Du stehst auf dem Siegerpodest ganz oben, die Goldmedaille hängt um deinen Hals, hinter dir wird zu den Klängen der Nationalhymne die Deutschlandflagge gehisst, die Menschen jubeln dir zu. Ein solcher Moment ist an Emotionen kaum zu überbieten. Marco Loy durfte dieses "Gänsehaut-Feeling" bereits dreimal erleben, einmal als Europameister im Einzel und zweimal als Europameister mit der Mannschaft. Der 17-Jährige aus Neubäu im Landkreis Cham ist erfolgreicher Stockschütze in der Disziplin Weitschießen.

Stockschießen ist zu Hause bei den Loys ein Familiensport: Vater und Mutter sind begeisterte Stockschützen beim örtlichen Verein, dem ESC Neubäu. Dass auch Sohn Marco irgendwann bei diesem Sport landen wird, kam daher nicht überraschend. Dass er dabei geblieben ist und überragende Erfolge feiert, freut seine Eltern und seine Vereinsmitglieder umso mehr.

Doch der Reihe nach: Mit elf oder zwölf Jahren nimmt Marco erstmals einen Stock zur Hand. Mit seinen Kumpels trifft er sich auf den Asphaltbahnen regelmäßig zum Training. "Es war immer a Gaudi", erinnert sich Marco, der derzeit eine Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker absolviert. Dann sieht er im Vereinsheim eine Teilnehmerliste für ein Weitschießen in Cham. Ohne lange zu überlegen, trägt er sich mit seinen Freunden ein und fährt zu seinem ersten Turnier - der Start in eine erfolgreiche Karriere!

Warum ihn ausgerechnet dieser Sport so fasziniert, kann Marco nicht sagen: "Es passt einfach alles und wir haben Spaß zusammen." Und dann kommt natürlich der Erfolg dazu, ein unheimlicher Ansporn. Marco gefällt die Mischung aus Technik- und Kraftsport. "60 Prozent Technik, 40 Prozent Kraft und ergänzend dazu mentale Stärke", so beschreibt er das Weitschießen. Denn während beim "normalen" Stocksport, so wie ihn der Laie vom Eisstockschießen im Winter auf zugefrorenen Weihern kennt, in erster Linie Zielgenauigkeit und Taktik gefragt sind, geht es beim Weitschießen allein um die erzielte Weite. Wichtig ist dabei eine ideale Kombination aus Schnelligkeit, Technik und Kraft.

Marco Loys persönlicher Rekord liegt bei 202 Metern. Dabei kann er nicht auf allen Turnieren solche Weiten erzielen, denn nicht überall gibt es so lange Bahnen. Ist eine Bahn kürzer, werden andere Platten (unterteilt nach Farben) auf den Turnierstock aufgezogen, die den Stock stärker abbremsen. Platten und Stock werden übrigens bei den Wettkämpfen vom Ausrichter gestellt, nur den Stiel darf der Sportler selbst mitbringen. So werden Manipulationen ausgeschlossen.

Vater Martin ist bei allen Turnieren dabei

Auch in Neubäu, wo Marco zwei- bis viermal die Woche trainiert, ist die Bahn nicht so lang. Marco behilft sich, indem er eine sehr strenge Platte aufzieht und seinen Stock einfach quer zu den Mannschaftsbahnen aufsetzt. Dass Vater Martin Jugendtrainer beim ESC Neubäu ist und ihn auf allen Turnieren begleitet, sieht Marco als großen Vorteil: "Er ist immer dabei und sieht gleich, was zu verbessern ist. Und außerdem kann er mir beim Training den Stock immer wieder zurückschießen", fügt er mit einem Schmunzeln hinzu. Bei 20 oder 30 Schüssen pro Trainingseinheit würde sich doch eine ganz schöne Wegstrecke summieren.

Eine Mischung aus Technik- und Kraftsport

A und O jeder Trainingseinheit und jedes Lehrgangs ist es, die Technik zu verbessern. "Wichtig ist es, mehr Schwung in den Stock zu bekommen und ihn aus der Bewegung heraus flach aufzulegen", sagt Marco. Für den Laien übersetzt: enorme Kraft und extremen Schwung umsetzen in sanftes Gleiten. Je sauberer man den Stock auf die Bahn legt, umso weniger wackelt er und umso schöner und weiter gleitet er.

Dass Marco dies bestens gelingt, zeigen seinen Erfolge: 2013 Vize-Europameister im Einzel in der U16, 2014 Europameister im Einzel und mit der Mannschaft (U16), 2015 dritter Platz im Einzel und Europameister mit der Mannschaft (U19). Auf rund 15 Turnieren ist Marco das Jahr hindurch im Einsatz und versucht dabei, möglichst viele Punkte zu sammeln. Denn nur die besten Stockschützen werden in die Nationalmannschaft berufen und dürfen zur Europameisterschaft fahren, der Höhepunkt jeder Saison. Die Quali abermals zu schaffen - Marco ist seit 2012 ununterbrochen für das Nationalteam im Einsatz - ist somit auch Marcos ehrgeiziges Ziel für die nächsten Monate. Schließlich möchte er wie im Jahr 2014 den Einzeltitel holen.

Was ist eigentlich Weitschießen?

Weitschießen ist eine Disziplin des Eisstockschießens. Der Eisstock soll - wie der Name schon sagt - möglichst weit geschossen werden. Während es beim normalen Stocksport auf Genauigkeit und Taktik ankommt, sind beim Weitschießen Schnelligkeit, Technik und Kraft gefragt. Bei einem Wettkampf hat der Sportler fünf Versuche. Der beste davon zählt. Der Weltrekord liegt bei 566 Metern. Der Sport ist dem Curling sehr ähnlich, Eisstockschießen ist aber um einiges schneller als Curling.