100 Tage Schonfrist vorbei
Wie schlagen sich Söders neue Minister?
29. Mai 2022, 8:47 Uhr aktualisiert am 4. April 2023, 12:03 Uhr
An vier Stellen baut Markus Söder im Februar sein Kabinett um - aus rein wahltaktischen Gründen. Ob die Rechnung aufgeht wird sich zeigen. In jedem Fall schlagen sich die "Neuen" sehr unterschiedlich.
Wer dieser Tage und Wochen einen Blick in den Terminkalender von Ministerpräsident Markus Söder wirft, dem kann schwindelig werden. Egal ob auf Volksfesten, im Freibad, im Studentenwohnheim, bei den Gebirgsschützen oder im Kuhstall eines Bauernhofes - nach den Corona-Jahren hat der CSU-Chef bei den Reisen durch den Freistaat längst sein altes Pensum erreicht. Von Nord nach Süd, von Ost nach West - getreu dem CSU-Motto "Näher am Menschen" scheint Söder nach der Pandemie-Lethargie jedem Menschen im Freistaat persönlich die Hand schütteln zu wollen.
Auch wenn Söder seine Parteifreunde in seinen Reden immer vor einem eineinhalbjährigen Dauerwahlkampf warnt, ganz unberechtigt drängt sich der Eindruck bei Söders eigener Tour wohl aber nicht auf. Während er von einer Rede samt Fototermin zur nächsten reist, müht sich sein Kabinett durch den Alltag der Regierungsarbeit.
Für zwei Minister und eine Ministerin endet am Freitag (3. Juni) eine nicht unwichtige Etappe: Sie sind 100 Tage im Amt. Zeit für ein erstes Fazit, immerhin stellte Söder mit der Umbildung im Ministerrat die Weichen für die auch nach seinen eigenen Worten "Schicksalswahl" im Herbst 2023.
Markus Blume:
Der frühere CSU-Generalsekretär ist sofort in seinem neuen Wirkungsbereich angekommen. Als Blume das Ressort von seinem Vorgänger Bernd Sibler übernahm, steckte eines der zentralen Projekte - die neue Gesetzgebung für Bayerns Hochschulen - in der Krise. Die Aussicht auf veränderte Organisationsstrukturen hatte in den Hochschulen für viel Streit gesorgt. Blume koppelte den umstrittenen Passus kurzerhand aus und sorgte so dafür, dass das Gesetz Anfang Mai das Kabinett passieren und in den Landtag eingebracht werden konnte. Mit vielen Tweets zu Ausstellungen und Premieren und seinem Hang zu Superlativen beschert Blume dem zuvor unscheinbaren Ressort neue Öffentlichkeit.
Ulrike Scharf:
Mit ihrer Rückkehr an den Kabinettstisch sorgte die frühere Umweltministerin Scharf definitiv für eine Überraschung. Im Regierungsalltag ist im Vergleich zu ihren Vorgängerinnen aber keine große Veränderung festzustellen - viele Themen eignen sich hier eben nicht für große Schlagzeilen. Gleichwohl hat Scharf dieser Tage etwas geschafft, was sich Söder von seinen Ministern wünscht: In der TV-Talkshow von Markus Lanz hielt sie in der nicht einfachen Debatte um das geplante Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche die bayerische Flagge hoch.
Christian Bernreiter:
Der Weg von der Kommunal- in die Landespolitik hat den früheren CSU-Landrat von Deggendorf vor keine größeren Probleme gestellt. Im Streit von Bund und Ländern um die Einführung des 9-Euro-Tickets gehörte der Niederbayer zu den vehementesten Kritikern, zugleich musste er aber auch feststellen, dass die CSU derzeit in Berlin eben nur eine von vielen Oppositionsparteien ist. Im Land muss sich Bernreiter immer wieder bei Bauthemen mit Kritik der Opposition auseinandersetzen, sei es, weil der staatliche Wohnungsbau wenn überhaupt nur zäh vorankommt, sei es, weil etwa die Meinungen und Erwartungen zu Solaranlagen auf staatlichen Dächern weit auseinandergehen.
Dass die Regierungsarbeit insgesamt mit der Kabinettsumbildung völlig neuen Schwung erhalten hätte, kann zumindest zum jetzigen Zeitpunkt eher mit einem Fragezeichen versehen werden. Mit Blume hat Söder nun sicher einen deutlich sichtbareren Wissenschaftsminister - ob der Preis, den er dafür in der CSU-Zentrale zahlte, aber am Ende nicht zu hoch war, steht auf einem anderen Blatt.
Zur Erinnerung: Blume-Nachfolger Stephan Mayer war nur wenige Wochen als Generalsekretär im Amt, bis er nach einer Auseinandersetzung mit einem Journalisten über sein Privatleben zurücktrat - aus gesundheitlichen Gründen. Der Nachfolger des Nachfolgers, Martin Huber, sorgte mit Zweifeln an seiner Doktorarbeit für weitere Unruhe in der Partei, bundesweit liegt er noch weit unter der früher üblichen Flughöhe von CSU-Generalsekretären.
Söder dürfte zufrieden sein
Söder dürfte mit der Arbeit seiner neuen Minister - und dem zeitgleich neu ernannten Innenstaatssekretär Sandro Kirchner (CSU) - am Ende dennoch nicht unzufrieden sein. Bei der Berufung waren weniger individuelle Unzulänglichkeiten der Vorgänger denn strategische Perspektiven für die Wahl 2023 ausschlaggebend. Immerhin soll jeder Minister als "Local Hero" möglichst viele Wählerstimmen in seinem Heim-Regierungsbezirk auf sich vereinen. Ob diese Rechnung aufgeht, wissen Söder und Co. frühestens nach der ersten Hochrechnung am Wahlsonntag.
Bis dahin fordert Söder aber erstmal eine geräuschlose und fehlerfreie Regierungsarbeit, die den Menschen in Bayern abseits von Kriegsnachrichten und Pandemiesorgen das Gefühl von Sicherheit geben soll. Gerade die konservativen Stammwähler, so das Kalkül, würden das bei der nächsten Wahl dann honorieren. Zugleich erwartet Söder nach der Pleite im Bund von seinen bayerischen Ministern aber auch eine bundesweite Außenwirkung - und hier können die neuen, wie auch die meisten anderen Minister, sicher noch eine Schippe drauflegen.