Bayern

Münchner Forscher erklärt, was Vulkanausbrüche mit unserem Dauerregen zu tun haben könnten

Schon 1816 ist wegen eines Vulkanausbruchs der Sommer ausgefallen. Ist am nassen Frühling wieder ein Vulkan schuld? Ein Münchner LMU-Forscher klärt auf.


Der größte Vulkanausbruch der letzten 140 Jahre: Im Januar 2022 bricht in der Südsee der Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai aus.

Der größte Vulkanausbruch der letzten 140 Jahre: Im Januar 2022 bricht in der Südsee der Hunga-Tonga-Hunga-Ha'apai aus.

Von Nina Job

München - Dauerregen und Frösteltemperaturen schlagen aufs Gemüt. Alle sehnen sich nach dem langen Winter nach Wärme und Sonne. Doch stattdessen jagt seit Wochen ein Tief das nächste. Ist der Klimawandel die Ursache dafür? Oder könnte auch ein rund 17 000 Kilometer entfernter Vulkanausbruch damit zu tun haben? Abwegig ist das nicht, wie der Vulkanforscher Ulrich Küppers in der AZ erklärt.

AZ: Herr Küppers, vor eineinhalb Jahren gab es im Südpazifik einen gewaltigen Vulkanausbruch. Kann es einen Zusammenhang geben mit unserem Wetter?

ULRICH KÜPPERS: Vulkane können kurzfristig das Wetter beeinflussen. Fakt ist: Der Ausbruch des Hunga Tonga-Hunga Ha'apai im Januar 2022 war der größte Vulkanausbruch, den wir in den letzten 140 Jahren hatten. Ebenfalls Fakt ist, dass dieser Ausbruch sehr große Mengen an Wasser in die Atmosphäre eingetragen hat. Feinste Wassertröpfchen sind zusammen mit der Eruptionswolke in mehrere Zehntausend Meter Höhe aufgestiegen. Ein Großteil dieses Wassers ist dort immer noch, das kann man messen. Es ist also definitiv unwiderlegbar, dass dieser Vulkanausbruch die Zusammensetzung der Atmosphäre verändert hat. Und es gibt noch mehr Indizien aus der Vergangenheit, dass es einen Zusammenhang geben könnte.

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Regen, Regen, Regen - und zu kalt ist es auch. Das Wetter ist schon wieder deprimierend schlecht, die Fußgängerzone verwaist. Vor die Tür mag da keiner.

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Der Münchner Vulkanforscher Ulrich Küppers 2021 auf La Palma: Hinter ihm spuckt der Tajogaite todbringende Lava, Gas und Asche.

Welche?

Man konnte schon früher im Zusammenhang mit großen Vulkanausbrüchen unmittelbare Wetterereignisse feststellen. Der große Eintrag von Vulkanasche und Schwefelgasen beim Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991 hat zu einer Abnahme der globalen Durchschnittstemperatur von einem halben Grad geführt. Durch ein punktuelles Ereignis ausgelöst, ist das wahnsinnig viel.

Nach dem Ausbruch des Tambora 1815 in Indonesien gab es in Europa 1816 das "Jahr ohne Sommer". Blüht uns das auch?

Es war im berühmten Sommer 1816 tatsächlich zu kalt und zu nass in Europa. Aber gleichzeitig wurden in Russland oder Kanada Rekordernten eingefahren. Die Veränderung der Wetterphänomene ist also lokal sehr unterschiedlich.

Ist der April 2023 vergleichbar mit dem Jahr 1816?

Nein. Unser April war bei zwar im Vergleich zu den Monaten der letzten 30 Jahren 1,7 Grad kälter, Januar bis März jedoch bis zu 2,8 Grad wärmer. Von der Regenmenge weicht er aber wohl nicht so extrem ab.

Was bewirkt denn "Vulkanwasser" in der Atmosphäre?

Man kann sich das so vorstellen: Wir haben global um unseren Planeten eine Atmosphäre, die geschichtet ist. Die Luftmassen darin tauschen sich teilweise nicht, nur sehr wenig oder sehr langsam aus. Unser Wetter spielt sich vor allem in den untersten 15 Kilometern, der Troposphäre, ab. Darüber befindet sich die Stratosphäre, und der Austausch zwischen diesen beiden Schichten ist eingeschränkt. Starke Vulkanausbrüche können die unsichtbare Grenze zwischen diesen beiden Schichten durchstechen und Gase, Wassertröpfchen und möglicherweise auch Vulkanaschepartikel nach oben eintragen. Von dort kommt dies aber nicht so einfach wieder raus.

Was hat das zur Folge?

Die Eruptionswolke breitet sich in der Stratosphäre aus und vermischt sich mit dieser. Gas, Vulkanasche und Wassertröpfchen verändern gewisse Prozesse. Zum Beispiel beeinflusst es, wie viel Sonnenlicht zur Erdoberfläche durchkommt, weil ein Teil des Lichts ins Weltall zurückreflektiert wird. Die eingetragenen Stoffe beeinflussen zudem die Temperatur und den pH-Wert der Atmosphäre.

Und damit unser Wetter?

Ja. Das Wettergeschehen wird in der Troposphäre produziert, jedoch wird es beeinflusst von den Bedingungen in der Stratosphäre darüber.

Ist der Regen, der jetzt bei uns runterkommt, "Vulkanwasser"?

Nein. Aber das Wasser, das der Vulkan nach oben transportiert hat, verändert Abläufe und beeinflusst die globalen Wolkenbildungs- und Windströme. Und das führt dann dazu, dass im April 2023 kalte, feuchte Luftmassen bei uns dominieren.

Dringt wegen des Vulkanausbruchs auch weniger Sonne bei uns durch?

Die Sonnenstrahlen müssen durch die Atmosphäre durch, und je öfter das Licht gebrochen wird, desto weniger Licht kommt bei uns an. In der Troposphäre haben wir bei uns aufgrund der Großwetterlage gerade viele Wolken, aber auch in der Stratosphäre drüber wird Licht zurzeit an den vom Vulkan in Tonga eingetragenen Wassertröpfchen gebrochen.

Könnte so ein Vulkanausbruch auch eine neue Eiszeit auslösen?

Ein einziger sicher nicht. Eiszeiten oder das Aussterben von Dinosauriern sind Prozesse, die sich über sehr lange Zeiträume anbahnen. Sie sind verursacht durch Klimaveränderungen. Es bräuchte sicherlich größere Einzelereignisse, um so einen Kipppunkt zu überschreiten.