarden Euro Gewinn in 2024, Familie Porsche (53% der Anteile) fordert aber mehr also muss die Belegschaft bluten.... So ähnlich waren die Verhältnisse im Frankreich des Jahre 1789 auch.. das Ende ist bekannt.



Frank H.

am 05.11.2024 um 20:30

Das Buch "Warum Nationen scheitern" lese ich auch gerade ;-) Aber ich glaube feudalistische oder autokratische Ausbeutung ist doch nochmal eine ganz andere Nummer als kapitalistische, die ja auf Wohlstand der Nachfrageseite angewiesen ist. "Privatisierte Gewinne" treffen auch nicht ganz zu. Unternehmen wie Unternehmer neigen zum Reinvestieren, weil dies im Gegensatz zu Ausschüttungen zukünftige Gewinne verspricht (und ggf. Steuern spart). Umgekehrt gingen privatisierte Verluste an die Substanz des Unternehmens, was auch nicht im Interesse der Belegschaft wäre - auf "Gesund schrumpfen" reagieren Gewerkschaften immer allergisch.



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