Bayern
Münchner Maibaum-Malheur
23. April 2023, 14:51 Uhr
München - Vier Mal schon hat Otto Seidl höchstselber die Nachtschicht im Wachhäusl geschoben, von Mitternacht bis 8 Uhr früh. Damit der neue Maibaum, der am 1. Mai am Luise-Kiesselbach-Platz zum Maifest in die Senkrechte soll, nicht irgendwelchen Dieben in die Hände fällt. Dann fährt er einmal mit der Frau weg nach Südtirol. Und zack.
"Klingelt aufamal mein Handy", sagt der Ex-CSU-Stadtrat und Chef des Maibaumvereins Sendling-Westpark (77). "Hast du scho gseng, wos los is", habe ihn der Hannes Göschl gefragt. Und wenn der Hannes anruft, schwant einem Finsteres.
Göschl ist der Chef der Unterbrunner Burschen, die Großmeister sind im feinen Brauch des Maibaumdiebstahls. Am helllichten Vormittag hätten sie Seidls neues 27-Meter-Stangerl (das heuer den morsch gewordenen Maibaum vom Luise-Kiesselbach-Platz ersetzen soll) auf ihren Nachläufer gewuchtet, sagt der also. Und die Beute 20 Kilometer aus der Stadt raus nach Unterbrunn bei Gauting gebracht.
Der Kran zum Aufstellen ist hinüber
Ostermontag war das schon, inzwischen ist der Maibaum brav zurückgebracht, damit die Vereinsburschen die weiß-blaue Bemalung des neuen Fichtenstamms rechtzeitig zum Fest fertig bekommen. Über die Auslöse besteht auch Einigkeit. 100 Liter Augustiner, Steckerlfisch und Brezn sollen die 35 Klau-Bazis fürs ordnungsgemäße Zurückbringen ihrer Beute bekommen. Es war ihr inzwischen 69. Maibaumklau.
Wobei dieser Vorfall gar nicht Seidls größtes Problem gewesen ist. Das viel größere Ungemach ereilte ihn in Form einer E-Mail von der Münchner Feuerwehr. Die könne, steht darin, nun leider doch nicht wie vereinbart den Maibaum aufstellen.
Weil der dafür vorgesehene Feuerwehrkran nämlich kaputt in der Werkstatt steht. Und nicht rechtzeitig zum 1. Mai fertig wird.
Nicht nur Otto Seidl und sein Maibaumverein Sendling-Westpark sind da übrigens betroffen, sondern gleich zehn Münchner Vereine, die heuer mit Hilfe der Feuerwehr hätten neue Maibäume in ihren Vierteln aufstellen wollen: der Obermenzinger Burschenverein zum Beispiel, die Maibaumfreunde Riem, die Maibaumvereine Moosach, Untergiesing und Berg am Laim.
Die Kranfirma Klema aus Oberschleißheim hat sich erbarmt
Kein Kran so kurz vor dem Fest? Kein Baumaufstellen? Fällt jetzt der 1. Mai aus in München? Gottlob, es ist Rettung in Sicht. Die Kranfirma Klema aus Oberschleißheim hat sich nach sehr vielen Telefonanrufen erbarmt, und wird ausrücken, quasi als Ersatzfeuerwehr. "Klar können wir das", sagt Disponent Mattias Klausmann zur AZ, "das ist ein bisserl wie Funkantennen aufstellen. Kriegen wir hin."
Immerhin sechs der zehn betroffenen Münchner Stangerl schaffen ihre Kranführer. Auch den Maibaum vom "Luki"-Platz, wie die Einheimischen den Luise-Kiesselbach-Platz nennen.
Der Maibaum, eine Fichte aus dem Forstenrieder Park, liege nun wieder sicher im Geheimversteck in Sendling-Westpark, sagt Otto Seidl. "Der ist jetzt wirklich sehr stark bewacht", 20 Burschen und Dirndln aus seinem Maibaumverein (340 Mitglieder) würden rund um die Uhr Wachschichten schieben.
Der erste Maibaum, den Otto Seidl 2018 hat aufstellen lassen, um die Wiese am Luki-Platz nach dem Tunnelbau zu beleben, ist ihm übrigens gleich drei Mal geklaut worden - innerhalb von vier Wochen (AZ berichtete).
Erst von den Unterbrunnern, den Bazis, dann von der Inninger Landjugend und gleich noch mal von den Münchner Schaustellern, die das Trumm noch vier Tage vor dem 1. Mai heimlich aufs Frühlingsfest geschleppt haben.
Am 1. Mai ab 14 Uhr soll der Baum am Luki-Platz aufgestellt werden
Am Ende hat Seidl sogar Spenden sammeln müssen, um die Auslöse für die dreifache Diebesmannschaft bezahlen zu können.
Heuer bleibt noch eine Woche bis zum 1. Mai nächsten Montag. Ab 14 Uhr soll dann das fertig bemalte und geschmückte neue Stangerl am Luki-Platz aufgestellt werden, mit viel Blasmusik, Schmankerln und Ayinger-Bier.
Viel Zeit also noch für diebische Burschen-Spähtrupps, die natürlich immer noch unterwegs sind. Aber das soll jetzt keine Aufforderung sein.