Implantate - Teil 1
Sprecherin Uni-Klinik: "Hersteller tragen Verantwortung"
5. Dezember 2018, 14:41 Uhr aktualisiert am 5. Dezember 2018, 14:41 Uhr
Die Veröffentlichung der sogenannten "Implant Files" hat für viel Aufregung gesorgt. Zu Recht? idowa hat am Uniklinikum Regensburg nachgefragt. Wenn Sie sich dafür interessieren, wie eine Fachanwältin für Medizinrecht die Enthüllungen beurteilt, dann lesen Sie Fachanwältin: "Implantate in vielen Fällen gar nicht nötig".
Mehrere Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung, der NDR und der WDR, haben im Rahmen der sogenannten "Implant Files"-Veröffentlichung über Missstände im Geschäft mit medizinischen Implantaten berichtet. Die Journalisten sprachen unter anderem mit zahlreichen Patienten, die unter den Folgen fehlerhafter Implantate und Prothesen zu leiden haben. Verständlich, dass diese Enthüllungen auch in Ostbayern für Beunruhigung gesorgt haben. Viele Menschen fragen sich seitdem: Wie groß ist das Risiko bei derartigen Eingriffen wirklich? idowa hat sich mit den drängendsten Fragen an das Universitätsklinikum Regensburg gewandt. Katja Rußwurm, die Pressesprecherin der Uni-Klinik, hat uns die Rückmeldung der Experten aus Regensburg übermittelt. Wir haben sie in Form von "Fragen und Antworten" aufbereitet.
Wie hoch ist der Anteil der Implantationen, bei denen es durch das Implantat zu Komplikationen kommt?
Laut Angaben von Katja Rußwurm wurde der letzte derartige Fall am Universitätsklinikum Regensburg im Jahr 2016 gemeldet. Damals ging es um eine vorzeitige Batterieentladung einer bestimmten Charge von implantierbaren Defibrillatoren. Seitdem kam es zu keinen weiteren Vorkommnissen. "Gemessen an der Anzahl der gesetzten Implantate ist diese Zahl daher verschwindend gering", erläutert die Pressesprecherin.
Was können die Gründe für Komplikationen sein?
Das ist laut Rußwurm oft schwer zu sagen, denn nicht immer lasse sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Implantat und Komplikation herstellen. Prinzipiell werde jeder künstliche Stoff vom Organismus als fremd erkannt und teilweise auch bekämpft. "Wenn es zum Beispiel Jahre nach dem Einsetzen einer Hüftprothese zu Materialermüdung kommt, ist die Ursache dann ein Materialfehler? Oder ein übermäßiger Verschleiß durch den Patienten?", erläutert sie. Auch könne beispielsweise schon ein unglücklicher Sturz eine ganze Therapie gefährden. Anders verhalte es sich dagegen bei Fehlern technischer Natur, zum Beispiel Softwarefehlern oder Batteriedefekten. Diese seien meist eindeutig bestimmbar.
Welche Eingriffe bergen das größte Risiko?
Die höchste Risikobewertung haben laut Rußwurm "Eingriffe mit elektrisch betriebenen oder Software-gespeisten Produkten". Dazu gehören etwa Herz-Kreislauf-Unterstützungssysteme sowie implantierbare Defibrillatoren oder Schrittmacher. "Solche Produkte verfügen theoretisch über mehrere potentielle Quellen für eine Fehlfunktion, zum Beispiel eine Akkuentladung, plötzlicher Stromverlust oder Softwarefehler". Je nach Krankheitsbild könnte das unter Umständen auch fatale Konsequenzen für den Patienten bedeuten.
Ist die Angst vor entsprechenden Eingriffen und die Sorge infolge der Enthüllungen gerechtfertigt?
Für Rußwurm ist die Besorgnis nachvollziehbar - schließlich sei jeder operative Eingriff prinzipiell mit Risiken verbunden. Auch im UKR haben die "Implant Files" für Gesprächsstoff gesorgt. "Wir finden das öffentliche Interesse wichtig und können absolut verstehen, dass die mediale Berichterstattung über die 'Implant Files' eine solch große öffentliche Diskussion anregt, da es bei Medizinprodukten schließlich um die Gesundheit von Menschen geht", sagt sie. Gleichzeitig müsse man sich aber vor Augen halten, "dass es sich bei den aufgezeigten Fällen zum Glück nicht um die Regel handelt". Kein Patient sollte aus Angst auf ein nötiges Implantat verzichten. "Wir fänden es schade, wenn der Bericht ein nicht gerechtfertigtes Maß an Verunsicherung in der Bevölkerung nach sich ziehen würde". Es sei allerdings ratsam, komplexe medizinische Eingriffe generell nur in zertifizierten medizinischen Zentren durchführen zu lassen. "Das Universitätsklinikum Regensburg ist auf die Behandlung schwerstverletzter und schwerstkranker Patienten ausgerichtet und dafür auch personell und technisch ausgestattet", so Rußwurm. "Sowohl die medizinische Expertise unserer Mitarbeiter, die apparative Ausstattung als auch die gründliche Prüfung und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Lieferanten zeugen von einer hohen Behandlungsgüte, was die geringen Vorkommnismeldungen bei uns am Haus deutlich belegen." Man zeigt sich also von den eingesetzten Materialien und den Arbeitsprozessen in jeder Hinsicht überzeugt.
Frühwarnsystem für Kliniken wäre Verbesserung
Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es an der Uni-Klinik, um die Patienten bestmöglich zu schützen?
Bereits beim Einkauf von Produkten greifen am Universitätsklinikum strenge Prüfmechanismen, wie Rußwurm ausführt: "Jeder Hersteller und jedes Produkt werden genau geprüft und alle gesetzlichen Vorgaben strengstens kontrolliert." Daneben existiert bereits seit über zehn Jahren eine Arbeitsgruppe, die bei Problemen im Zusammenhang mit Medizinprodukten aktiv wird. Zudem habe das Uni-Klinikum schon lange, bevor es gesetzlich vorgeschrieben wurde, eine zentrale Stelle für Medizinproduktsicherheit eingerichtet. Hier werden Vorkommnisse gemeldet und zusammen mit den Herstellern der Produkte und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte analysiert und aufgearbeitet.
Welche Verantwortung tragen die Hersteller?
Katja Rußwurm sieht die Hersteller klar in der Pflicht: "Die Hersteller tragen die Verantwortung für das Produkt." Dementsprechend müssten sie auch sicherstellen, dass nur wirksame und verträgliche Produkte auf den Markt kommen. "Auch wenn alle Hersteller natürlich als Unternehmen agieren, muss gerade im medizinischen Bereich neben kommerziellen Interessen immer auch das Wohl des Menschen als oberstes Unternehmensziel Berücksichtigung finden", betont Rußwurm.
Wo gibt es Nachbesserungsbedarf?
Rußwurm erläutert, dass eine "aktivere und dynamische Marktbegleitung" sinnvoll sei. Sie würde sich wünschen, dass Hersteller mehr als bislang auf die Kliniken zugehen, wenn es Fehlermeldungen zu einem bestimmten Produkt gibt. "Dies wäre zur Erkennung von Fehlertendenzen, sozusagen als Frühwarnsystem für Kliniken, eine Verbesserung."