Bayern
Unvereinbares an einem Tisch
15. Juli 2019, 17:49 Uhr aktualisiert am 15. Juli 2019, 21:05 Uhr
Selten hat ein Passus in einem Koalitionsvertrag die Menschen in der Region so polarisiert: Im Landkreis Regensburg herrschte im November 2018 Jubelstimmung - symbolträchtig zersägten die Flutpolder-Gegner ein vermeintlich überflüssiges Protest-Modell bei Pfatter. Donauabwärts von Straubing über Deggendorf bis Passau schrieb man aus Rathäusern und Landratsämtern wütende Briefe nach München. Grund für die Aufregung: Die schwarz-orange Koalition hatte den Verzicht auf drei geplante Flutpolder vereinbart.
Dass sich die Stimmung seitdem auch im Landkreis Regensburg, wo mit Wörthhof und Eltheim zwei der geplanten Großbauten liegen sollen, deutlich abgekühlt hat, liegt am geänderten Sachstand: Die Staatsregierung hat deutlich gemacht, dass beide Flutpolder keineswegs komplett vom Tisch sind. Am Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft der TU München laufen derzeit vertiefte Untersuchungen über den Nutzen der ursprünglich 13 geplanten Flutpolder entlang der Donau ("Perlenkette") für den Hochwasserschutz der Anrainer. Die wissenschaftlichen Expertisen sollen Anfang 2020 vorliegen und Basis der endgültigen politischen Entscheidung sein, betonte Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) vor einigen Tagen.
Selbst die Experten sind sich teilweise uneins
Gegner und Befürworter der Flutpolder müssen sich also gedulden, was nicht zur Entspannung der Situation beiträgt. Hinzu kommt, dass die technischen Eckdaten - etwa über die Wirksamkeit eines gesteuerten Hochwasser-Managements über die Donau-Staustufen - offenbar so diffizil sind, dass selbst ausgewiesene Wasserbau-Experten zu durchaus unterschiedlichen Einschätzungen kommen. Zudem können beide Seiten durchaus gewichtige Gründe für ihre Ablehnung oder Befürwortung der Polder ins Felde führen, jeweils gestützt auf Gutachten oder Expertisen.
So befürchten die Polder-Gegner im Landkreis Regensburg unter anderem erhebliche Auswirkungen auf den Grundwasser-Spiegel durch die "Monsterbauten" und eine mögliche Vergiftung der Trinkwasserversorgung bei Überflutungen. Zudem werde die Wirkung der geplanten Flutpolder im Ernstfall überschätzt - einen wesentlich besseren Schutz für die Unterlieger könnten ein gesteuertes Staustufenmanagement und viele dezentrale Hochwasserschutz-Maßnahmen wie Deichrückverlegungen bringen. Die Donau-Unterlieger sollten zudem erst ihre Hausaufgaben machen und die Bauten für einen 100-jährlichen Hochwasserschutz zwischen Straubing und Deggendorf umsetzen.
Unterlieger sehen Verrat am Solidaritätsprinzip
Den Donau-Unterliegern von Straubing über Deggendorf und Passau schwillt wiederum der Kamm angesichts solcher Argumente. Sie verweisen auf die Erfahrungen aus den vergangenen Flutkatastrophen, bei denen sich gezeigt habe, dass jeder Zentimeter weniger Scheitelhöhe helfe, massive Schäden zu vermeiden.
Zudem ergebe es keinen Sinn, zuerst als effektiven Hochwasserschutz eine 13-stufige Polder-Kette vom schwäbischen Leipheim bis in den Landkreis Deggendorf zu planen, um dann mit den drei Flutpoldern im oberbayerischen Bertoldsheim und den zwei im Landkreis Regensburg handstreichartig ein Drittel der geplanten Ausweichfläche (50 Millionen Kubikmeter) einfach zu streichen. Das verstoße letztlich gegen das Solidaritätsprinzip, zumal man mit Flutpoldern bei Straubing (Öberauer Schleife) und Deggendorf (Steinkirchen) umgekehrt in die Vorleistung zum Schutz der Unterlieger gehe.
Damit stehen sich an der Bezirksgrenze, wo die Donau zwischen Irling und Niederachdorf durchfließt, Oberpfälzer und Niederbayern eigentlich mit unvereinbaren Positionen gegenüber. Dass aber "beim Reden die Leute zusammenkommen", wird sich hoffentlich bei der Veranstaltung am Mittwoch zeigen. (ip)