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Eine mehrteilige Geschichte: „Grüße von mir“


Magdalena kommt aus Rattenberg im Landkreis Straubing-Bogen.

Magdalena kommt aus Rattenberg im Landkreis Straubing-Bogen.

Von Magdalena

Sommerferien = Zeit zum Lesen! Deshalb erscheint im August die vierteilige Geschichte "Grüße von mir" von Magdalena Wutz jeden Freitag in der Freistunde und immer am Dienstag danach hier auf idowa.

Die Tür fällt hinter mir ins Schloss, während ich die Tüten und meinen gesamten Krempel in die Wohnung bugsiere. Beim Versuch, meine Stiefel auszuziehen, stolpere ich und der Autoschlüssel fliegt in hohem Bogen durch die Luft. Ich fluche und versuche, ihn mit dem Schienbein abzufangen, um ihn auf die Kommode zu schießen, doch es gelingt mir nicht. Der Autoschlüssel landet hinter dem kleinen Schrank. Ich fluche erneut und steige umständlich aus meinen Stiefeln.

Dann schlurfe ich in mein Zimmer, deponiere die Tüten in der Ecke und stapfe in die Küche. Dabei werfe ich einen schnellen Blick unter den Schrank. Der Schlüssel liegt an der Sockelleiste. Okay, jetzt brauche ich definitiv Alkohol. Ich reiße den Kühlschrank auf und ziehe eine Grimasse. Nur Wodka. Egal. Ich schenke ihn in ein Glas und nehme den ersten Schluck. Die Flüssigkeit rinnt meine Kehle hinunter und ich habe das Gefühl, sie würde mir die Speiseröhre wegätzen. Himmel, was ist das für ein aggressives Zeug?

Ich ziehe meine Zehen zu mir und huste so stark, dass es mir Tränen in die Augen treibt. Okay, ich brauche Saft. Viel Saft. Abwechselnd schütte ich Orangen- und Apfelsaft in das Glas mit dem Wodka. Doch die Mischung schmeckt noch grauenhafter als der pure Alkohol. Angewidert kippe ich das Gebräu ins Spülbecken und pfeffere das Glas in die Spülmaschine, während sich der bittersüße Nachgeschmack des Getränks an meinen Lippen bemerkbar macht. Ich verziehe das Gesicht. "Ekelhaft!", sage ich. "Süß."

Die Stimme lässt mich zusammenzucken. Ich spüre sie direkt hinter mir und schließe kurz die Augen, weil ich den warmen Atem in meinem Nacken wahrnehme, was mir Gänsehaut bereitet. Als er sich grinsend vor mich schiebt, um sich einen Schluck Wodka einzuschenken, bedecke ich meinen Nacken mit den Händen und hoffe, dass er meine Gänsehaut nicht bemerkt hat. Oh Gott im Himmel, das wäre wirklich peinlich. "Du bist schon zu Hause?! Hab ich gar nicht bemerkt", sage ich und bemühe mich, meine Nervosität zu überdecken. "Im Gegensatz zu meiner absolut liebenswerten Mitbewohnerin trample ich auch nicht wie eine ganze Herde Elefanten durch die Wohnung." Ich habe das Bedürfnis, laut zu schreien, ein Lied rückwärts zu singen oder das Honigglas, das neben der Spüle steht, an die Wand zu schleudern. Himmel, ich muss irgendetwas tun. Mir wird heiß.

Ich habe nicht gewusst, dass ein einziges Adjektiv - dieses wunderbare "süß" - eine derart starke Wirkung auf mich haben könnte, dass es mich völlig aus der Bahn wirft. Ich versuche, mir die Wirkung seiner Worte nicht anmerken zu lassen, und kippe ihm etwas von dem Wodka, den er sich eingeschenkt hat, ins Gesicht. "Das ist für die Elefanten", sage ich und funkle ihn wütend an. Er blinzelt verwirrt, dann huscht das dämliche Grinsen über sein Gesicht, das ich so mag. Dafür hätte ich ihm am liebsten noch etwas ins Gesicht gekippt.

Er wischt sich mit dem Ärmel übers Gesicht und ich frage mich, ob er weiß, dass Saft grässliche Flecken auf Klamotten hinterlässt. Doch als ich seinen neckenden Blick bemerke, habe ich die Flecken vergessen. Es ist, als ob mich eine Feder am Bauch kitzeln würde. Ich schmelze dahin und hätte am liebsten in diesem Gefühl gebadet. Er trinkt den restlichen Alkohol in einem Zug. "Gesehen?" Er sieht mich mit seinem dämlichen Grinsen an. Hmm, habe ich. Fast hätte ich gelächelt, doch dann verschränke ich die Arme vor der Brust. "Trottel!" Ich drehe mich um und stürme aus der Küche.

Vor der Türe renne ich gegen den Karton mit seinen Medizin-Fachbüchern, kann mich im letzten Moment noch abfangen, doch dann stolpere ich über meine Füße, die sich unglücklich ineinander verhakt haben. Ich fluche und knalle auf die harten Fliesen. Einen Moment bleibt mir die Luft weg, weil mir der Schmerz des Aufpralls durch die Lunge schießt. Verflucht.

Ich hebe meinen Kopf und öffne ein Auge. Vor mir liegen unzählige Fachbücher auf dem Boden. Ich öffne das zweite Auge. Noch mehr Bücher und das samtige Gefühl von Staub auf meiner Zunge. Ich drehe meinen Kopf und sobald ich ihn sehe, verenge ich meine Augen. "Räum endlich den Krempel hier weg!", brülle ich und werfe eines seiner Bücher in den Karton. "Anatomie des Menschen." Ich kann es nicht mehr sehen. Vorsichtig setze ich mich auf und reibe mir mein Handgelenk. "Alles in Ordnung?", fragt er und geht neben mir in die Hocke. Sein dämliches Grinsen ist verschwunden. Stattdessen hat sein Gesicht besorgte Züge angenommen. "Ja, geht schon", murmle ich, als ich realisiere, dass er mir beim Aufstehen hilft und seine warmen Finger auf meiner Haut ruhen.

Ich habe das Gefühl, meine Haut beginnt zu prickeln, als sein Mund auf der Höhe meines Ohrs anhält. "Fluch nochmal! Das ist richtig süß", erklärt er. Der. Typ. Ist. So. Bescheuert. Ich ignoriere ihn, laufe den Flur entlang und drücke die Türklinke meines Zimmers hinunter. "Trottel", rufe ich betont laut, als ich die Tür hinter mir zuknalle, mir die Kopfhörer in die Ohren stöpsle und in eine Jogginghose und ein ausgeleiertes T-Shirt schlüpfe.

Gedankenverloren kuschle ich mich in eine Decke und rufe die Erinnerung in mir wach, als er mir beim Aufstehen geholfen hat und seine Finger meine Haut berührt haben. Ein wohliger Schauder huscht durch meinen Magen und ich verziehe meine Lippen zu einem Lächeln. Gott, ich mag ihn. Viel mehr als ich zugebe. Sein dämliches Grinsen, seine Art … Ich nehme die Kopfhörer aus den Ohren, greife zu einem Notizzettel und kritzle darauf: "Ich mag ihn. Ich mag diesen Trottel. Es ist dämlich, aber es ist so. Es ist genauso dämlich wie sein Grinsen." Ich werfe den Zettel und den Stift mit einer geschickten Bewegung auf meinen Schreibtisch und gehe in den Flur. Dort versuche ich, meinen Autoschlüssel unter dem kleinen Schrank hervorzuholen. Ich stoße zweimal mit dem Kopf gegen das Möbelstück, woraufhin ich laut fluche, doch dann kann ich den Schlüssel greifen. Zufrieden lege ich ihn in das Schälchen mit den anderen Schlüsseln und gehe in die Küche, um im Kühlschrank nach etwas Essbarem zu suchen. Hinter der Margarine entdecke ich eine Pralinenschachtel. Die Folie ist bereits abgenommen. Dafür klebt auf der Verpackung ein Zettel, auf dem "Grüße von mir" steht. Ich lächle. Er hat mir Pralinen gekauft und sich gemerkt, dass ich sie am liebsten gekühlt esse. Ein warmes Gefühl rauscht durch meine Adern, als die Erkenntnis in meinem Herzen ankommt. Ich schmelze dahin wie Schokolade im Wasserbad. Lächelnd ziehe ich die Schachtel hervor und öffne sie.

Oh man. Ich fluche. Er hat nur die Pralinen in der Packung gelassen, die ich nicht mag. "Trottel", murmle ich. Ich hätte mir denken können, dass die Sache einen Haken hat, wenn er mir freiwillig Pralinen kauft. In diesem Moment bemerke ich, dass er am Türrahmen lehnt. Sein dämliches Grinsen flammt auf, als er die Pralinenschachtel sieht. Ich will aus der Küche gehen und ihn ignorieren, doch da fällt mein Blick auf den Notizzettel, den er in der linken Hand hält. Rechts umklammern seine Finger die Schachtel eines Brettspiels. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Langsam fügen sich die Puzzleteile ineinander. Er ist in mein Zimmer gegangen, um mich zu einer Partie einzuladen und … Verdammt. Er hat den Zettel gefunden.

Er faltet das kleine Papier auf und grinst sein dämliches Grinsen. Mein Mund wird trocken, als ich meine Schrift auf dem Zettel erkenne. Es ist mein Zettel. Irgendwie habe ich gehofft, es könnte doch ein anderer sein. Ich will ihm das Papier aus der Hand reißen, doch er ist schneller und schiebt es in seine Hosentasche. Bevor ich "Gib her, das ist privat!" rufen kann, sagt er: "Ich mag sie. Ich mag meine trampelnde Mitbewohnerin. Es ist dämlich, aber es ist so. Es ist genauso dämlich wie ihre wunderbaren Flüche."

Da! Da ist wieder so ein schönes Adjektiv. Wunderbar. Liebenswert. Ich hoffe, er erweitert die Liste. Ich würde alle Wörter lieben. Eine wohlige Wärme breitet sich um mein Herz herum aus und durchströmt mich vollends, als seine Lippen auf meinen liegen.

Fortsetzung folgt...

Grüße von mir - Teil 2

Er parkt ziemlich elegant neben einem Kleinwagen ein, während die Regentropfen auf das Autodach trommeln. Ich frage mich, ob wohl ein einziger Zentimeter unserer Kleidung trocken bleiben würde, wenn wir bei diesem Wetter die paar Meter zum Café rennen. "Sag jetzt nicht, dass der Regenschirm im Kofferraum liegt!", meint er, nachdem er den Motor ausgemacht hat. Ich grinse vor Schadenfreude. "Doch!" Er verzieht das Gesicht und jammert, als hätte ich ihm wehgetan. Er steigt aus und ich kann nur die Umrisse seines Körpers erkennen, als er zum Kofferraum rennt, um nach dem Regenschirm zu suchen. Die Regentropfen an den Scheiben lassen alles unklar erscheinen. Ich lehne mich zurück, während ich darauf warte, dass er die Beifahrertür öffnet und mir den Regenschirm über den Kopf hält, damit ich nicht nass werde. Doch in diesem Moment erkenne ich, dass er mit dem Regenschirm über den Parkplatz rennt und bereits auf dem Weg zum Café ist.

Mir bleibt vor Empörung die Luft weg. Fluchend öffne ich die Beifahrertür und lehne mich mit dem Oberkörper in den Regen. "Dein Ernst?", rufe ich, während die Tropfen auf mein Gesicht klatschen. Einer landet auf meinem Augenlid und ich zucke zusammen. Ich versuche, mein Auge krampfhaft offenzuhalten und dem Reflex zu widerstehen, das Lid zu schließen, doch es funktioniert nicht richtig. Verdammt. Er dreht sich um und hat das dämliche Grinsen im Gesicht, das ich so mag. Seine Mundwinkel zucken, dann gibt er zurück: "Nee, mein Horst!" Ich balle die Fäuste, um das Lachen zu unterdrücken, das meine Kehle hinaufsteigt und jeden Moment über meine Lippen hereinzubrechen droht. Meine Güte, er ist wirklich ein Trottel. Weil er keine Anstalten macht, zu mir zurückzukommen, klettere ich aus dem Wagen, schlage die Tür zu und laufe zu ihm.

Im Schutz des Regenschirms sehe ich an mir herunter. Es sind nur wenige Meter gewesen, aber die haben ausgereicht, um mich aussehen zu lassen, als wäre ich gerade aus der Dusche gestiegen. Meine Haare kleben vom Regen und dem Haarspray und ich hätte am liebsten laut geflucht. Mein einziger Trost ist, dass auch er nicht besser aussieht. Von seinem Pony tropft eine winzige Wasserperle herunter, während sich die Feuchtigkeit auf seinen Turnschuhen durch dunkle Flecken auf dem Gore-Tex abzeichnet. Er mustert mich von oben bis unten, dann lacht er. Mit der flachen Hand schlage ich ihm auf den Arm. "Trottel!", sage ich.

Im nächsten Moment zieht er mich ohne Vorwarnung in seine Arme. Mir stockt der Atem. Wir sind uns so nah, dass eine Wasserperle von seiner Stirn auf meine Wimpern fällt. Blinzelnd versuche ich, sie loszuwerden, woraufhin sie sich ihren Weg über meine Wange bahnt. Seine Lippen sind nur noch Zentimeter von meinen entfernt. Ich atme flach und spüre seinen warmen Atem an meiner Wange. Oh. Verdammt. Das Blut kocht in meinen Adern, als er die Augen schließt und sich die Vorfreude auf den Kuss mit einem Kribbeln auf meinen Lippen äußert. Für ein paar Sekunden schließe ich die Augen und überlege, ob ich meine Rache für seine Regenschirm-Aktion über Bord werfen soll, doch dann entscheide ich mich dagegen. Ich öffne ein Auge, während ich das andere geschlossen halte und meine Lippen zu einem "O" verforme. Ich versuche, ein Lachen zu unterdrücken, öffne das andere Auge und blase ihm einen Schwall Luft ins Gesicht, woraufhin er das Gesicht verzieht und seine Lider sich unwillig wieder öffnen. Als er mich mit seinem düstersten Blick ansieht, zu dem er fähig ist, lache ich laut, schnappe mir den Schirm und laufe los. Doch bereits am Bordstein des Gehsteigs hat er mich eingeholt und umfasst mich mit einer ruckartigen Bewegung von hinten an der Taille. Ich japse überrascht auf.

"Das schreit nach Rache", raunt er verschwörerisch, was bei mir einen wohligen Schauder entlang der Wirbelsäule auslöst, der so lange anhält, bis wir uns einen freien Tisch im Café gesucht haben. Während er die Kuchenkarte studiert, verschwinde ich auf die Damentoilette, wo ich meine Haarpracht im Spiegel begutachte. Abgesehen davon, dass ich aussehe, als wäre ich gerade aus der Dusche gestiegen, habe ich wellige Haare vom Regen bekommen. Vorsichtig zupfe ich einzelne Strähnen zurecht und verziehe im selben Moment das Gesicht, weil meine Haare so furchtbar zusammenkleben, dass das Zurechtmachen wehtut. Ich fluche und kehre zu ihm zurück.

Der Milchkaffee steht bereits auf dem Tisch. "Ich hab für uns beide denselben Kuchen bestellt", erklärt er und das dämliche Grinsen flammt wieder auf. Ich setze mich. "Ja? Welchen denn?", frage ich. "Rhabarberkuchen!", lacht er. Ich verschlucke mich beinahe an meinem Kaffee und der Milchschaum bleibt an meinen Lippen kleben. "Was?" Ich huste. "Du weißt genau, dass ich Rhabarberkuchen hasse!", empöre ich mich. Er sagt nichts und lehnt sich mit seinem dämlichen Grinsen auf den Lippen zurück. Ich versuche, eine düstere Miene zu machen, doch es gelingt mir nicht richtig. In diesem Moment tritt der Kellner an unseren Tisch. "Wer von Ihnen beiden bekommt die Sachertorte?", fragt er und blickt zwischen ihm und mir hin und her. Ich runzle die Stirn. Ich denke, wir bekämen Rhabarberkuchen?! "Meine Frau", antwortet er sofort. Der Kellner nickt und stellt den Teller vor mich hin.

Langsam wird mir klar, dass er mich reingelegt hat. "Du Trottel!", rufe ich und schlage ihm mit der flachen Hand auf den Arm. Er lacht so heftig, dass ich Angst habe, er könnte vom Stuhl fallen. Der Kellner unterdrückt ein Grinsen, dann verschwindet er in der Küche. "Rhabarberkuchen! Ja, klar! Dass ich nicht lache!", schimpfe ich und nehme einen Bissen von der Sachertorte. Doch meine Worte scheinen sein Lachen nur noch mehr anzustacheln. Verflucht. Jetzt bringt der Kellner seine Torte: Himbeer-Joghurt. Ich werfe ihm weitere finstere Blicke zu und höre nicht damit auf, bis wir zu Hause angekommen sind. Gähnend schlurfe ich ins Bad, um meine Haare zu entwirren, als er unvermittelt in der Tür steht und mit einer Tüte vor meinem Gesicht herumwedelt. Ich werfe ihm einen skeptischen Blick zu, nehme sie entgegen und schaue hinein. Sieht wie ein T-Shirt aus. Schwarz. Und ziemlich verknittert.

"Was ist das?", frage ich. Er grinst. "Probier es mal an." Ich verziehe das Gesicht, weil ich keine schwarzen T-Shirts mag, doch irgendwie bin ich neugierig und hole das Kleidungsstück heraus, das mir ziemlich groß erscheint. Aber wahrscheinlich wirkt es nur so riesig. Lachend lese ich den Druck: "Meine Trotteline". Darunter prangt ein Herz und in der linken Ecke steht in Zierschrift: "Grüße von mir". Ich lächle. Was für eine süße Idee. Kurzerhand ziehe ich das T-Shirt an und betrachte mich im Spiegel. Einen Moment lang bleibt mir die Luft weg. "Was ist das denn für eine Größe?", will ich schockiert wissen, denn mir fällt auf, dass ich aussehe, als hätte ich einen Sack angezogen. Das T-Shirt reicht mir bis zu den Knien. "Wieso? Hab ‚XL' genommen. Ist doch gemütlich!", erklärt er, als sei es das Normalste der Welt, seiner Frau ein Shirt in Übergröße zu schenken. Oh man. Ich trage normalerweise die kleinste aller Damengrößen.

In diesem Moment muss ich an meine Oma denken, als ich ihr eröffnet habe, dass ich den Trottel heiraten würde. Sie hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und ist wie ein Klotz auf den Stuhl gefallen. Eine Stunde lang hat sie abwechselnd "Grundgütiger" und "Du meine Güte" vor sich hin gebrabbelt. Ich grinse, weil ich nicht wissen will, was sie dazu sagen würde, wenn sie mich in dem Aufzug sehen würde. Wahrscheinlich würde sie einen Herzinfarkt bekommen. Mit einem Ruck schiebt er mich aus dem Badezimmer und wir fallen nebeneinander aufs Bett. Und dann holen wir den Kuss nach, den er mir unter dem Regenschirm geben wollte.

Fortsetzung folgt...

Grüße von mir - Teil 3

Fünf Jahre sind wir nun verheiratet. Fünf Jahre, in denen viel passiert ist. Viel von dem, was uns hat zusammenwachsen lassen. Und vieles, das uns dazu gezwungen hat, gemeinsam zu überlegen, wie wir es angehen. Aber all diese Dinge haben uns noch enger zusammengeschweißt.

Lächelnd sehe ich ihm dabei zu, wie er ein paar Himbeeren in seine Schüssel fallenlässt. "Und?", rufe ich. Er dreht sich mit seinem dämlichen Grinsen auf den Lippen zu mir um. Gott, ich liebe es immer noch. Die Art, wie sich seine Lippen dabei verformen und der Glanz in seinen Augen, wenn er mich ansieht. "Wie viele sind es?", will ich wissen und reiße mich von seinem Grinsen los. "Mehr als vor fünf Minuten", antwortet er. Ich verdrehe die Augen, woraufhin sich sein dämliches Grinsen verbreitert. "Trottel!", sage ich und er lacht leise. Mit einer schnellen Bewegung drehe ich mich um und lese ein paar Beeren auf. Die Hitze ist unerträglich. Als ich in die sengende Mittagssonne blicke, habe ich das Gefühl, sie saugt mir das letzte Tröpfchen Flüssigkeit aus dem Körper.

Ich fluche leise und lasse ein paar Beeren in die Schüssel fallen. Jetzt wandert mein Blick wieder zu ihm. Eine Weile sehe ich ihm dabei zu, wie er jede einzelne Beere sorgfältig mustert und erst dann in die Schüssel gleiten lässt. Ein verständnisloser Ausdruck macht sich in meinem Gesicht breit. Ich kann nicht glauben, dass er bei dieser Hitze noch den Nerv hat, jede Beere auf ihre Unversehrtheit zu überprüfen. Ich bin mittlerweile an dem Punkt angelangt, an dem es mir egal ist, ob die kleinen roten Früchte angefressen sind oder nicht. Sie wandern so schnell in die Schüssel, als wären sie heiße Kartoffeln, weil ich ein unglaubliches Verlangen danach habe, das Beerensammeln abzubrechen und ins Haus zu gehen, um mir kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen zu lassen. Die Zunge klebt mir am Gaumen und ich schnappe nach Luft. Es kommt mir so vor, als wäre die Temperatur in den letzten Sekunden weiter angestiegen. Ich blinzle ein paar Mal, weil sich plötzlich etwas wie ein Schleier auf meine Netzhaut legt. Die Hitze der Sonne prickelt wie Brause auf meiner Haut und mir wird übel. Ich spüre, wie meine Knie unter der Last meines Körpers nachgeben und bekomme noch mit, dass er sich zu mir umdreht, um etwas zu sagen, dann gleitet mir die Schüssel aus der Hand, die Beeren verteilen sich auf dem Boden und ich glaube zu fallen. Doch in diesem Moment spüre ich eine Hand auf meinem Rücken. Er steht neben mir.

"Mir ist irgendwie nicht gut", murmle ich, als ich begreife, dass es seine Hand ist, die mich stützt. Meine Stimme klingt verwaschen, als befände ich mich im Vollrausch. "Du glühst richtig", bemerkt er und ich spüre die Sorge in seinem Blick, als er mich mustert. "Das beruhigt mich ungemein." Er lacht leise, ehe er mich aus dem Garten meiner Oma bringt. Mein Kopf pocht und ich zittere. Ich kann nichts mehr kontrollieren. Selbst mein Gebrabbel ist ein einziges Chaos.

"Sterbe ich jetzt?", murmle ich. Er lacht leise. "Nein, so schnell stirbt man nicht, vertrau mir." Ich vertraue ihm. Weil er mein Mann ist. Und weil er Arzt ist. Bevor ich etwas erwidern kann, werden meine Lider schwer und ich kann nicht mehr verstehen, was er sagt. Seine Stimme scheint in weite Ferne gerückt zu sein. Wie einen Hauch spüre ich seinen Atem auf meinen geschlossenen Augen. Ich vernehme, dass er erneut etwas sagt, aber ich bin nicht fähig, ihm zu antworten. In diesem Moment spüre ich seine Hände an meinen Fußknöcheln. Dann hebt er mich hoch. Wenn er mich jetzt ungünstig trägt, kotze ich ihm vor die Füße. Doch als ich die Kuhle seines Halses an meinem spüre, bin ich wieder in der Lage, meine Augen zu öffnen.

Ich muss ein paar Mal blinzeln, damit ich erkenne, dass er mich bereits ins Haus getragen hat und vor Omas Couch stehenbleibt. Aber sobald mein Rücken den Stoff des Sofas berührt, werde ich müde. Ich habe das ungeheure Bedürfnis, ein bisschen zu schlafen.

Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe und ich muss eine Weile im Zimmer herumblicken, damit ich wieder weiß, was passiert ist. Als mein Blick bei ihm verweilt, lächelt er. "Willkommen zurück." Ich runzle die Stirn und taste zu dem Beutel, der schwer auf meiner Stirn liegt. Er scheint mich beinahe zu erdrücken. Verwirrt begutachte ich den Beutel mit den Eiswürfeln. "Wie viel ist das denn, bitte?" Er grinst. "Naja, viel hilft viel. Dein Sonnenstich ist zwar nicht so übel, aber ein bisschen mehr kann nicht schaden. Ich habe ein Kilo reingepackt." "Ein Kilo?" Meine Stimme versagt bei der Hälfte des zweiten Wortes und ich werde heiser. Oh man. Das Ding kann einem ja den Schädel eindrücken. "Hier, probier mal", meint er und hält mir eine Tasse mit rosafarbener Masse hin, die mich an Himbeerjoghurt erinnert. Ich nehme die Tasse entgegen, an der ein Zettel mit der Aufschrift "Grüße von mir" klebt und probiere eine kleine Menge. Sie schmeckt süß und rinnt kühl meine Speiseröhre hinunter.

"Und, schmeckt's?", fragt er. "Mhm. Was ist das?", will ich wissen, den Mund voll mit dem süßen Zeug. "Früchtequark aus den Beeren, die ich gesammelt habe. Für den Kuchen haben die Früchte nicht gereicht. Deine Oma hat bei der Zubereitung assistiert, ansonsten wäre daraus vermutlich nichts geworden." Ich lache. Das kann ich mir vorstellen. Vor einer Woche haben wir zusammen Kuchen gebacken und ich habe ihm gesagt, dass er schon mal die Sahne zum Unterheben schlagen könne. Er ist so motiviert gewesen, dass er den Mixer auf die höchste Stufe gestellt und die Küche binnen Sekunden mit Tausenden von Sahne-Sprenkeln verziert hat. Danach habe ich den Kuchen alleine weitergebacken, während er eine halbe Stunde damit beschäftigt war, die Sahne-Sprenkel mit einem Lappen wegzuwischen. Er liest in meinen Augen, woran ich mich gerade erinnere und setzt sein dämliches Grinsen auf.

Fortsetzung folgt...

Grüße von mir - Teil 4

Er betrachtet die Kuchen und Torten, setzt sein dämliches Grinsen auf und wendet sich an die Verkäuferin: "Gibt's auch Rhabarberkuchen?" Bevor sie reagieren kann, schnaube ich und schlage ihm auf den Arm. "Trottel", murmle ich, woraufhin sich sein dämliches Grinsen verbreitert. Ich liebe es immer noch. Es ist derselbe Glanz in seinen Augen wie vor sieben Jahren, als ich sein dämliches Grinsen das erste Mal bemerkt habe.

"Oh, das tut mir leid, der ist leider ausverkauft." Er streift mich mit einem Seitenblick, der mir einen wohligen Schauder durch den Körper jagt und grinst noch breiter, als er sein Portemonnaie aus der Hosentasche holt. Ich verschränke meine Arme vor der Brust, ignoriere ihn und erwidere: "Wir nehmen zwei Stücke von dem Birnenkuchen." Die Verkäuferin nickt und reicht mir den Kuchen. Er bezahlt. "Trottel", flüstere ich leise und ärgere mich darüber, dass mich der Blick, den er mir zuwirft, dahinschmelzen lässt. Er lacht leise, als ich ihn an seinem Arm zerrend aus der Konditorei schleppe. Vermutlich hat er gemerkt, dass ich ihn daran hindern will, dass er Rhabarberkuchen vorbestellt. "Nur fürs Protokoll meines Ehemannes: Ich hasse Rhabarberkuchen immer noch", sage ich, nachdem die Tür hinter uns ins Schloss gefallen ist. Sein dämliches Grinsen flammt erneut auf. "Nur fürs Protokoll meiner Ehefrau: Ich liebe es immer noch, sie damit aufzuziehen!"

Ich schnaube und schlage ihm mit der flachen Hand auf den Arm, woraufhin sich das Grinsen verbreitert. Ich verkneife mir ein weiteres "Trottel", während er den Wagen aufsperrt. Als er um das Auto herumgeht, verzieht er das Gesicht, als hätte ich ihm gesagt, dass er Erbrochenes aufwischen müsse. Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn fragend an, woraufhin er unter dem Scheibenwischer einen kleinen Zettel hervorfischt. Ich beiße mir auf die Lippen und grinse verstohlen, während er das Papier überfliegt und sein Gesichtsausdruck abwechselnd von "ungläubig" in "undefinierbar" wechselt. Dann streift er mich mit einem heimlichen Blick. Vermutlich versucht er abzuschätzen, in welcher Gefühlslage ich mich gerade befinde - ob ich mich wegen des Strafzettels wütend auf ihn werfen und ihn anbrüllen würde, bis er von meiner Stimme Tinnitus bekäme, oder ob ich ihn ignorieren würde, vor mich hin schnauben und laut fluchen würde. Doch ich gebe keine Gefühlsregung von mir und bemühe mich, mein Lachen zu unterdrücken, das mich in der Kehle kitzelt.

"Das ist nicht lustig", belehrt er mich. Verdammt. Er kennt mich einfach zu gut, als dass ich ein Lachen vor ihm verstecken könnte. "Mhm", mache ich und meine Mundwinkel wandern nach oben. Ich wäre vor Lachen am liebsten unter den Wagen gekugelt. Er liest den Strafzettel noch einmal, als hoffe er tief in sich, es würde sich beim erneuten Lesen als etwas anderes entpuppen. "Okay, das kann ich nicht so stehenlassen", sagt er nach einer Weile. Ich hebe verwirrt den Blick, als er aus dem Handschuhfach einen Stift herausholt. Er überkritzelt zuerst das Kennzeichen unseres Autos, dann schreibt er "Ich liebe euch alle!" darunter. Was…? Er setzt sein dämliches Grinsen auf und wir steigen ein. Dann fährt er von der Bordsteinkante an und öffnet gleichzeitig sein Fenster, um den Strafzettel aus dem Fenster zu werfen. Himmel! Ich klappe den Mund auf und schließe ihn wieder.

"Was denn?", fragt er, als er meine Sprachlosigkeit bemerkt. "Entschuldigung?! Was ist das denn gerade für eine Aktion gewesen?" Er schaltet in den dritten Gang und grinst sein dämliches Grinsen. Kann es sein, dass sein Ego nach dem Auffinden des Strafzettels eine Streicheleinheit benötigt hat, weil es mit Füßen getreten worden ist? Ich schnaube.

Nachdem wir zu Hause angekommen sind und unseren Kuchen gegessen haben, geht er in den Keller, um die Wäsche aus der Waschmaschine zu holen und ich in mein Arbeitszimmer, um die restlichen Aufsätze meiner Klasse zu korrigieren. Als ich bei einer sehr schlechten Arbeit einen aufmunternden Kommentar daruntergeschrieben habe, steht er in der Tür. "Ich muss nochmal weg. Notfall", erklärt er knapp. Er atmet hastig, sieht mich entschuldigend an, dann ist er bereits auf dem Flur verschwunden. Ich lege die Stirn in Falten und vermisse den sanften Druck seiner Lippen, wenn er mich zum Abschied küsst. Seufzend sehe ich seinen Rückleuchten nach, wie sie in der Dämmerung verschwinden und nehme den nächsten Aufsatz vom Stapel.

Ich weiß nicht, wie lange ich korrigiert habe, als die Haustür ins Schloss fällt. Ich gehe aus dem Zimmer und stoße auf dem Flur beinahe mit ihm zusammen. Er sieht ziemlich abgehetzt aus, als hätte er einen Sprint hinter sich. Fragend sehe ich ihn an. Er verhält sich, als hätte ich ihn bei irgendetwas ertappt. Die Situation ist ihm sichtlich unangenehm. "Der Notfall ist doch nicht so schlimm gewesen", meint er hastig. Okay. Welches Spiel spielen wir? Ich rieche förmlich, dass etwas nicht stimmt und er sich am liebsten an mir vorbeigeschmuggelt hätte. Er lehnt sich an die Wand, wobei er darauf achtet, mir nicht in die Augen zu sehen. Ich verschränke die Arme vor der Brust und lehne mich an die gegenüberliegende Wand.

Wir stehen uns gegenüber, er sieht mich nicht an, aber ich durchbohre ihn förmlich mit meinen Blicken. Könnte interessant werden. Als er keine Anstalten macht, irgendetwas zu sagen oder sich zu bewegen, seufze ich, gehe auf ihn zu und bleibe vor ihm stehen. Er hebt langsam seinen Kopf und sieht mich an, als müsse er mir sagen, dass er meinen Hund totgefahren habe. "Also, was ist los?", frage ich ihn.

Er verzieht das Gesicht und stößt sich von der Wand ab. Dann holt er zwei Tüten hinter seinem Rücken hervor und zieht aus einer meine weiße Seidenbluse heraus. "Du hättest das gar nicht mitbekommen sollen. Ich habe die Seidenbluse aus Versehen bei 90 Grad mitgewaschen und jetzt sieht sie so aus." Er hält sie in die Luft. Sieht aus wie ein Puppenkleid. Wie ein hässliches, zerfleddertes, altes Puppenkleid. Ich lache und nehme sie entgegen. Er hält irritiert inne. "Du lachst?!" "Natürlich lache ich. Ist doch nicht schlimm. Diese Seidenbluse ist fast fünf Jahre alt. Ich wollte sie bei der nächsten Gelegenheit zu den Altkleidern geben." Er stößt einen unterdrückten Laut hervor und holt eine weiße Seidenbluse aus der anderen Tüte. "Ich habe extra eine neue Bluse gekauft und so getan, als gäbe es einen Notfall, damit ich nicht auffliege." Ich schüttle lachend den Kopf und nehme sie entgegen. Ich bin überrascht, wie sehr sie der alten Bluse ähnelt. Wahrscheinlich hätte ich gar nicht bemerkt, dass es eine andere ist, wenn er es geschafft hätte, sein Missgeschick vor mir geheim zu halten und das Kleidungsstück in meinen Schrank zu schmuggeln. Verstohlen suche ich nach einer Aufschrift mit "Grüße von mir". Ich hätte ihm zugetraut, dass er das irgendwo klein hatte draufsticken lassen, so, dass es nicht auffällt, aber trotzdem da ist. Schade. Ich kann nichts entdecken.

"Du hast also ganze zwei Stunden damit verbracht, eine Bluse zu finden, die der alten ähnlich sieht", fasse ich zusammen. Er nickt und gleichzeitig flammt sein Grinsen wieder auf. "Ziemlich dämlich, oder?" Ich nicke. "Stimmt. Echt dämlich." Aber auch irgendwie liebenswert. Er sucht meinen Blick. "Du hast übrigens was vergessen." Ich runzle die Stirn und überlege. Als mir nichts einfällt, schüttle ich langsam den Kopf und sehe ihn ratlos an. "Trottel", erwidert er. "Du hast vergessen, ‚Trottel' zu sagen." Ich lache. "Richtig. Und noch etwas habe ich vergessen." Jetzt ist er es, der mich ratlos ansieht. Ich mustere die intensive Farbe seiner Augen, dann sage ich: "Ich habe nicht geflucht."

Sein dämliches Grinsen flammt auf und in seinen Augen tritt das Glitzern hervor, das sich immer zeigt, wenn er mich ansieht. "Und das hier habe ich vergessen", sagt er und küsst mich.

Ende