Bayern

Sie machen die S-Bahn ganz neu

Ein neues 1972, ein Jahrhundertprojekt aus Ausbau, Instandhaltung, Digitalisierung. Die S-Bahn München macht sich (endlich) zukunftsfit - und investiert eine Rekordsumme.


"Man kann von einer komplett neuen S-Bahn sprechen": Klaus-Dieter Josel, Heiko Büttner und Christoph Herzog (v.l.) verbreiten Aufbruchstimmung.

"Man kann von einer komplett neuen S-Bahn sprechen": Klaus-Dieter Josel, Heiko Büttner und Christoph Herzog (v.l.) verbreiten Aufbruchstimmung.

Von Myriam Siegert

München - Zu Beginn dürfen die Pressevertreter einen Blick in die neue Leitstelle der Münchner S-Bahn werfen. Seit Juli ist der Raum mit der großen Bildschirmwand die "neue Herzkammer" der Münchner S-Bahn, wie es S-Bahn-Chef Heiko Büttner nennt. Disponenten für Züge und Linien arbeiten hier, ebenso Mitarbeiter der Fahrgastinformation und der DB-Sicherheit. In der Spitze werden über 100 Züge gleichzeitig hier gesteuert. Trotzdem - die Leitstelle sei auf Wachstum ausgelegt, sagt Büttner, denn das sei das Thema in München. "Wir sind in der Situation, wo wir von einem überlasteten System sprechen können", sagt Büttner. Wohl kaum ein Münchner möchte ihm da widersprechen.

Dies ist nur eine Designstudie. Wie die neuen XXL-S-Bahnen einmal aussehen werden, steht noch nicht fest.

Dies ist nur eine Designstudie. Wie die neuen XXL-S-Bahnen einmal aussehen werden, steht noch nicht fest.

Auf Wachstum und Ausbau ausgelegt sind auch die Pläne für die Münchner S-Bahn, die Büttner, gemeinsam mit Klaus-Dieter Josel, Konzernbevollmächtigter der DB für den Freistaat Bayern und Christoph Herzog, Leiter des Anlagen- und Instandhaltungsmanagements in München, gestern vorstellt.

Die Botschaft: München bekommt eines der modernsten S-Bahn-Systeme Europas. Schaffen will man das mittels einer Qualitäts- und Ausbau-Offensive namens "Programm 14plus".

Eineinhalb Milliarden Euro werden insgesamt in den nächsten zehn Jahren investiert. "Die Situation erinnert an die Jahre vor 1972, als die S-Bahn gebaut wurde", sagt Klaus-Dieter Josel. "Ich bin überzeugt, dass was wir jetzt tun einen ähnlichen Effekt haben wird wie damals." Den Vergleich zu 1972 findet auch der S-Bahn-Chef berechtigt. "Wir machen die S-Bahn einmal komplett neu", sagt Büttner. "In allen Bereichen."

Von vielen Maßnahmen, die in dem Programm inbegriffen sind, hat man bereits gehört. Allerdings - aus den 14 Maßnahmen, auf die sich der Titel bezieht, seien mittlerweile längst über 20 geworden, so Büttner. Das Programm besteht vornehmlich aus drei Säulen: Zum einen aus einer Qualitätsoffensive für einen stabileren Betrieb, also mehr Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und bessere Fahrgastinformation. Rund 500 Millionen Euro investiert die Deutsche Bahn dafür in den nächsten zehn Jahren. "Rekordniveau", wie Josel sagt.

Es gehe dabei auch um Prävention, ältere Anlagen müssten, so lange noch in Betrieb, gut gepflegt werden, erklärt Christoph Herzog. Entscheidend werde außerdem sein, die Vielzahl der Baumaßnahmen gut zu planen und zu bündeln. Ein eigener Baustellenkoordinator soll's richten.

Zweites Standbein des Zukunftsprogramms ist der Ausbau der Infrastruktur. Mehrere S-Bahn-Außenäste erhalten aktuell zusätzliche Gleise. Das neue elektronische Stellwerk am Ostbahnhof soll im Herbst dieses Jahres fertig sein, die Sendlinger Spange zwischen Pasing und Heimeranplatz soll die Stammstrecke ab Mitte 2024 entlasten. 16 S-Bahn-Züge aus Hannover verstärken noch in diesem Jahr die Münchner Flotte. Etwas länger, bis Ende der 20er Jahre, dauert es bis rund 90 neue XXL-Züge in München fahren werden. Jeder der durchgängigen Züge hat mit 200 Metern die Länge eines ICE. Zwölf Prozent mehr Kapazität sollen sie bringen.

Weil eine größere Flotte auch mehr Wartung und Personal benötigt, werden zudem zwei neue S-Bahn-Werke in Pasing und Steinhausen und ein neues Ausbildungszentrum gebaut.

Der dritte große Bauteil ist die Digitalisierung. München ist neben Hamburg und Stuttgart das dritte große Projekt im Programm Digitale Schiene Deutschland von Bund, Bahn und Bahnindustrie. Im Bahnknoten München soll daher die gesamte Signal- und Leittechnik komplett digitalisiert werden. Dies mache den Betrieb flexibler und sei Voraussetzung für eine Automatisierung. Aktuell prüft eine Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten, die Umsetzung soll dann bis 2023 stufenweise erfolgen. Erst auf der alten Stammstrecke, dann auf den Außenästen.

"Für all das müssen wir richtig viel bauen", sagt Klaus-Dieter Josel. Im laufenden Betrieb werde das "steinig". "Aber bauen ist die Lösung, es gibt keine Alternative." "Unumgänglich" und notwendig für die Verkehrswende", so sieht es auch S-Bahn-Chef Heiko Büttner. Christoph Herzog ist sich sicher, "wenn die Kunden sehen, was passiert, wird auch die Akzeptanz da sein."