Neuer Name auf Zeit
Bin Tang alias Leon ist seit elf Monaten Au-pair in Münster
18. Oktober 2013, 17:59 Uhr aktualisiert am 18. Oktober 2013, 17:59 Uhr
Von einer Millionen-Metropole in einen kleinen Ortsteil einer Gemeinde in Niederbayern - Der 23-jährige Chinese Bin Tang lebt seit elf Monaten als Au-pair in Münster bei Steinach im Landkreis Straubing-Bogen. Wenn er sein bayerisches Umfeld mit China vergleichen soll, lacht der junge Chinese und stellt fest: "Hier ist alles sehr sauber und es sind sehr wenige Menschen hier." Bin Tang kommt aus Deyang in Sichuan. Die Stadt liegt in Südchina und zählt knapp vier Millionen Einwohner. In Steinach hingegen leben neben Tang etwa 3000 Menschen. Warum sich der junge Chinese nach seinem Germanistik-Studium in China für ein Jahr in Deutschland entschieden hat und wieso er den Feuertopf aus seiner Heimat vermisst, erzählt er bei einem Spaziergang durch seine Heimat auf Zeit.
Bin Tang spricht sehr gut Deutsch. Für seinen Aufenthalt hier hat er sich auch einen deutschen Namen überlegt: Leon. So heißt er für seine deutschen Freunde und seine Gastfamilie. Auch ich soll ihn so nennen. Und so kennen ihn die Menschen im Ort. Für jeden, den wir bei unserem Spaziergang begegnen, hat Leon ein Lächeln und ein freundliches "Hallo". Ein kleiner Junge fährt mit einem Rad auf uns zu: "Leon, Leon, hallo!" Der Bub ist der ältere der beiden Kinder, auf die Leon während seines Au-pair-Jahres aufpasst. Er streicht dem Jungen zur Begrüßung über den Kopf und erklärt ihm, dass er bald zum Spielen heimkomme.
Elf Monate lebt Leon nun bei der niederbayerischen Familie. "Als Au-pair passe ich auf die Kinder auf, manchmal koche ich auch oder räume auf", berichtet er von seiner Arbeit. Die Kinder - sieben Jahre und 18 Monate alt - hat er sehr lieb gewonnen.
Mit dem bayerischen Dialekt hat Bin alias Leon mittlerweile keine Probleme mehr. "Am ersten Tag am Flughafen dachte ich, ich bin hier falsch. Ich hätte von der Sprache her auf Österreich getippt, da wir in China eine österreichische Deutschlehrerin hatten", erinnert sich Leon schmunzelnd. Die erste Zeit verstand der Chinese nur sehr wenig. "Ich habe sehr lange gebraucht, aber jetzt, fast am Ende, verstehe ich die Menschen hier gut."
Am beeindruckendsten war für Leon der Frühling in Deutschland. "Die Natur war so wunderbar und es war ein schönes Gefühl, hier zu sein", erzählt er. Irritiert haben ihn aber die deutschen Ladenöffnungszeiten: "Wieso sind hier alle Geschäfte am Sonntag zu? Wer unter der Woche arbeitet, kann doch nur an diesem Tag einkaufen."
Welches deutsche Essen Leon vermissen wird, wenn er in China ist? "Ein Hendl. Dafür bin ich siebenmal ins Volksfest nach Straubing gefahren, um es zu essen." Sein Lieblingsessen, den Feuertopf, kann aber auch das Hendl nicht toppen. Für dieses Gericht ist seine Heimatstadt in China bekannt. "Wenn ich zu Hause bin, werde ich eine Woche lang nur Feuertopf essen", ist sich Leon sicher.
Status ist in China wichtig
Dass der 23-Jährige als Au-pair nach Deutschland kommen konnte, war anfangs nicht einfach. "In China zählt vor allem der Status einer Person oder einer Familie. Ein Au-pair wird in China sehr niedrig angesehen, genauso wie zum Beispiel eine Putzfrau oder in meinem Fall ein Putzmann", macht Leon deutlich. Dieselbe Arbeit, die er in Deutschland macht, wäre in China ein Todesstoß für das Ansehen seiner Familie gewesen. "Meine Eltern hatten andere Pläne für mich. Nach der Schule sollte ich Lehrer, Arzt oder Beamter werden oder ich sollte ihre Firma übernehmen", erzählt Leon. Er entschied sich aber für einen anderen Weg. Er wählte das Studienfach Germanistik - dank der Erlaubnis seines Großvaters. "In unserer Familie hat alles, was Opa sagt, Gesetz", freut sich der 23-Jährige noch heute über die Entscheidung.
Nach dem Bachelor-Abschluss wollte Leon testen, ob er in Deutschland leben kann und ob es ihm gefällt. Deshalb hat er sich für das Au-pair-Jahr entschieden. Und wie ist das Fazit nach knapp einem Jahr? "Ich finde es toll hier. Ich möchte auf jeden Fall hier leben. Irgendwann will ich zwar wieder zurück nach China, aber das kann noch etwa 20 Jahre dauern."
Traumberuf: Hotelmanager
Und seinem Traum, in Deutschland zu arbeiten, ist Leon schon sehr nahe. Er möchte ins Hotelmanagement und ist begeistert vom deutschen Ausbildungssystem. "In China gibt es das so nicht. Da kannst du nur studieren oder die Firma der Eltern weiterführen." Leon möchte im Februar kommenden Jahres eine Ausbildung als Hotelfachmann beginnen. "In China lernt man alles nur aus Büchern, aber ich will etwas tun. Ich will etwas Praktisches lernen", begründet er seine Entscheidung. Eine Ausbildungsstelle hat er schon, in einem Vier-Sterne-Hotel im bayerischen Wald. Den Namen will er nicht verraten, schließlich fehlt noch ein wichtiges Detail zu seinem Traumberuf: das Visum. "Mein Visum für mein Auslandsjahr läuft bald ab und ich muss erst zurück nach China und hoffen, dass das klappt", erklärt er.
Mittlerweile ist es dunkel geworden, Leon und ich sind dieselbe Straße mehrmals auf- und abgelaufen. Leons Au-pair-Kind wartet schon sehnsüchtig auf seinen Spielkameraden. Eine Woche bleibt der noch in Deutschland. Dann fliegt er als Bin wieder nach Hause zurück, genießt den berühmten Feuertopf und hofft, ganz bald seinen Traum vom Hotelmanagement in Deutschland verwirklichen zu können.