Hartes Training
Julia Schindlbeck ist Vize-Meisterin im Friseurhandwerk
14. Januar 2016, 16:52 Uhr aktualisiert am 14. Januar 2016, 16:52 Uhr
Viele Bilder liegen auf dem Holztisch in der gemütlichen Wohnküche in Marklkofen im Landkreis Dingolfing-Landau verstreut. Darauf zu sehen sind aufregende Farbspiele, raffinierte Formen umrahmt von jeder Menge Fotografen. Julia Schindlbeck deutet auf ein Bild in der Mitte des Tisches: "Hier sieht man die Farbverläufe sehr gut. Es geht von Schwarz, ins Rote bis hin zu Goldtönen. Das hat knapp eine Woche gedauert, bis die Verläufe perfekt waren." Die 21-Jährige nimmt regelmäßig an Wettbewerben teil. Sie ist Künstlerin. Ihr Werkzeug sind Farben, Scheren, Klammern und viel Fingerspitzengefühl. Ihre Modelle sind Puppenköpfe mit Echthaar. Die Friseurin hat ihre Leidenschaft für das Besondere entdeckt.
Der bisher größte Erfolg war im November 2015. Sie wurde deutsche Vize-Meisterin im Friseurhandwerk des Praktischen Leistungswettbewerbs auf Bundesebene. Qualifiziert dafür hat sie sich durch die beste praktische Gesellenprüfung und durch einem Sieg beim Kammerentscheid. So richtig begeistert über diesen Titel Vize-Meisterin zeigt sie sich aber nicht. Die 21-Jährige ist ehrgeizig und zielstrebig. Ein zweiter Platz war für sie keine Option. Motivationssprüche wie "Dabei sein ist alles." oder "Hauptsache unter den ersten drei." sind für Julia reine Floskeln. "Der Zweite ist der erste Verlierer", entgegnet sie solchen Sprüchen. Die Entscheidung war knapp: 1 500 mögliche Punkte galt es zu holen. Vier Punkte trennten Julia Schindlbeck von ihrer Konkurrentin auf Platz eins.
"Das ärgert einen schon, vor allem, weil so viel Arbeit dahintersteckt", erklärt sie. Drei Monate hat sie bei erfahrenen Trainern geübt, 15 Puppenköpfe hat sie dafür gebraucht. Die Kosten für Start und Trainingseinheiten hat sie sich neben ihrem Job als Friseurin als Bedienung dazu verdient. "Ich habe in jeder freien Minute geübt, nach der Arbeit, am Wochenende und vor den Trainings. Das war anstrengend. Ich hätte mir mehr erhofft", gibt sie zu.
Bei den Meisterschaften hat Julia viel gelernt, vor allem was über Alltagsfrisuren hinausgeht. Mit diesem Wissen hat sie sich auch für größere Jobs außerhalb ihrer normalen Arbeit qualifiziert. So war sie zum Beispiel bei einer Schuhmesse in Nürnberg dabei und hat die Models für den Laufsteg gestylt. Bei einem Filmdreh war sie für die Schauspieler zuständig.
Gute Kontakte und viel Ehrgeiz
Wie sie an solche Jobs kommt? Ein gutes Netzwerk, viele Kontakte und viel Ehrgeiz sind Julias Rezept. Sie ist Co-Member bei "Intercoiffure". "Das ist sozusagen die Elite der Friseure. Das Schöne ist, dass bei ‚Intercoiffure' alle per Du sind. Du kennst dich untereinander und weißt, dass es eine Gemeinschaft ist", gibt Julia einen Einblick. Was sie in dieser Zeit gelernt hat, möchte sie nicht mehr missen. "Wer sagt, Friseur zu sein, bedeutet nur, Waschen, Schneiden, Föhnen, hat keine Ahnung. Dieses Handwerk bietet so viele Möglichkeiten", schwärmt Julia. "Du kannst überall auf der Welt arbeiten und wenn du dich reinhängst und engagierst, steht dir viel offen: Modeschauen, Filmdrehs und vieles mehr. Außerdem hast du auch, was das Gehalt angeht, eine bessere Verhandlungsposition, wenn du schon mehr gesehen hast und von verschiedenen Trainern gelernt hast."
Friseurin wollte Julia schon als Kind werden - und das, obwohl sie bis zu ihrer Ausbildung nie einen Salon betreten hat. "Meine Tante ist Friseurin. Sie macht mir heute noch die Haare", erzählt sie lachend. Am meisten Spaß machen Julia Hochsteckfrisuren und das Schneiden selbst. "Ich mag es, wenn ich eine Veränderung sehe. Ich will sehen können, was ich geleistet habe", begründet sie. Für ihre Zukunft wünscht sich die ehrgeizige junge Frau zwei Dinge: die deutsche Meisterschaft 2016 und in den nächsten neun Jahren einen eigenen Laden, in dem sie jungen Friseuren zeigen kann, was neben Waschen, Schneiden und Föhnen noch möglich ist.
Wie eine Friseur-Meisterschaft abläuft
Der Leistungswettbewerb des deutschen Friseurhandwerks fand im November 2015 in Nürnberg statt. Jedes Bundesland stellt seinen besten Teilnehmer. Für Bayern trat Julia Schindlbeck aus Marklkofen (siehe rechts) an. In drei Kategorien mussten die jungen Friseure überzeugen: Damenhaarschnitt mit Föhnen, Herrenhaarschnitt mit Föhnen und eine Gala-Hocksteckfrisur. Die Teilnehmer wurden dabei von einer Jury bewertet. "Obwohl viele denken, der Herr sei am schnellsten fertig, ist es doch die schwerste Kategorie", sagt Julia. Ein Männerschnitt müsse besonders sauber gearbeitet werden. Jede Kante - ob im Nacken oder bei den Ohren - sehe man später und werde nicht von Haaren überdeckt. "Außerdem sind die Männer sehr kantig. Das macht auch das Stylen schwerer. Es muss eckig aussehen. Die Frauen hingegen sollen rund und weich wirken", erklärt Julia die Herausforderung.
Am meisten Arbeit hat die Friseurin die Hochsteckfrisur gekostet. Drei Monate lang hat sie mit ihren Trainern an der Frisur gefeilt - mit drei Farben, fünf Haarteilen und jeder Menge Klammern und Haarspray. Beim Wettbewerb selbst hatte sie 40 Minuten Zeit, ihre Frisur zu stecken. "Beim ersten Mal habe ich knapp drei Stunden gebraucht", erinnert sie sich. Die Jury begutachtet am Ende die fertigen Köpfe und vergibt Punkte. Dabei spielt auch die Präsentation eine Rolle: Julia hatte ihren Puppen passende Kostüme angezogen - genäht von ihrer Mama. Mit ihrer Präsentation hat sie Platz zwei erreicht.
Julias bisherige Erfolge
- Zweite beim Lehrlingsfrisieren in Landshut 2013
- Dritte beim Jugendfrisieren 2013
Vierte bei der Deutschen Meisterschaft 2013
Erste bei der Südwestdeutsche Meisterschaft 9/2013: Erster Platz
Erste bei der Bayerischen Meisterschaft 2013
Erste beim Lehrlingfrisieren in Landshut 2014
Dritte bei der Mitteldeutsche Meisterschaft 2014
Beste praktische Gesellenprüfung der Berufsschule
Kammersiegerin der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz
Deutsche Vize-Meisterin im Friseurhandwerk des Praktischen Leistungswettbewerbs 2015