Branche zieht Bilanz
Fair Einkaufen trotz Inflation?
6. Juli 2022, 7:26 Uhr aktualisiert am 6. Juli 2022, 7:26 Uhr
Mit gutem Gewissen durch den Supermarkt - der faire Handel ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Doch die hohe Teuerung stellt die Überzeugungen der Kundschaft auf die Probe.
Kakao, Kaffee, Bananen - Supermarktkunden finden auf immer mehr Produkten Siegel für den fairen Handel. Etwas mehr ausgeben, damit etwa Kleinbauern auf der Südhalbkugel bessere Einkommen haben - diese Idee überzeugt einen kleinen, aber wachsenden Teil der Käuferinnen und Käufer. Bei ihrer Jahresbilanz an diesem Mittwoch wird die Branche nach einem Corona-Dämpfer voraussichtlich wieder ein deutliches Umsatzplus präsentieren. Doch der Ausblick für die nächsten Monate ist schwierig.
Was bedeutet fairer Handel?
Der Handel gewährt langfristig Preise, zu den Produzenten ihre Kosten decken und investieren können. Häufig schließen sich Kleinbauern zu Genossenschaften zusammen und verkaufen ihre Erzeugnisse zu garantierten Preisen. Fair gehandelte Ware ist deshalb häufig teurer als das übrige Angebot im Supermarkt. Oft enthält der Preis auch einen Sozialbonus, mit dem etwa Schulen gebaut werden. "Existenzsichernde Einkommen sind ein Menschenrecht", betont das Forum Fairer Handel. Dass mit dem Kauf eines Pfunds Kaffee alle Probleme von Kleinbauern gelöst werden, behauptet in der Branche indes niemand.
Anfangs gab es faire Ware nur in Weltläden oder bei Aktionsgruppen. Seit einigen Jahren treiben Supermärkte und Discounter das Wachstum. Es gibt mehrere Siegel. Faire Ware bleibt aber ein Nischenprodukt mit rund zwei Milliarden Euro Handelsumsatz. So weit war das Bio-Segment im Jahr 2000, heute sind die Umsätze dort acht mal so hoch.
Was wird gekauft?
Vor allem Kaffee und Südfrüchte werden oft mit Siegeln des fairen Handels verkauft. Auch Textilien und Blumen zählen zu den größeren Umsatzbringern. Von 100 Tassen Kaffee, die in Deutschland getrunken werden, sind gut sechs aus fairem Handel, wie das Forum Fairer Handel vorrechnet. Dass fair immer teurer sei als konventionell, ist für den Siegelanbieter Fairtrade ein Mythos. Im Supermarktregal gebe es oft kaum einen Unterschied zu anderen Markenartikeln.
Wie stabil ist der Trend?
Jahrelang ging es nur aufwärts, bis in der Corona-Krise Cafés, Kantinen und Weltläden zeitweise schlossen. 2021 lag der Umsatz mit einem Minus von drei Prozent erstmals unter dem Vorjahr, erreichte nur noch 1,8 Milliarden Euro. Jetzt meldet der Branchenverband: "Die pandemiebedingte Talfahrt ist überwunden." Das zeigt etwa die Jahresbilanz von Fairtrade. Der mit Abstand größte Siegelanbieter konnte seinen Umsatz 2021 um neun Prozent auf 2,1 Milliarden Euro steigern. Auch der Branchenpionier, das kirchennahe Handelshaus Gepa, verzeichnete ein deutliches Plus.
Beendet die Inflation den Boom?
Bislang ist das nicht erkennbar. "Wir sind nicht in großer Sorge, dass wir unter die Preisräder kommen", sagte etwa Fairtrade-Vorstandschef Dieter Overath kürzlich. "Wir haben zum Glück eine Kundschaft, die aus Überzeugung kauft." Ausschließen ließen sich Umsatzrückgänge jedoch nicht.
Bei Bio-Markenprodukten war schon im Frühjahr zu spüren, dass die Käufer den Gürtel enger schnallen. Ob das auch bei fairer Ware so sein wird, ist noch unklar. Dieses Wirtschaftsjahr sei schwer zu prognostizieren, hieß es bei Gepa. Dass die hohe Teuerung ein Problem sein könnte, deutete der Branchenverband jedenfalls an. Eine Frage der Fairness sei es auch, dass steigende Verkaufspreise nicht zulasten einkommensschwacher Verbraucherinnen und Verbraucher gehen.