Politik zum Anfassen

Charlotte Jawurek (18) über „Jugend und Parlament“


Beim Planspiel "Jugend und Parlament" in Berlin Anfang Juni konnten Jugendliche in die Rolle echter Politiker schlüpfen und ihre Ansichten vertreten.(Foto: Jonas Walzberg)

Beim Planspiel "Jugend und Parlament" in Berlin Anfang Juni konnten Jugendliche in die Rolle echter Politiker schlüpfen und ihre Ansichten vertreten.(Foto: Jonas Walzberg)

Von Redaktion idowa

Berlin, Montagmorgen in einem Bus, der sich durch den Berufsverkehr träge zum Brandenburger Tor bewegt. Gesprächsfetzen durchbrechen die müde Stille: Gestern in der Ausschusssitzung, da hatten wir wirklich Diskrepanzen. Diese grünen Realos sind einfach zu nichts zu gebrauchen." - Wenn der Änderungsantrag heute durchkommt, dann sieht die Sache gleich ganz anders aus." Stilechte Worte und Anzüge, doch die jungen Gesichter machen stutzig. Die Gruppe steigt am Reichstagsgebäude aus - ein neuer Tag "Jugend und Parlament" hat begonnen.

Bereits zum zehnten Mal trafen Anfang Juni 310 Jugendliche aus Deutschland zum Planspiel "Jugend und Parlament" zusammen, um für vier Tage in die Rolle eines Bundestagsabgeordneten zu schlüpfen - wenn auch unter leicht veränderten Bedingungen.

Die Sitzverteilung im Planspiel-Bundestag orientiert sich zwar an den realpolitischen Mehrheitsverhältnissen, die Parteien werden jedoch in leicht veränderter Form abgebildet. Aus der CSU/CDU-Fraktion wird die Christliche Volkspartei (CVP), aus der SPD die Arbeitnehmerpartei Deutschlands (APD), die Grünen heißen hier die Ökologisch-soziale Partei und die Linken-Fraktion wird zur Partei der Sozialen Gerechtigkeit (PSG).

Die jungen Interessierten werden vom Bundestagsabgeordneten ihres Wahlkreises ausgewählt und schließlich zufällig mit einer fiktiven Abgeordnetenbiografie versehen. Aus dieser Perspektive bestreiten die Jugendlichen das Planspiel.

Gespaltene Seelen

Da kann es auch vorkommen, dass ein JU-Kreisvorsitzender mit einem Mal die politische Linie der ÖSP vertreten muss. Genau das ist Jan-Hendrik Ehlers (16) passiert. Das überzeugte CDU-Mitglied aus Cuxhaven in Niedersachsen mimte für vier Tage einen bayerischen Grünen. "Es war eine Herausforderung für mich, all die Argumente zu verkörpern, die ich sonst wiederlege."

In entgegengesetzte Richtung vollzog Benjamin Gersöne (17) aus Berlin seine Verwandlung. Eigentlich in der Jungen Linken engagiert, musste er sich als CVP-Mitglied beweisen. "Man betrachtet zunächst alles aus seinem eigenen ideologischen Blickfeld, aber man muss sich in die Rollen hineinversetzen. Ich finde es wichtig, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen und zu regeln."

Denn dies ist unter anderem der Sinn des Bundestags-Planspiels: Es geht nicht um die Repräsentation der Jugend in einem parlamentarischen Gremium, sondern vielmehr um die Simulation der Gesetzgebung und der politischen Vorgänge.

Politik im Miniaturformat

Zu diesem Zweck werden den Jugendlichen Gesetzesvorlagen präsentiert, die sich am aktuellen Politgeschehen orientieren und diskutiert werden sollen.

Die Themen, die in diesem Jahr von Windkraft über Auslandseinsätze bis hin zu Datenschutzgesetzen reichten, werden dabei in Arbeitsgruppen, Ausschüssen und Fraktionssitzungen behandelt - ganz wie bei den "Großen" eben.

Sehr real mutet dann auch das Verhalten der Jung-Abgeordneten an. Sie teilen in ihren Reden kleinere und größere Seitenhieben aus, führen Verhandlungen über Kompromisse, spinnen Intrigen und führen hitzige Diskussionen auf Fraktionsebene. All das dokumentiert die "Spielpresse", um täglich in ihrer Morgenausgabe die Stimmung weiterhin anzuheizen.

Bei Außenstehenden ruft die Ernsthaftigkeit, mit der die Jugendlichen ihre Rollen annehmen und verkörpern, Erstaunen hervor. Auch wenn die Identitäten der Abgeordneten und die Themen, die sie diskutieren, ausgedacht sind, liefern sich die Teilnehmer hitzige Wortgefechte in den Fraktionssitzungen und Plenardebatten und nehmen dabei kein Blatt vor den Mund. Und wenn schließlich ein CVP-Abgeordneter die PSG mit der SED vergleicht, dann ist der Aufschrei groß - wie er es im realen Bundestag ebenfalls wäre.

Auch die Kleiderordnung kommt der Wirklichkeit sehr nahe. Die Jugendlichen wandeln in dunklen Anzügen durch das Paul-Löbe-Haus und den Bundestag und werfen sich beim Essen in der Kantine die Krawatte über die Schulter. Einen Dresscode gibt es allerdings nicht.

Annäherung und Verständnis

Auf den Boden der Tatsachen finden die Teilnehmer nach vier Tagen zurück. Dann sind die Gesetzesentwürfe verabschiedet oder abgelehnt, man kehrt wieder zum Namen aus dem Reisepass und in das Leben jenseits des Bundestages zurück.
Benjamin Gersöne zieht Bilanz: "Man bekommt diesen Gesetzgebungsprozess viel besser mit, weil man sich richtig reinarbeiten muss. Außerdem eröffnet das Planspiel neue Perspektiven darauf, wie die Kräfte im Parlament verteilt sind."

"Das ist etwas für Jugendliche, die Politik wirklich interessiert", sagt Jan-Hendrik Ehlers und steckt seine Ziele hoch. "Es wäre schon ein Traum, als gewählter Abgeordneter in den Bundestag einzuziehen."

Jugend und Parlament eignet sich nicht nur für junge Politiker in den Startlöchern, sondern für alle, die sich für politische und parlamentarische Vorgänge interessieren und einen Perspektivenwechsel wagen wollen.

Charlotte Jawurek aus Kumhausen findet, das Planspiel "Jugend und Parlament" eigne sich nicht nur für junge Politiker, sondern für alle, die mal die Perspektive wechseln wollen.

Charlotte Jawurek aus Kumhausen findet, das Planspiel "Jugend und Parlament" eigne sich nicht nur für junge Politiker, sondern für alle, die mal die Perspektive wechseln wollen.