Blaulicht
Ammoniak-Austritt: Wer trägt die Verantwortung?
2. April 2019, 17:29 Uhr aktualisiert am 2. April 2019, 17:56 Uhr
Eine Woche nach dem Ammoniak-Unfall im Eisstadion am Pulverturm in Straubing gibt es vor allem viele offene Fragen, was die Schadenshöhe betrifft und wer die Verantwortung an dem Unglück trägt. Insgesamt wurden 14 Menschen verletzt, 150 Personen, darunter 118 Schüler, mussten evakuiert werden. 350 Einsatzkräfte waren an dem Großeinsatz beteiligt. Es gab keine Schwerverletzten. Alle, die unter Atembeschwerden litten, haben das Krankenhaus bereits wieder verlassen. Insofern ist der Vorfall glimpflich verlaufen, doch es muss geklärt werden, ob das Unglück nicht hätte vermieden werden können? Hätte das Ammoniak nicht vor den Fräsarbeiten abgepumpt werden müssen? Wer haftet für den Schaden und muss die enormen Kosten des Großeinsatzes bezahlen? Die Kriminalpolizei ermittelt auch, ob hier fahrlässig gehandelt wurde. Am Montag war ein Gutachter vor Ort, weitere Ermittlungsergebnisse sind jedoch auf Nachfrage noch nicht zu bekommen.
Auch die Stadt möchte sich während der laufenden Ermittlungen nicht äußern. Laut Pressesprecher Johannes Burgmayer werde es "sicherlich zu gegebener Zeit Antworten auf diese Fragen geben, aber noch nicht jetzt." Einer Pressemitteilung ist zu entnehmen, dass die Stadt großes Interesse daran habe, dass der Schadenshergang zügig und genau aufgeklärt werde. Der ursprünglich anvisierte Bauzeitenplan, soll wenn möglich, trotz des Unglücks eingehalten werden. Dieser erstreckt sich auf zwei Jahre: Immer in der spielfreien Saison 2019 und 2020, sollen die Umbaumaßnahmen abschnittsweise stattfinden. Der Auftrag wurde bisher mit einem Investitionsvolumen von 3,5 Millionen Euro beziffert. Mittlerweile sei das Ammoniak vollständig abgepumpt und die Umbaumaßnahmen könnten weitergehen.
Gaby Sennebogen, Geschäftsführerin der Straubing Tigers Gesellschaft, verweist auf Nachfrage von Gäuboden aktuell darauf, dass sie "nur" einer von mehreren Mietern seien. Eigentümerin der Halle und Auftraggeberin der Umbaumaßnahmen sei die Stadt Straubing. Wegen des Ammoniak-Austritts blieb die Tigers-Geschäftsstelle vorübergehend geschlossen, war aber dann bereits Donnerstagfrüh nach dem Unfall wieder besetzt.
Das ist im Eisstadion passiert:
Wie das Straubinger Tagblatt berichtet, sollte nach Ende der Eishockey-Spielsaison Anfang März die Eispiste von Grund auf saniert werden. Die Piste hatte sich an manchen Stellen über die Jahre gesenkt und das Eis war unterschiedlich stark. Bei Fräsarbeiten am Mittwochmorgen dann, gegen 7 Uhr, sind fünf Kühlleitungen im Beton unter der Eisdecke beschädigt worden, wobei sofort giftiger Dampf austrat. Der 52-jährige Baumaschinenführer konnte sich schnell genug retten, stand aber unter Schock und musste später im Krankenhaus kurzzeitig wegen Atemwegs- und Augenreizungen behandelt werden. Um 7.10 Uhr löste die Meldeanlage des Eisstadions Alarm aus, woraufhin kurz danach Rettungskräfte und Polizei vor Ort waren und die Umgebung rund um das Eisstadion großräumig absperrten.
Explosions- und Vergiftungsgefahr
Wenig später lag der beißende, tränentreibende Geruch des Kühlmittels über dem Kinseherberg bis zum Stadtplatz. Passanten suchten Schutz in Geschäften. Es herrschte Verwirrung, was passiert war und wo dieser Gestank herkam.
Im Stadion indessen war die Situation heikel, es bestand Explosionsgefahr: Laut Stadtbrandrat Stephan Bachl sei die Konzentration in der Luft so hoch gewesen, dass man ohne Atemschutz nach zehn bis 15 Minuten tot gewesen wäre. Um die Fräsmaschine bildete sich ein grau-gelber Sumpf aus Ammoniak. Zwar konnte die Feuerwehr die Ammoniak-Container schnell versiegeln. Die Flüssigkeit in den Leitungen selbst musste jedoch vollständig wegdampfen - etwa eine bis eineinhalb Tonnen.
Der Deutsche Wetterdienst berechnete im Auftrag der Feuerwehr, wie sich die Ammoniak-Wolke ausbreiten würde. Die Feuerwehr prüfte an rund 20 Messstellen bis nach Straßkirchen die Gaskonzentration.
Mit Atembeschwerden im Krankenhaus
Zwischenzeitlich gab es verschiedene Meldungen zur Zahl der Verletzten. Auch von einem Schwerverletzten war die Rede. Die Polizei bestätigt, dass insgesamt 60 Personen vorsorglich untersucht wurden. Letztlich waren es 14 Verletzte, wovon neun ins Krankenhaus gebracht wurden. Die meisten konnten bereits nach kurzer Behandlung wieder nach Hause. Auch drei Feuerwehrleute wurden verletzt, aber nicht, weil sie mit Ammoniak in Kontakt kamen, sondern weil sie auf dem Weg zum Einsatzort in einen Verkehrsunfall verwickelt waren.
Wie gut war das Krisenmanagement?
Die Bevölkerung wurde laut Polizei über Rundfunk und Fernsehen sowie über das Internet und soziale Medien wie Facebook und Twitter informiert. Anwohner sollten Türen und Fenster geschlossen halten. Die Frauenbrünnlstraße wurde von der Polizei evakuiert ebenso wie die Wirtschaftsschule Kasberger-Wildmann Am Essigberg. Laut Schulleiterin Christiane Wildmann klagten einige Schüler über Beschwerden. "Wir haben die 112 gerufen. Unter der Nummer wurde uns gesagt, wir sollten Fenster und Türen geschlossen halten." Wie sich laut Polizei dann herausstellte, verfügt die Schule aber über eine Lüftungsanlage, die offensichtlich nicht so schnell abgestellt werden konnte. Darum entschieden die Beamten die Schule zu evakuieren. Die 118 Lehrer und Schüler wurden zur Bildungsstätte St. Wolfgang an der Regensburger Straße gebracht. Um eine Kontaminierung zu vermeiden, mussten sie dort die Kleidung wechseln und bekamen Trainingsanzüge. Laut Schulleitung waren mehrere Schüler im Krankenhaus. Mittlerweile seien aber alle wieder gesund.
Stadt richtet Bürgertelefon ein
Eine weitere Sammelstelle für etwaige Verletzte war die Jakob-Sandtner-Realschule an der Inneren Passauer Straße. Das Klinikum Straubing sowie die Notaufnahmen der umliegenden Kliniken waren darauf vorbereitet, im Notfall gleich mehrere Verletzte aufnehmen zu können. Die Stadt richtete um die Mittagszeit ein Bürgertelefon mit einer Notrufnummer ein. Dort konnten sich Betroffene über notwendige Verhaltensregeln informieren.
Trotzdem gab es Kritik von einigen, was die Information der Passanten kurz nach dem Unglück betrifft. Schließlich könne man über Internet, soziale Medien, Rundfunk und Fernsehen nicht alle Betroffenen schnell genug erreichen. Hätten nicht alle Schulen informiert werden sollen? Laut Presseprecher der Stadt sei die Öffentlichkeitsarbeit Teil eines speziellen Notfallplans im Katastrophenfall wie zum Beispiel beim Hochwasser 2013. "Der Ammoniak-Unfall wurde aber nicht als solches Schadensereignis eingestuft. Die Information der Bevölkerung verlief in Abstimmung mit der Polizei." Polizeipressesprecher Stefan Gaisbauer betont, es seien alle Einrichtungen im direkten Gefahrenbereich von Polizeibeamten gewarnt worden. Zudem standen an allen Absperrungen Einsatzkräfte, die Auskunft über das Geschehen gaben. Sonja Hauenstein