Western-Stadt

Pullman City: Wo der Mythos der Unbeugsamen wahr wird

Ein Großbrand Ende Januar hat Pullman City schwer getroffen. Doch nur drei Monate danach soll die Westernstadt nun wieder öffnen. Möglich machen das großer Zusammenhalt - und flotte Ämter


Neu: Das Eingangstor zur Westernstadt. Bald soll in Pullman City wieder Western-Feeling in familiärer Atmosphäre herrschen.  Fotos: Pullman City/Patrick Beckerle

Neu: Das Eingangstor zur Westernstadt. Bald soll in Pullman City wieder Western-Feeling in familiärer Atmosphäre herrschen.

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Im Video erzählt Patrick Beckerle aus der Digital- und Seite-3-Redaktion, wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.

Video zum Thema:

Fragt man Marco Lebschi, wo er am 21. Januar um 6 Uhr morgens war, muss er nicht lange überlegen. "Ich war daheim und hab die Sirene gehört", sagt er. Daheim, das ist in Eging am See im Landkreis Passau. Dem Heim der Westernstadt Pullman City - Lebschis Auftraggeber. "Um kurz nach sechs ging dann die zweite Sirene. Da wusste ich, es muss schlimm sein." Wie schlimm, kann er zu diesem Zeitpunkt noch nicht erahnen.

Der Brand in der beliebten Westernstadt wird an diesem Sonntag die Nachrichten prägen. Deutschlandweit sind die Bilder der Main Street in Flammen, der zerstörten Saloons und der Schuttberge zu sehen. Pressesprecher Lebschi muss an diesem Tag versuchen, das Unfassbare in Worte zu fassen. 27 Feuerwehren aus drei Landkreisen, insgesamt gut 380 Einsatzkräfte, kämpfen stundenlang gegen die Flammen - aber können nicht verhindern, dass Teile der Main Street komplett abbrennen. Der Schaden im zweistelligen Millionenbereich. 249 Zeitungen berichten über den Brand, sagt Lebschi. Sogar in Hamburg war Pullman Thema.

Harte Wochen liegen hinter Pullman-Pressesprecher Marco Lebschi.

Harte Wochen liegen hinter Pullman-Pressesprecher Marco Lebschi.

Nun ist der Mythos des "Wilden Westen" voll von unbeugsamen Männern, die nach schweren Treffern umso entschlossener wieder aufstehen. Und dieses Bild lässt sich auch von Pullman City zeichnen.

Darum ist dies nicht die Geschichte einer Stadt in Flammen. Sondern eine Geschichte darüber, was Zusammenhalt und viele helfende Hände bewirken können - und schlussendlich die Westernstadt wieder auferstehen lässt.

Arbeiten zwischen Pfauen und Kaninchen

Gut zwei Monate nach dem Feuer steht Lebschi am frühen Nachmittag vor dem neuen Eingangstor von Pullman City. Es ist ein großes Tor, in Holzbauweise errichtet, dazu der schmiedeeiserne Schriftzug mit Silhouetten von Cowboys, Pferden und Bisons - man bleibt sich treu. "Pullman City - die lebende Westernstadt", der Claim des Themenparks, ist auf einem am Tor geparkten Auto zu lesen. Und auch wenn die Stadt derzeit geschlossen ist: Dass sie lebt, das spürt man.

Ein Arbeiter rührt draußen vor dem Tor Mörtel an. Eine junge Frau hilft einem Mann beim Tragen eines Tisches. Der Security am Tor weist einen Radfahrer freundlich, aber bestimmt darauf hin, die Baustelle nicht zu betreten. "Ich will nur schauen", meint der. "Das haben wir öfter", sagt Lebschi.

Nach dem Brand seien die Leute am Zaun teilweise Schlange gestanden, um die Brandruine zu sehen. Etwa 160 Sattelzüge waren nötig, um die rund 4.000 Tonnen Schutt zur Entsorgung zu fahren. Jetzt erinnern nur noch vereinzelt angesengte Balken an das Feuer.

Wüsste man nicht um den Brand im Januar, man könnte Pullman City dieser Tage für eine normale Baustelle halten. Zumindest fast. Denn gelegentlich wuseln Pfaue oder Kaninchen zwischen den Häusern und genießen ihre Freiheit. "Für die Tiere ist es gerade toll", sagt Lebschi. Sonst auch frei, erkunden sie das Gelände nun weitgehend nur für sich. Auch zwei Reiter sind an diesem Tag mit ihren Pferden unterwegs. Die Tiere müssen allmählich wieder trainieren, um in Form zu kommen. Es ist ein unaufgeregtes Nebeneinander, während rund 60 Arbeiter Balken schleppen und Sand schaufeln.

Abseits der Main Street, in Richtung Adventure Trail, wird gerade am neuen Ale House gearbeitet, dem Ersatz für den abgebrannten Saloon. Bauarbeiter wuchten hier die Wände für die Küche an Ort und Stelle, doch Lebschis Augen richten sich direkt auf den Außenbereich. "Die Tische waren am Wochenende noch nicht da. Und jetzt könnte man sich hier draußen schon hinsetzen. Wahnsinn", sagt er.

Die Arbeiten gehen derzeit Schlag auf Schlag, auch am Samstag sind die Baufirmen im Einsatz. Müssen sie auch, denn am 13. April geht es wieder los. Lebschi sagt bewusst nicht "soll es wieder losgehen". Die Wiederauferstehung Pullman Citys ist sicher, Zweifel am Datum nicht angebracht.

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Die Pfauen von Pullman City sind jetzt ganz ohne Besucher auf dem Gelände.

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Auch dank der Unterstützung der regionalen Handwerksbetriebe konnten die notwendigen Neubauten für die Wiedereröffnung so schnell realisiert werden.

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So sollen die geplante "Pullman Barn" und das Pullman Alehouse" einmal aussehen.

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So sollen die geplante "Pullman Barn" und das Pullman Alehouse" einmal aussehen.

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Teilweise sieht es in der Westernstadt schon wieder aus, als wäre nie etwas passiert – andernorts ist aber noch Baustelle angesagt

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Teilweise sieht es in der Westernstadt schon wieder aus, als wäre nie etwas passiert – andernorts ist aber noch Baustelle angesagt

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Teilweise sieht es in der Westernstadt schon wieder aus, als wäre nie etwas passiert – andernorts ist aber noch Baustelle angesagt

Ämter arbeiten mit Rekordgeschwindigkeit

Den Anfang machen der Camper Saloon und das Bikers-Weekend in der Woche darauf. Bei beiden Events wird es bereits Live-Musik und Shows geben, die Infrastruktur muss also bis dahin stehen. Die offizielle Eröffnung des Themenparks findet am letzten Aprilwochenende statt. Nur drei Monate nach dem Großbrand und nur einen Monat später als regulär vorgesehen.

Nicht selbstverständlich. Das weiß auch Lebschi. "Aber da hat man einfach gemerkt, welchen Stellenwert Pullman City für die Region hat und wie groß der Zusammenhalt ist." Am Tag nach dem Brand boten bereits erste Handwerksbetriebe ihre Unterstützung an. Stammgäste fragten nach, ob sie bei den Aufräumarbeiten helfen können. Bands schlugen vor, kostenlos aufzutreten und die Einnahmen zu spenden. "Diese Anteilnahme war einfach gigantisch", sagt Lebschi. Noch wichtiger war die reibungslose Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden. Mit der Versicherung hat man sich bereits am 16. Februar geeinigt. "Das hätte auch Monate oder gar ein Jahr dauern können."

Ein weiterer Punkt: Natürlich braucht es für wiedererrichtete Gebäude oder Interimsbauten genauso eine Genehmigung wie für einen normalen Neubau. "Unsere Architektin war hier in ständigem Austausch mit der Gemeinde Eging und dem Landratsamt Passau", berichtet Lebschi. Auch dort hat man erkannt, dass die Westernstadt für ihre Planung schnelle Ansagen benötigt. Dass Bauanträge an einem Donnerstagabend im Gemeinderat behandelt werden und am Freitagmorgen bereits beim Landratsamt liegen, ist keinesfalls Standard.

Insofern ist der Wiederaufbau auch ein ermutigendes Beispiel, wie schnell und trotzdem sauber die deutsche Bürokratie funktionieren kann, wenn alle Parteien an einem Strang ziehen. Auch Ministerpräsident Markus Söder hat bei seinem Besuch vier Tage nach dem Brand den Betreibern eine "Ärmel-Aufkrempel-Mentalität" bescheinigt. Tatsächlich ist der Zusammenhalt auf der Baustelle spürbar. Jeder schaut, wo er helfen kann.

Ernst Grünberger, einer der Geschäftsführer der Westernstadt, steht selbst mit im Graben und hat die Arbeiten im Blick. "Wir verlegen hier grade Kabel für die Infrastruktur", sagt er. "Internet, Strom, Heizung, Gas. Diese Dinge." Im Hintergrund ziehen mehrere Bauarbeiter eine neue Brandschutzmauer an einem Gebäude hoch. Sie ist schon halb fertig, in Kürze werden die Rußspuren an der Wand dahinter gar nicht mehr zu sehen sein.

Der Wiederaufbau ist erst der Anfang

Natürlich weiß auch Grünberger noch, wie er von dem Brand erfahren hat. Er weiß noch, dass sein Handy um genau 6.07 Uhr klingelte. Wie er die Kinder geweckt hat und dann mit seiner Frau sofort zur Westernstadt gefahren ist. Aber er will nicht mehr zurückblicken - sondern nach vorne. Das ist ihm wichtig.

Lieber erzählt er, dass gerade schon die neuen Verwaltungsgebäude am Haupteingang bezogen werden. Dass bei der neuen Event-Halle fast die ganze Fassade steht und momentan das Dach fertig gemacht wird. Dass sie vor zwei Tagen schon Sand ausgestreut haben, damit die Pferde und ihre Reiter für die Wiedereröffnung trainieren können. "Alles, was mit dem Brand zu tun hat, ist weg. Bei mir überwiegt gerade die Freude, dass es endlich wieder losgeht", sagt er.

Klar ist: Das Bild der Stadt wird für die Besucher ein etwas anderes sein. Nicht alles wird schon Ende April wieder stehen. Und einige der neuen Gebäude sind nur Interimsbauten - also Zwischenlösungen. Sie dienen dazu, den Betrieb wieder zu ermöglichen, werden so aber nicht dauerhaft stehen bleiben. Bis die zerstörten Häuser wieder "richtig" aufgebaut werden - "das wird erst bis zur nächsten Saison passieren", sagt Grünberger. Die Arbeiten werden im laufenden Betrieb weitergehen, aber im Hintergrund, sodass die Besucher möglichst wenig davon mitbekommen.

Vielmehr sollen sie wieder das erleben können, was Pullman City bekannt gemacht hat: Western-Feeling in familiärer Atmosphäre. Der Brand hat vieles zerstört - aber gleichzeitig hat er auch gezeigt, wie sehr der Themenpark in Eging am See verwurzelt ist. Die Anteilnahme von Fans, Mitarbeitern und der Politik - sie ist nicht nur bei Worten geblieben, es sind Taten gefolgt. Zusammen hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Statt nur über den Wiederaufbau spricht man bereits über neue Pläne für die Zukunft. Die Westernstadt, sie wird erneut leben. Wieder aufgestanden ist sie bereits.