Bayern
Presslufthammer quält Mieter
16. Januar 2023, 17:57 Uhr aktualisiert am 16. Januar 2023, 17:57 Uhr
Widersprüchlichkeiten im Bauplan - sie könnten der Grund für einen erneuten Baustopp bei der Sanierung der Thalkirchner Straße 80 sein. Das erwartet der bekannte Münchner Miet-Aktivist Tilmann Schaich (52), selbst Mieter des sogenannten Künstlerhauses von 1879 in der Isarvorstadt. Der Gründer des Münchner Mieterstammtischs spricht für die im Haus verbliebenen fünf Mietparteien.
Das Vordergebäude gegenüber vom Südfriedhof steht fast leer. Das Rückgebäude wird noch zur Hälfte bewohnt - und grundlegend saniert.
Nach einem monatelangen Baustopp wegen Verstößen gegen den Denkmalschutz, hat die Mietergemeinschaft der Thalkirchner Straße jetzt die Lokalpolitik auf "Unstimmigkeiten" in den Plänen des Eigentümers T 80/Pronesta GmbH aufmerksam gemacht. "Es scheint Baupläne zu geben, die nicht mit den realen Grundrissen übereinstimmen. Zudem sind Veränderungen in den vermieteten Wohnungen geplant, die nicht mit den Mietern abgesprochen wurden", erläutert Benoît Blaser (Grüne) die Lage - nach der Sitzung des Unterausschusses Planen und Bauen. Blaser, Vorsitzender des BA Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt organisiert deshalb eine Ortsbesichtigung mit der Lokalbaukommission und der Denkmalbehörde in der Thalkirchner Straße 80: "Sobald wie möglich, spätestens im Februar sind wir vor Ort", sagt Blaser.
Der BA-Chef erklärt: "Angeblich sind Baucontainer ohne Schutz befüllt worden, wodurch ein erhebliches Unfallrisiko besteht. Wir empfehlen, die Bauaufsicht zu informieren."
Tilmann Schaich hat sich mit den verbliebenen Mietparteien in der Thalkirchner Straße 80 jetzt an die Presse gewandt: "Bei den Sanierungsarbeiten im Dezember haben Bauarbeiter unprofessionell und rücksichtslos gearbeitet. Sie sind so vorgegangen, als ob das Haus unbewohnt wäre!" Vier Beispiele aus dem Schreiben der Betroffenen:
l Grobschutt und Material sei aus den Fenstern der oberen Etagen in den Container geworfen worden (manchmal auch daneben) - alles ohne Absicherung. Einmal habe es fast einen Mieter getroffen. Die Lokalbaukommission wurde unterrichtet.
l Gas und Strom wurden unangekündigt abgestellt. "Dadurch sind die Heizungen ausgegangen. Unsere Wohnungen sind abends ausgekühlt", sagt Schaich.
l Presslufthämmer bohren sich auch zur Mittagszeit durch die Gemäuer.
l Ein veredeltes Apfelbäumchen mit drei Sorten Äpfeln wurde gefällt. "Ohne Vorankündigung", sagt Tilmann Schaich.
Das Bäumchen war einmal für die drei Kinder einer Familie aus dem Haus gepflanzt worden. Zudem landete die Tischtennisplatte, gekennzeichnet als Eigentum der Mietergemeinschaft, unangekündigt im Container", beschweren sich die Eigentümer.
Bauherr Andreas Bienert, Geschäftsführer von Pronesta, äußert sich im beistehenden Kasten (siehe oben) zu den Vorwürfen, die er als "aufgebauscht" bezeichnet.
Die Mietergemeinschaft "Palais Südfriedhof" fordert, dass sich der Bauherr während der Sanierung an die rechtlichen Vorgaben hält: "Staubschutz anbringen, Ruhezeiten einhalten und eine Gefährdung unserer Gesundheit ausschließen, die wir als Mieter in diesem katastrophalen Baustellenzustand leben", verlangt Tilmann Schaich, der sich auch als Aktivist gegen Entmietungen einsetzt.
Auf das Ergebnis der offiziellen Ortsbegehung sind die Mieter der Thalkirchner Straße 80 jedenfalls gespannt.
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Bauherr Andreas Bienert sichert zu, dass ausnahmslos alle Mieter bleiben können
Andreas Bienert, Geschäftsführer von Pronesta, erklärt zu den Vorwürfen der Mietergemeinschaft Palais Südfriedhof: "Ich bin persönlich fast jeden Tag auf der Baustelle. Die Vorwürfe einiger Mieter sind unzutreffend, zur Hälfte erfunden und zur Hälfte aufgebauscht. Richtig ist, dass das Gas für eine notwendige Reparatur Anfang Dezember für eine Stunde abgestellt werden musste und dass der Strom wegen des Umschaltens von der alten auf eine neue Hausstromverteilung im November kurzzeitig unterbrochen werden musste. Wir haben auch keine Tischtennisplatten der Mieter entfernt. Auch kein Mieter hat uns jemals angezeigt, er sei von Schutt getroffen worden. Richtig ist vielmehr, dass wir ein marodes Haus grundlegend sanieren und 23 unbewohnbare Wohnungen wieder bewohnbar machen, dass alle Mieter ausnahmslos, auch und insbesondere die Kita, im Objekt wohnen bleiben können, dass wir das allen Mietern auch mitgeteilt hatten, dass die baulichen Maßnahmen in den vermieteten Einheiten so gering wie möglich gehalten und in einigen Fällen gar nicht erforderlich sein werden. Es scheint also eher so zu sein, dass die fünf Mieter aus dem Rückgebäude, unter Führung von Herrn Schaich, die Stadt München und die Presse instrumentalisieren wollen, um nun endlich doch zu erreichen, dass wir Ihnen die von Ihnen geforderte Abfindung von einer Million Euro für einen Auszug bezahlen, was über 20 Jahre mietkostenfreies Wohnen bedeuten würde. Eine andere Absicht ist für uns nicht erkennbar, was wir sehr bedauern."