Salzburger Festspiele
Anna Netrebko in "Adriana Lecouvreur"
29. Juli 2019, 17:29 Uhr aktualisiert am 29. Juli 2019, 17:29 Uhr
Anna Netrebko und Anita Rachvelishvili in Cileas "Adriana Lecouvreur" im Großen Festspielhaus
Eine der Primadonnen kann am lautesten singen, die andere dafür am schönsten. In dieser konzertanten Aufführung von Francesco Cileas "Adriana Lecouvreur" tobt zwischen Anna Netrebko und Anita Rachvelishvili ein Sängerinnenkrieg, der die Dramatik des veristischen Reißers unmittelbarer erfahrbar macht als die als Requisiten geforderten Diamantcolliers und vergifteten Blumen. Bereits im Wort "Primadonna" steckt, dass es nicht zwei von ihnen geben kann. Eine wird das Duell im Großen Festspielhaus in Salzburg denn auch nicht überleben.
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Es trifft, wie könnte es in der Oper anderes sein, nicht die aggressivere der beiden Frauengestalten, sondern die idealistische Titelheldin. Wie schon ihr Münchner Liederabend vor kurzem zeigte, ist Anna Netrebko derzeit auf dem Gipfelpunkt ihrer stimmlichen Entwicklung. In der Rolle der Schauspielerin Adriana Lecouvreur muss sie auch ein paar Verse deklamieren und taucht schon die gesprochene Sprache in ein geheimnisvoll gedämpftes Licht.
Innere Glut
Und wenn sie dann erst zu singen beginnt! Der Sopran bordet vor weinroten, tiefblauen, dunkelgoldenen Farben geradezu über, ist von innerer Glut erfüllt und wird in einem Legato geführt, an dem sich der Hörer gleichsam selbst mit emporschwingen kann. In ihrer Auftrittsarie "Io son l'umile ancella" steigert sie die melodischen Bögen ins Überlebensgroße. Das kann man nicht anders als spektakulär nennen.
Auftritt Anita Rachvelishvili. Gemäß ihrer Partie der Fürstin Bouillon ist ihr die Rivalin Adriana ein Dorn im Auge. Dass sie sich aber in einen solchen mörderischen Furor hineinsteigert, erschreckt dann doch fast ein wenig. Der Rezensent kann sich nicht erinnern, bei einer Mezzosopranistin jemals eine solche Bombentiefe gehört zu haben, die selbst einen groß besetzten Apparat wie den des Mozarteumorchesters Salzburg in seine Schranken verweist. Marco Armiliato lässt sich aber mit seinem fahrigen Dirigat auch allzu leicht die Butter vom Brot nehmen.
Mit gebührend eisiger Miene nimmt Rachvelishvili die Herausforderung durch Netrebko an und entfesselt die volle Naturgewalt eines einzigartigen Organs, das mit der Zeit auch noch an Zwischentönen dazu gewinnen wird; die gebürtige Georgierin ist wohlgemerkt erst Mitte dreißig. Wenn Rachvelishvili und Netrebko aufeinander treffen, ist die freiwerdende Energie so stark, dass man froh ist, das aus der Distanz verfolgen zu können. Beruhigend zu wissen, dass beide schon, etwa an der New Yorker Met, zusammen auf der Bühne gestanden haben - und den Zusammenprall überlebten.
Mit gestopftem Horn
In dieser aufregenden Atmosphäre enttäuscht um so nachhaltiger, wie wenig Yusif Eyvazov als dritter Pol des Liebesdreiecks dazu beitragen kann, auch, wenn er intensiv phrasiert und dazu mit Frau Netrebko, seiner Gattin im wirklichen Leben, ausgiebig und publikumswirksam poussiert.
Sein Tenor jedoch erscheint unangenehm eng und durch ein ständig mitklingendes blechernes Element fast verfremdet wie ein gestopftes Horn. Das fällt hier auch so deutlich auf, weil die anspruchsvollen Nebenrollen exzellent besetzt sind: Nicola Alaimo gibt den Theatermenschen Michonnet mit belcantistisch geschmeidigem Bariton, Mika Kares als Fürst Bouillon fügt dem allseitigen Höhenrausch einen ausladenden und markant pulsierenden Bass hinzu.
Das wahre Drama aber machen hier Anna Netrebko und Anita Rachvelishvili unter sich aus: Nur in der Utopie der Kunst kann es am Ende - zwei Erste geben.
Weitere Aufführungen am 31. Juli um 20 Uhr und am 3. August um 15 Uhr. Für den 31. Juli gibt es noch teure Restkarten, Telefon (00) 43 662/8045 500. Am 28. und 31. Januar sowie am 3. Februar 2020 singt Anna Netrebko die Titelrolle von Puccinis "Turandot" im Nationaltheater. Anita Rachvelishvili tritt am 21. Januar 2020 im Prinzregententheater mit den Münchner Symphonikern auf, Telefon 93 60 93