Kultur

Allein im Kunstgenuss

Das Deutsche Theatermuseum zeigt "In meiner Vorstellung - Die Welt der exklusiven Aufführungen von Ludwig II."


Der Bühnenbildentwurf von Angelo II Quaglio zu Ludwigs Lieblingsstück "Narziss" (1885).

Der Bühnenbildentwurf von Angelo II Quaglio zu Ludwigs Lieblingsstück "Narziss" (1885).

Von Mathias Hejny

Zum Konzept von Theater gehört ein Publikum. König Ludwig II. liebte zwar intensiv das Theater, aber dieses Kollektiv, das Kunst in Gemeinschaft erleben will, bereitete Seiner Majestät Missvergnügen. Die Schauspiele, Ballette und Opern im Residenztheater waren für seine Untertanen seltene Gelegenheiten, einen Abend lang im gleichen Raum zu sein wie ihr Kini. Der sah sich in seiner Loge plötzlich selbst als Schauspiel.

1872 soll der König geklagt haben: "Ich kann keine Illusion im Theater haben, so lange die Leute mich unausgesetzt anstarren und mit ihren Operngläsern jede meiner Mienen verfolgen." Ludwig beschloss, sich solchen Verfolgungen fürderhin nicht mehr auszusetzen. Schon im Jahr darauf fand die erste Separatvorstellung statt für genau einen Zuschauer: König Ludwig. Es folgten bis 1885 genau 209 dieser einsamen Darbietungen.

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König Ludwig II. und der Schauspieler Josef Kainz (Doppelportrait, retuschiert, 1886).

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Ein Bühnenbildentwurf für Wagners "Rheingold".

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Ein Bühnenbildentwurf zu Sardous Drama "Theodora", das in Konstantinopel spielt.

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Clara Ziegler als Herzog von Fronsac (1872).

Denen geht das Deutsche Theatermuseum bis zum Sommer mit ihrer Ausstellung "In meiner Vorstellung - Die Welt der exklusiven Aufführungen von Ludwig II." auf die Spur. Sogar die Museumsgründerin Clara Ziegler findet sich auf den zahlreichen Bilddokumenten.

Die Starschauspielerin spielte etwa in "Narziss" die Marquise de Pompadour. Das heute vergessene Trauerspiel von Albert Emil Brachvogel liegt auf Platz 1 der königlichen Bestenliste. Elf Mal sah Ludwig II. das Stück, das im Umfeld des französischen Amtskollegen Ludwig XV. spielt. Den Bourbonen und ihrer absolutistischen Herrschaft galt auch Jahrzehnten nach der Revolution größte Bewunderung des Wittelsbachers.

Der erste Teil der Schau ist deshalb den Dramen über Frankreichs Hochadel gewidmet. Aber auch die großen Heldinnen und Helden der Geschichte sowie aus der Sagenwelt haben den Bayern-König interessiert.

Dazu gehört auch Jeanne d'Arc, die er sowohl in Tragödien französischer als auch deutscher Dramatiker bestellte - selbstverständlich auch die von Friedrich Schiller, dessen "Wilhelm Tell" er auch auf seinem Wunschzettel hatte. Denn die exklusiven Vorstellungen kamen nicht aus dem laufenden Spielplan, sondern Ludwig ließ sie eigens produzieren. Das bezieht sich nicht nur auf die Auswahl der Werke. Er nahm auf die Besetzung der Hauptrollen Einfluss oder prägte die Ausstattung entscheidend. Die "Rheingold"-Szene in den Tiefen des Rheins dürfe nicht so aussehen "wie eine Nachttischlampe", erklärte er den Bühnenbildnern. Die Zeichnungen und Modelle, die jetzt zu sehen sind, legen eine Verwandtschaft zur Blauen Grotte in Neuschwanstein und ihrem seinerzeit radikal neuen Lichtdesign nahe.

Richard Wagner, mit dem sich Ludwig angefreundet hatte, und seine Tenor-Heroen wie "Parsifal" oder "Lohengrin" sind gleichfalls ein Schwerpunkt. Dem prunksüchtigen Royal dürfte freilich die Inszenierung seiner Theateraffinität trotz der Fülle der Exponate aus Bühnenbildentwürfen, Figurinen, frühen Fotos und Fundstücken bis hin zu den Ringen mit kostbaren Edelsteinen, die der Kini seinen Lieblingskünstlern schenkte, als zu wenig repräsentativ erscheinen.

Das Projekt war von Anfang an als eine Kabinettausstellung im beengten Erdgeschoss geplant. Dabei blieb es auch, berichtet Susanne de Ponte, als während der Recherchen viel mehr Material und auch bis dahin Unbekanntes zutage gefördert werden konnte, als erwartet. An der Idee, den Saal im oberen Stock für die Angebote für Kinder des Museumspädagogischen Zentrums zu nutzen, halte man aber fest.

Das ist schön für die Kinder, die sich in die vergoldeten Träume des Märchenkönigs hineinspielen können, während sich unten die Eltern drängen und zwischen den Vitrinen die Schaulust und vor den Textsäulen die Leselust befriedigen, denn auf einen Katalog hat man verzichtet. Doch dafür "oszilliert" die Ausstellung auch über den Hofgarten hinaus in die Residenz, erklärt die Kuratorin.

Dort richtete man in Zusammenarbeit mit der auf Stadtführungen spezialisierten Organisation Münchner Schatzsuche "vier Interventionen an Originalschauplätzen" ein, die Ludwigs "Theatralisierung der Gegenwart" belegen sollen. Die 90-minütige Führung führt in das Paradeschlafzimmer, das noch pompöser ist als die königlichen Schlafgemächer in Versailles und gestalterisches Vorbild für die Bühnenbilder sind.

Eine andere Station ist der Erinnerungsraum für den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Wintergarten, der mit der Hightech seiner Zeit kunstvoll Natur noch natürlicher machte. Alles zeige den Willen zu einer "Theatralisierung der Gegenwart", sagt Schatzsucher Michael Weiser. An der König-Mutter-Treppe spricht der Kini selbst in Gestalt des "Quer"-Moderatoren Christoph Süß eine ironische Videobotschaft an uns Heutige. Einst habe man ihm Dekadenz vorgeworfen und doch stellt er nun zufrieden fest: "Heit kennt ihr eich selbst alle damit aus".

Deutsches Theatermuseum, Galeriestraße 4a, bis 30. Juli dienstags bis sonntags 11 bis 17 Uhr, Telefon 2106810