Kultur

"Am Schluss wurde es absurd"

Die Lach- und Schießgesellschaft ist seit Dienstag insolvent. Jetzt spricht das Ensemble über die Zustände am Haus


Zuletzt mussten sie in der Lach- und Schießgesellschaft sogar die Gastronomie selbst schmeißen: Sebastian Fritz, Christl Sittenauer und Frank Klötgen.

Zuletzt mussten sie in der Lach- und Schießgesellschaft sogar die Gastronomie selbst schmeißen: Sebastian Fritz, Christl Sittenauer und Frank Klötgen.

Von Thomas Becker

Die drei Kabarettisten berichten, wie die Lach- und Schießgesellschaft zuletzt auf fast groteske Weise auseinanderfiel - und wieso sie auf viel Geld sitzenblieben.

AZ: Frau Sittenauer, Herr Klötgen, Herr Fritz, nichts gegen Giesing, wo wir uns gerade treffen, aber eigentlich wären Sie alle drei gerade ganz woanders, korrekt?

FRANK KLÖTGEN: In Hamburg, Theater Alma Hoppe.

Aber Sie haben den Rest der Tournee abgesagt. Wie lange wäre die noch gegangen?

CHRISTL SITTENAUER: Den letzten Auftritt im Haus hätten wir am 30. März gehabt. Heute wären wir in Hamburg gewesen, gestern in Frankfurt, dann noch Bremen, Bad Vilbel, Mainz und zwei Juni-Termine in Köln und Essen.

Im Gegensatz zu allen anderen Ensemble-Tourneen in den vergangenen sechs Jahrzehnten haben Sie sich diese Gastspiele allesamt selbst organisiert ...

FRANK KLÖTGEN: ... als wir gemerkt haben, dass sonst nichts passiert. Wir haben uns gar nicht als Opfer gesehen, wollten einfach auf diese Tour gehen. Wir haben gesehen: Das wird nicht laufen, da wird sich niemand darum kümmern - also haben wir uns selber darum gekümmert. Das hat auch Spaß gemacht.

Heißt: Sie haben mit Theaterveranstaltern verhandelt, Hotels gebucht, Zugtickets gekauft, Plakate und Flyer gedruckt und verschickt - alles in Vorlage?

SITTENAUER: Alles in Vorlage - die jetzt weg ist. Wir bleiben auf sehr viel Geld sitzen. Und auf den Gagen für zweieinhalb Monate.

Seit wann gab es kein Geld mehr?

KLÖTGEN: Die letzte Abrechnung, die wir bekommen haben, war für die Auftritte in April und Juni - das Geld kam dann erst im Dezember. Es hieß immer: "Es kommt Geld. Ihr müsst nur ein bisschen warten." Wir haben immer gewartet. Wir waren sehr loyal, die ganze Zeit über, zu allen.
FRITZ: Nur meine Dezemberabrechnung hat es merkwürdigerweise auf mein Konto geschafft.
SITTENAUER: Wir haben halt darauf vertraut, dass es so sein wird, dass wir unser Geld kriegen. Wir haben es ja eingespielt.
KLÖTGEN: Die Kohle war ja da, wir haben ja gut verkauft. Mit den Tourauftritten haben wir im Schnitt mindestens das Doppelte unserer Gage eingespielt. Über die Tour ist unheimlich viel Geld auf das Konto der Lach- und Schieß geflossen. Ich halte mich mit Vorwürfen zurück, aber was ich den Verantwortlichen vorwerfe: Uns war nicht klar, dass wir überhaupt kein Geld mehr sehen können, wenn es keine Geschäftsführung gibt. Es gab aber einen Tag, bevor die letzte Geschäftsführerin gekündigt hat - zu diesem Zeitpunkt hätte man einmal die Rechnungen überweisen müssen, die wir schon gestellt hatten. Und sie hätten uns den Tipp geben müssen: "Diese Tour, die ihr gebucht habt, und die Verträge, die wir für euch unterschrieben haben: Davon seht ihr keinen Cent! Wir müssen diese Verträge noch ändern!" Alle Veranstalter wären damit einverstanden gewesen, es fehlte nur die Unterschrift von der Lach- und Schieß. Aber da war niemand zuständig. Dann wäre das viel besser gelaufen, und wir hätten diese Zeit überbrücken können. Aber: nichts. Man hat uns ins offene Messer laufen lassen.

Schauen wir zurück auf die Genese des Trios: Im Juni 2020 hat Sie Till Hofmann, der damalige Geschäftsführer der Lach- und Schieß, zu einem Ensemble zusammengecastet. Coronabedingt konnten Sie kaum spielen. Im Herbst 2021 übernahm Stefan Hanitzsch den Posten Hofmanns. Wie haben Sie den Wechsel erlebt?

SITTENAUER: Stefan war uns sehr zugewandt: "Ihr seid das Kernstück der Lach- und Schieß!" Er hat uns aber nicht ermöglichen können, eine Tour zu planen, den Laden aufzumachen, damit wir regelmäßig spielen können. Das hat einfach alles nicht funktioniert.

Warum nicht?

KLÖTGEN: Weil er sich in Projekten verfranst hat. Er wollte sehr viel sehr neu machen und hat darüber das Tagesgeschäft vergessen. Klar war am Anfang noch Corona, es lief noch nicht überall, aber so langsam merkten wir: "Da drüben und dort fängt es doch langsam an!" Wir haben auch öfter darauf hingewiesen: "Stefan, du brauchst in deinem Büro noch Leute, die was wegschaffen! Damit wir überhaupt mal wieder in den normalen Trott rein kommen!" Annette Fischer hat ihm viel den Rücken freigehalten, war Mädchen für alles. Wir hatten einen schönen Dezember, mit einem optimistischen, freundlichen Gastro-Team - es lief was im Laden.
SITTENAUER: Obwohl praktisch keine Werbung für uns gemacht wurde, noch nicht mal im In-München, wo wirklich jeder drin steht.

Und dann diese Website!

KLÖTGEN: Die mussten wir auch selber pflegen, auch den Newsletter verschicken.
SITTENAUER: Und obwohl keiner von uns wusste, war der Laden voll, wenn wir gespielt haben!
FRITZ: Wobei sich unsere Kanäle auch irgendwann erschöpfen - und wir uns erschöpfen. Aber dieser Übergang von Till Hofmann auf Stefan Hanitzsch war von uns ja so nicht gewollt. Wir mussten uns erst mal vorsichtig angucken, was da jetzt passiert.
KLÖTGEN: Wir waren auch skeptisch, weil wir wussten, unter welchen Umständen der Wechsel lief: Wir bleiben als Scheidungskinder übrig, einen Monat, nachdem wir endlich unsere Premiere gespielt hatten. Letztlich haben wir nie Probleme mit den einzelnen Leuten gehabt - als wir sie kennengelernt haben. Stefan haben wir sofort kennengelernt - bis wir Bruno Jonas kennenlernten, dauerte es ein Weilchen.

Wie lange?

KLÖTGEN: Etwa vier Monate. Ich fand das nicht so schlimm. Man muss nicht immer von jedem gleich umarmt werden. Als er uns gelobt hat, war das eine ehrliche Sache.
FRITZ: Nachdem er unser Stück gesehen hatte, hat er auch seine Hilfe für das nächste Stück angeboten. Bei inhaltlichen Fragen könnten wir immer auf ihn zukommen, sagte er.
KLÖTGEN: Sein Lob war sehr substantiell. Man merkte, er hat das Stück in sich aufgesogen. Da dachte ich: "Okay, da haben wir jetzt eine gemeinsame Linie." Es gab auch mal ein nettes Abendessen in Vorbereitung des zweiten Stücks, mit Bruno und Stefan im Sommer - da mochten sich alle noch.

Sie spielen auf das nächste Zerwürfnis an, zwischen Jonas und Hanitzsch, das darin gipfelte, dass Jonas Hanitzsch des Geschäftsführer-Amtes enthob.

SITTENAUER: Das hat schon seit Sommer geschwelt. Wir haben gemerkt: Da ist was im Argen.
FRITZ: Gegen Ende hin hat es sich dann doch rasant zugespitzt, gerade als es für uns gut lief mit dem Stück. Am Schluss wurde es wirklich absurd - weil es keine Geschäftsführung mehr gab. Egal wen wir angesprochen, jeder sagte, er sei nicht zuständig.

Roswitha Seelos, die Bookerin von Jonas, hatte den Geschäftsführerposten übernommen.

FRITZ: Aber schon mit der Ansage "nur für ein paar Monate". Dann sollte jemand anderes kommen, der dann aber ob dieser verfahrenen Situation abgesprungen ist.
SITTENAUER: Es musste bestimmt viel aufgeräumt werden, aber das Gefühl, dass jetzt Schwung in den Laden kommt, hatten wir nicht.
KLÖTGEN: Gleichzeitig ging die Harmonie völlig den Bach runter. Zwischen Roswitha und Annette im Büro lief es überhaupt nicht. Aber wenn man jemanden nicht mehr will, muss man Ersatz am Start haben. Wenn nicht, muss man solange mit dieser Person auskommen. Dann gab es den nächsten Nullpunkt für uns: dass das Büro und das Gastro-Team weg war.
SITTENAUER: Dann haben wir die Gastro selbst geschmissen.

Nicht Ihr Ernst!

SITTENAUER: Wir wussten: Es ist eine ausverkaufte Vorstellung, den Leuten wurde vorher nicht Bescheid gegeben - da haben wir gesagt: "Das können wir nicht machen!" Das sind wir den Zuschauern schuldig. Dann haben wir den Laden halt aufgemacht, die Toiletten auf Vordermann gebracht und die Bar geschmissen, vorher, nachher und in der Pause.
KLÖTGEN: Einen Korkenzieher mussten wir uns im Lustspielhaus leihen - den hatten wir einfach nicht gefunden.
SITTENAUER: Das war am 10. Februar, am 11. sind wir noch nach Erlangen gefahren, ohne zu wissen, ob wir dafür Geld sehen. Erlangen war auch ausverkauft, die letzte Vorstellung. Alles Weitere haben wir aus der Zeitung erfahren.

Wie bitte?

KLÖTGEN: Von der Insolvenz haben wir bislang keine Nachricht erhalten. Es ist auch gar nicht klar, ob wir als Lach- und Schieß-Ensemble überhaupt noch spielen dürften, wenn die Lach- und Schieß nun insolvent ist. Da kommt man in ein ganz unangenehmes Fahrwasser, in dem man nicht sein will.

Um mal einen Humor-Kollegen zu paraphrasieren: Wie unzufrieden sind Sie mit der Gesamtsituation?

FRITZ: Um mal was Schönes zu sagen: Die Tour-Termine, die wir hatten, waren unheimlich schön, eine coole Zeit.
SITTENAUER: Als ich den Anruf bekam, dass ich nun Ensemblemitglied der Lach und Schieß bin, dachte ich: Geil, Jackpot! Irgendwann dachte man sich dann: Also der Jackpot war's jetzt nicht.
KLÖTGEN: Wir sind krisenerprobt, aber das war jetzt schon der Höhepunkt. Das mit dem Geld ist auch megaärgerlich, aber was mich am meisten ärgert, ist, dass es volle Säle gab, in denen wir nicht spielen. Da arbeitet man sein ganzes Künstlerleben daran, solche Säle vollzukriegen …
SITTENAUER: ... und hinterlässt dann verbrannte Erde durch die Absagen.

Und wie geht es nun weiter?

KLÖTGEN: Wir gehen jetzt erstmal in Schockstarre und warten, was passiert. Es sind unmögliche Bedingungen für einen Neustart, von dem alle "Yeah!" sagen. Der Druck ist ja riesig.
SITTENAUER: Der Laden muss von jemandem geführt werden, der da Herzblut reinsteckt. Es ist kein Laden, mit dem man Geld scheffelt, dafür ist er zu klein. Aber er wurde ja mal von Leuten geführt, die da ihr Herzblut drin hatten.