Großeinsatz
Ermittler gehen von versuchtem Terroranschlag in München aus
5. September 2024, 10:02 Uhr aktualisiert am 6. September 2024, 23:39 Uhr
Nach dem Schusswechsel nahe dem israelischen Generalkonsulat in München gehen Ermittler von einem versuchten Terroranschlag des Getöteten aus. Nach derzeitigen Erkenntnissen sehe man bei dem Angriff des mit einem Gewehr bewaffneten 18-jährigen Österreichers einen "Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel", teilten Polizei und Generalstaatsanwaltschaft München mit.
Die Ermittlungen unter Federführung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus konzentrieren sich demnach auf das genaue Motiv des 18 Jahre alten Österreichers, der bei dem Schusswechsel mit der Polizei schwer verletzt und noch am Ort gestorben war. Infolge des Vorfalls waren in der Münchner Innenstadt rund 500 Polizisten im Einsatz, darunter auch Spezialkräfte. Abgesehen von dem mit einem Karabiner samt Bajonett bewaffneten Schützen wurde laut Polizei niemand verletzt.
Das Konsulat in München sei zum Zeitpunkt des Vorfalls wegen des Gedenkens zum Jahrestag des Anschlags geschlossen gewesen, schrieb die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Talya Lador-Fresher, auf der Plattform X. "Dieses Ereignis zeigt, wie gefährlich der Anstieg des Antisemitismus ist. Es ist wichtig, dass die breite Öffentlichkeit ihre Stimme dagegen erhebt." Die Ermittler haben sich bisher nicht zum möglichen Motiv des bewaffneten Mannes geäußert. Konsulatsmitarbeiter wurden bei dem Vorfall laut dem israelischen Außenministerium nicht verletzt.
Berichte: Schütze war Behörden in Österreich als mutmaßlicher Islamist bekannt
Der Schütze wohnte nach Polizeiangaben in Österreich. Zahlreiche Beamte rückten am Donnerstag nach Neumarkt am Wallersee aus, um Beweise und Spuren zu sichern. Das teilte ein Salzburger Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur mit. Der 18-Jährige hatte in Neumarkt zusammen mit seinen Eltern gewohnt. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte der Polizeisprecher. Im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe.
Informationen der österreichischen Presse-Agentur APA zufolge hat der 18-Jährige bosnische Wurzeln und war den österreichischen Behörden als mutmaßlicher Islamist bekannt. Demnach war er im vergangenen Jahr bei der Staatsanwaltschaft Salzburg wegen Verdachts in Richtung terroristischer Vereinigung angezeigt worden. Auch mehrere andere Medien hatten zuvor darüber berichtet.
Es soll sich bei ihm laut APA zwar um keinen sogenannten Hochrisiko-Gefährder gehandelt haben. Auf seinem Handy seien aber Daten und ein Computerspiel sichergestellt worden, die eine Nähe zu islamistisch-terroristischem Gedankengut bezeugten. Ein Verfahren wegen Mitgliedschaft bei der radikalislamischen Terror-Miliz Islamischer Staat (IS) sei aber eingestellt worden, hieß es. Die Salzburger Polizei, die Staatsanwaltschaft Salzburg und das Innenministerium in Wien bestätigten diese Angaben auf Anfrage zunächst nicht.
Österreich verschärft Sicherheitsmaßnahmen
Österreich hat derweil nach Angaben von Innenminister Gerhard Karner seine eigenen Sicherheitsmaßnahmen erhöht. Die Staatsschutzbehörde DSN habe deswegen bereits mit der israelischen Botschaft und der israelischen Kultusgemeinde Kontakt aufgenommen, sagte er. "Die österreichischen Sicherheitsbehörden sind in intensivem Austausch mit den deutschen Kollegen." Details zu dem jungen Mann oder zu dem Wissensstand seiner Beamten nannte er nicht.
Söder: Möglicher Zusammenhang zum Olympia-Attentat
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schloss auch einen Zusammenhang mit dem Gedenktag zum Olympia-Attentat von 1972 vorerst nicht aus. Am 5. September 1972 erschossen palästinensische Terroristen im Olympischen Dorf zwei Männer und nahmen neun Geiseln. Rund 18 Stunden später endete ein Befreiungsversuch mit dem Tod der neun israelischen Geiseln, eines Polizisten und von fünf der Attentäter. Die Terroristen wollten mehr als 200 Gefangene in Israel und die RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof freipressen. "Ein Zusammenhang ist möglicherweise gegeben. Es muss noch geklärt werden", sagte der CSU-Politiker bei der Pressekonferenz in der Nähe des Tatorts. "München hat heute kurz den Atem angehalten."
Innenministerin Faeser spricht von schwerwiegendem Vorfall
Bundesinnenministerin Nancy Faeser schätzt die Schüsse in München als gravierenden Vorgang ein. "Es ist ein schwerwiegender Vorfall", sagte die SPD-Politikerin in Berlin. Sie wolle aber nicht spekulieren, es gelte abzuwarten. Sie äußerte sich während einer Pressekonferenz zu einem anderen Thema.
"Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Münchner Polizei, die da einen guten Einsatz aus meiner Sicht machen", sagte Faeser. "Der Schutz jüdischer und israelischer Einrichtungen, das wissen Sie, hat oberste Priorität." Es sei sehr bitter, dass sich der Vorfall ausgerechnet vor dem NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Generalkonsulat ereignet habe.