Freistunde
Philipp Hreczuch: Billard ist vom Aussterben bedroht
25. April 2014, 16:14 Uhr aktualisiert am 25. April 2014, 16:14 Uhr
Philipp Hreczuch richtet seine volle Konzentration auf den nächsten Stoß. Er betrachtet die Lage der Kugeln auf dem mit grünen Samt bezogenen Tisch, geht zur längeren Tischkante. Im Kopf stellt er sich vor, wie die Kugeln laufen. Er weiß: Es gibt immer verschiedene Lösungswege. Noch einmal wechselt er seine Position. Kreidet die Queuespitze ein drittes Mal. Als er sich entschieden hat, beugt er seinen Oberkörper über den Tisch. Sein Körper gleicht einer Statue. Ein letztes Mal zeichnen seine Augen unsichtbare Linien auf den Tisch, auf denen die Kugeln laufen sollen. Nur die Arme des 20-Jährigen lösen sich im nächsten Moment aus der starren Haltung. "Klack". Das Queue stößt die weiße Kugel gegen die gelbe Kugel. Über drei Banden rollt die weiße Kugel, immer langsamer werdend, auf die rote Kugel zu. Schließlich trifft sie mit einem sanften zweiten "Klack". Punkt.
Mit knapp 15 Jahren ist Philipp Hreczuch vom Billardclub Landau zum ersten Mal deutscher Meister im Dreiband, einer Unterart des Karambol (siehe unten), geworden. Die Faszination an dem Sport hat ihn auch jetzt, fast sechs Jahre danach, noch nicht wieder losgelassen. Doch fast immer ist es nicht nur der Punktunterschied, der den 20-Jährigen von seinem Gegner trennt. Es ist auch der Altersunterschied.
Bayern ist fest in Fußballhand
"Spieler unter 35 oder fast 40 Jahren sind bei Ligaspielen kaum vertreten", bedauert der 20-Jährige. "Der Sport wird von immer älter werdenden Spielern getragen und ist deshalb vom Aussterben bedroht", erklärt Philipp. "In Bayern dreht sich nun mal alles nur ums Fußball", sagt er und zuckt mit den Schultern. Der Bestand an Jugendlichen kommt hauptsächlich von Eltern, die dem Verein bereits angehören.
Und gerade weil Philipp die Faszination für den Sport so sehr gepackt hat, findet er diesen Trend so schade. Er versteht nicht, warum nicht mehr Eltern ihren Kindern einen Blick auf den weiten Spieltisch des Billard gewähren. Dabei sei es für Jugendliche in keinem anderen Sport so schnell möglich, Erfolge zu feiern - die bayerische, oder sogar die deutsche Medaille zu holen, betont er. "Der Grund dafür ist die immer weiter schrumpfende Konkurrenz in den unteren Altersklassen." Auch deshalb müssen auf den deutschen Meisterschaften immer mehr Disziplinen sogar abgeschafft werden.
Ebenfalls über seinen Vater hat Philipp vor sieben Jahren Gefallen an dem Spiel mit Queue und Kugeln gefunden und schon viele Auszeichnungen gewonnen. Angefangen beim Pool-Billard hat es ihn schließlich zum Dreiband gezogen. "Natürlich ist dieser Sport sehr anspruchsvoll. Deshalb muss man anfangs sehr viel Zeit investieren, um besser zu werden", betont Philipp. Präzision, Winkel, Drall - beim Anspielen der ersten Kugel sind die Spieler jedes Mal aufs Neue gefordert. "Wen die Faszination an dem Sport packt, den lässt sie so schnell aber nicht wieder los", sagt Christian Bichler, Trainer und 1. Vorstand des Billardclubs (BC) Landau. "Ob jung oder alt - Anfänger würden am liebsten Tag und Nacht üben", sagt Christian Bichler und lacht. Auch bei Philipp war das nicht anders. "Als ich noch jünger war, habe ich jeden Tag vier bis fünf Stunden geübt", erinnert er sich. "Vor fünf, sechs Jahren waren aber auch noch viel mehr Jugendliche im Verein." Von ihnen ist außer Philipp kein einziger geblieben.
Im Mai bundesweite Billard-Schnupperaktion
Damit sich das ändert, bemüht sich der Verein aktiv um mehr Nachwuchs. In Kooperation mit örtlichen Schulen und Sportlehrern startet der Club jedes Jahr Schnupperkurse. Dieses Jahr beteiligt sich der Verein am 3. Mai an der Initiative "Deutschland spielt Billard" der Deutschen Billard-Union - und hofft dabei auf große Resonanz.
Erlerntes im Sport ist auch für den Alltag nützlich
"Ruhe, Ausgeglichenheit und vor allem die erlernte Konzentrationsfähigkeit - das alles sind Dinge, auf die Billardspieler nicht nur beim Sport, sondern auch in Alltag und Schule zurückgreifen können", betont Christian Bichler.
"Die eigene Konzentration bei der Stange zu halten, kostet zwar unheimlich viel Kraft", sagt Philipp. "Gleichzeitig beruhigt das Spiel die eigene Psyche aber ungemein." Die Ruhe, die er sich während Turnieren oder beim Training aufbaut, lässt Philipp nicht achtlos auf oder unter dem Spieltisch liegen - er nimmt sie mit in seinen Alltag. Derzeit spielt der BC Landau im Dreiband um den Aufstieg von der Bayernliga in die 2. Bundesliga. Die Landauer Mannschaft mit Philipp Hreczuch ist aktuell Tabellenführer. In der 2. Bundesliga steht sie in Zukunft internationalen Top-Spielern gegenüber.
Inwieweit die immer älter werdenden Spieler im Billard dieser Zukunft gewachsen sind, bleibt abzuwarten. Für Philipp Hreczuch steht jedoch fest: "Ich bleibe auf jeden Fall dabei!"