Freilich?!
Freistunde erklärt die fünf Sinne
4. August 2014, 15:39 Uhr aktualisiert am 4. August 2014, 15:39 Uhr
Blind oder taub... - wie wichtig unsere fünf Sinne für unser Leben sind, begreifen wohl nur diejenigen wirklich, denen einer davon fehlt. Das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten sind die Tore zu unserer Umwelt. Durch sie nehmen wir Schönes wahr, aber sie warnen uns auch vor Gefahren.
Sehen
Das Auge funktioniert ähnlich wie ein Fotoapparat. Vorne befindet sich eine Linse. Sie bricht das hineinfallende Licht und bündelt es wie ein Lupe. So entsteht ein kleines Bild des Gesehenen auf der Augenhinterwand, der Netzhaut. In dieser Netzhaut liegen unsere Sehsinneszellen. Bei ihnen unterscheidet man zwischen Zapfen und Stäbchen. Die Zapfen sind für das Farbsehen verantwortlich. Sie sehen die Farben Blau, Rot und Grün. "Wie bei einem Drucker werden aus diesen drei Grundfarben alle anderen Farben zusammengesetzt", erklärt Augenarzt Dr. Thomas Brandl. Dafür brauchen sie viel Licht. Die Stäbchen dagegen brauchen wenig Licht, um zu funktionieren, sehen dafür aber nur verschiedene Grautöne. Darum erkennen wir in der Nacht auch keine Farben, sondern bloß gräuliche Umrisse.
Das Auge hat hochentwickelte Reflexe. Einmal der Pupillenreflex, der wie bei einer Blende am Fotoapparat den Lichteinfall regelt. Bei viel Licht zieht sich die Pupille zusammen, bei wenig Licht weitet sie sich. Außerdem gibt es den Blinzelreflex: "Bei kleinsten Berührungen durch einen Fremdkörper schließen wir die Lider, um unsere Augen zu schützen", sagt Dr. Thomas Brandl. Ein Mensch blinzelt übrigens zehn- bis siebzehn Mal pro Minute. Bei einem Film, der zwei Stunden dauert, verpassen wir also unbemerkt rund zwölf Minuten.
Warum sehen wir beim Träumen Bilder, obwohl unsere Augen geschlossen sind?
Dr. Thomas Brandl: Beim Träumen ist das Auge gar nicht betroffen. Unser Gehirn denkt sich dabei Fantasie-Erzählungen aus und spielt wie ein Festplattenspeicher Filmsequenzen ab. Die "sehen" wir aber nur im Gehirn. Deswegen sind die Bilder beim Träumen auch scharf, obwohl wir im realen Leben vielleicht Brillenträger sind.
Riechen
Das Riechen setzt immer Einatmen voraus. In beiden Nasenlöchern befindet sich beim Menschen Riechschleimhaut. Dort treffen Moleküle auf und lösen den Riechprozess aus, der sich in einen Elektroprozess umwandelt. Das Riechen ist stark mit persönlichen Erinnerungen und Emotionen verbunden. Im Laufe des Lebens speichert unser Gehirn ab, ob wir Gerüche als unangenehm oder angenehm empfinden und ob wir sie mit etwas Bestimmten verbinden. Deswegen denken wir bei Zimtgeruch etwa automatisch an Weihnachten oder bei Brandgeruch an Gefahr. Der Geruchssinn schützt uns zum Beispiel vor verdorbenem Essen. Außerdem hat er großen Einfluss auf unser soziales Umfeld und sogar auf die Partnerwahl. "Daher stammt auch der Ausdruck ,Den kann ich nicht riechen', sprich ,Den mag ich nicht'", erklärt Nenad Figge, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Das passiert allerdings meist völlig unbewusst. Wissenschaftler glauben, dass Menschen theoretisch bis zu eine Billion Gerüche unterscheiden können. Eine unvorstellbar große Menge! In unserer Sprache gibt es gar nicht genug Worte für so viele Gerüche. Benennen können wir ein paar 100.000 Düfte. Der Geruchssinn ist nämlich trainierbar. Parfümeure etwa können viel mehr Gerüche unterscheiden als andere Menschen und teilweise sogar in ihre Bruchteile aufschlüsseln.
Warum können Menschen nicht so gut riechen wie zum Beispiel Hunde?
Hals-Nasen-Ohren-Facharzt Nenad Figge: Beim Menschen ist das wichtigste Sinnesorgan das Auge, danach kommt das Ohr. Der Geruch ist im Vergleich zu anderen Säugetieren untergeordnet. Unsere Riechschleimhaut ist nur circa so groß wie das Endglied eines Daumens. Die beim Hund zählt ausgefaltet fast einen Qua-dratmeter. Dafür können Hunde aber nicht so gut sehen wie wir.
Schmecken
Auch beim Schmecken kommt es viel auf die Erinnerung an. Süße Speisen empfinden wir als lecker, sie lösen Glücksgefühle aus. Bitterer Geschmack soll warnen und lässt uns notfalls würgen. Grundsätzlich können wir auf der Zunge die Basiswerte süß, sauer, salzig, bitter und umami unterscheiden. Umami bedeutet "fleischig" oder "wohlschmeckend". In vielen Lehrbüchern ist es so dargestellt, dass unsere Zunge für jede Geschmacksrichtung einen eigenen Bereich hat. Das ist aber nicht genau abgrenzbar. Auf der Zunge gibt es zwar Schwerpunkte, wo wir einen bestimmten Geschmack besser empfinden können, prinzipiell schmecken wir aber überall. Scharf ist übrigens keine Geschmacksrichtung. "Dieser Eindruck entsteht, weil dabei einige Geschmacksknospen gereizt werden. Das hinterlässt den brennenden Eindruck", erklärt Facharzt Nenad Figge.
Warum schmecken wir schlechter, wenn wir uns die Nase zuhalten?
Hals-Nasen-Ohren-Facharzt Nenad Figge: Was wir als Schmecken empfinden, ist immer eine Kombination aus echtem Schmecken und Riechen. Beim Essen ist der Duft schon in der Nase, bevor die Nahrung überhaupt im Mund ist. Spätestens beim Kauen gelangen die Geruchsmoleküle über den Rachen zu den Riechrezeptoren. Dass wir also schlechter schmecken, wenn die Nase blockiert ist, weiß jeder, sobald er mal einen richtigen Schnupfen gehabt hat.
Hören
Das Ohr hat einen Vollzeitjob, ist 24 Stunden am Tag im Einsatz. Die Ohrmuschel bündelt den Schall, er kommt in den Gehörgang und trifft auf das Trommelfell: "Das funktioniert wie ein umgekehrter Lautsprecher." Wenn der Schall dort auftrifft, schwingt das Trommelfell und bringt so auch die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel in Bewegung. Die schicken den Schall an die sogenannte Hörschnecke weiter. Die sieht genauso aus, wie sie heißt und in ihr ist der Hörnerv eingebettet. Er wandelt den Schall in ein Elektrosignal um und schickt ihn ans Gehirn. Das macht den Sinneseindruck Hören. Ein gesunder Mensch hört in einem Bereich von 20 Hertz (Hertz = Schwingungen pro Sekunde) bis über 20.000 Hertz. Nenad Figge hat ein Beispiel parat: "Das sind etwa ganz tiefe Brummtöne, wie zum Beispiel von Walen, bis zu ganz hohen Tönen, ähnlich wie die Fledermäuse piepen.
Das Ohr enthält außerdem unsere innere Wasserwaage", weiß der Facharzt. Das ist ein Schwesterorgan der Hörschnecke und trägt seinen Teil dazu bei, dass wir unser Gleichgewicht halten können.
Kann man am Ohrabdruck wirklich Verbrecher identifizieren?
Hals-Nasen-Ohren-Facharzt Nenad Figge: Theoretisch geht das tatsächlich. Das Ohr ist ähnlich unverwechselbar geformt wie der Fingerabdruck. Sogar bei einem Menschen sind nicht beide Ohren komplett gleich. Wenn ein Verbrecher also sein Ohr an eine Tür drückt, um zu lauschen, könnte man ihn daran schon erkennen. In der Realität finden sich aber an einem Tatort wahrscheinlich mehr Fingerabdrücke als Ohrab-
drücke.
Tasten
Mit der Haut fühlen wir, ob etwas kalt oder nass ist, ob uns jemand gerade zwickt oder streichelt. Aufgeteilt ist sie in drei Schichten. Die oberste ist die Hornschicht, die den Körper nach außen abschließt. Die zweite Schicht, die Lederhaut, trägt das Leben. Sie ist durchblutet, enthält Nerven, Schweiß- und Talgdrüsen und Haarwurzeln. Die dritte Schicht ist die Unterhaut- oder Fettschicht. Sie ist bei jedem Menschen unterschiedlich dick und speichert Energie. Das Fühlen läuft über Sinnesrezeptoren, die in der Haut eingebettet sind. Wir haben verschiedene Rezeptoren für Wärme, Kälte, Berührung, Schmerz, Druck und Dehnung. Diese Rezeptoren haben die wichtige Schutzaufgabe, unseren Körper zu warnen, wenn etwas von außen auf ihn eindringt. "Wenn uns zum Beispiel eine Wespe sticht, können wir reagieren und sie wegschlagen", beschreibt Hautarzt Dr. Johann Armann. Allerdings befinden sich nicht überall am Körper gleich viele Sinneszellen. Mit die sensibelsten Bereiche sind die Fingerspitzen oder die Lippen. Am Rücken zum Beispiel liegen nur wenige Rezeptoren.
Warum fühlen wir Kleidung nicht ständig auf unserer Haut?
Dr. Johann Armann: Das kommt daher, dass sich unsere Rezeptoren anpassen können. Die Sinneszellen für Berührung melden einen Reiz, wenn er beginnt, aufhört oder sich ändert. Bleibt er konstant, schalten sie ab. Deswegen fühlen wir den Handschuh, wenn wir ihn an- oder ausziehen, bemerken ihn aber nicht mehr, wenn wir ihn länger tragen. Das hat durchaus seinen Sinn, sonst wäre unser Gehirn überflutet von ständigen Reizen.
Fünf Sinne oder doch neun, zehn, zwölf, ...?
Hören, Riechen, Schmecken, Sehen und Tasten - das sind die klassischen Sinne des Menschen. Das wusste sogar schon der griechische Naturforscher Aristoteles vor circa 2.400 Jahren. Seitdem haben Wissenschaftler aber immer wieder darüber diskutiert, ob es noch mehr Sinne gibt und wenn ja, wie viele genau. Manche sprechen von insgesamt zwölf, 13 oder sogar 21 Sinnen. Einig sind sich Forscher aber zumindest darin, dass es noch die folgenden vier Sinne gibt: Temperatursinn, Schmerzempfindung, Gleichgewichtssinn und Körperempfindung.
Doppelt hält besser
Wir haben zwei Augen und zwei Ohren, klar. Aber warum? Mit einem Auge können wir zwar ein Verkehrsschild lesen, aber um abzuschätzen, wie weit das Schild entfernt ist, brauchen wir beide. Das nennt man räumliches Sehen. Bei den Ohren ist es genauso: Um festzustellen, woher ein Ton kommt, brauchen wir zwei davon. Da wir Menschen Säugetiere sind, sind bei uns fast alle Organe bis auf den Darm paarig angelegt. Sogar unsere Nase ist genaugenommen zweigeteilt. "Falls ein Organ kaputtgeht, haben wir noch eines in Reserve und können trotzdem überleben", erklärt Nenad Figge.
Was ist der sechste Sinn?
Rettet sich jemand unbewusst gerade noch rechtzeitig aus einer gefährlichen Situation, sagen wir umgangssprachlich oft: "Der hatte den sechsten Sinn." Amerikanische Wissenschaftler konnten tatsächlich nachweisen, dass es eine bestimmte Hirnregion gibt, in der "der sechste Sinn wohnt". Diese Region funktioniert wie ein Frühwarnsystem. Sie empfängt Signale aus unserer Umgebung und prüft sie auf Gefahren. Im Ernstfall schlägt es Alarm und warnt uns. Unbewusst denken wir also etwa "Bei dieser Situation habe ich ein ungutes Gefühl", meiden sie und retten uns dadurch idealerweise. Außerdem ist "der sechste Sinn" oft ein Begriff für außersinnliche Wahrnehmungen wie Telepathie oder Hellsehen. Biologen verwenden diesen Ausdruck auch, um bei Tieren Fähigkeiten zu beschreiben, die der Mensch nicht hat. Zum Beispiel der Magnetsinn, den Vögel nutzen, um sich durch das Erdmagnetfeld zu orientieren, oder der Schwingungssinn, durch den Spinnen erkennen, dass sich ein Tier in ihrem Netz verfangen hat.