AZ-Filmkritik
"Das Familienfoto" im Kino - Turbulente Konfliktlösung
16. Mai 2019, 10:06 Uhr aktualisiert am 16. Mai 2019, 10:06 Uhr
In "Das Familienfoto" wird geknutscht, gebrüllt und im Anschluss bereut. Konfliktlösung französischer Art mit einer überzeugenden Vanessa Paradis. Mehr dazu in der AZ-Filmkritik.
Wenn am Anfang eines Filmes einer sagt: "In meiner Familie sterben selbst Kuscheltiere", und wenn der Kosename für eines der Kinder "mein Drache" ist, dann versprechen die nächsten gut 90 Minuten turbulent zu werden. Und das sind sie auch: "Das Familienfoto" versammelt neben Vanessa Paradis eine Handvoll bekannter französischer Schauspieler für einen charmanten Familienfilm über drei ungleiche Geschwister.
Der jüngste der drei ist das Sorgenkind, und so schafft es Mao (Pierre Deladonchamps) auch nicht zur Beerdigung seines Großvaters. Gerade so, aber ein bisschen zu spät hetzt seine Schwester Gabrielle (Vanessa Paradis) mit ihrem zwölfjährigen Sohn Solal (Jean Aviat) in die Kirche. Aber auch nur, weil der Kleine seine Mutter an die Uhrzeit erinnert hat.
Elsa (Camille Cotin), die Dritte im Bunde, ist zuverlässig und stets unter Strom. Der ohnehin übersichtliche Lustgewinn, den eine Beerdigung mit sich bringt, wird bei den Geschwistern durch die Anwesenheit ihrer getrennt lebenden Eltern verstärkt. Papa Pierre (Jean-Pierre Bacri) und Mutter Claudine (Chantal Lauby) sorgen sich allerdings gleichermaßen um die demente Großmutter, die sowohl auf dem Friedhof als auch im weiteren Verlauf des Films nie müde wird, zu betonen, dass sie in ihrem Heimatdorf Saint Julien sterben möchte.
Saint Julien ist für alle ein besonderer Ort, denn dort durften die getrennt aufgewachsenen Kinder ihre Sommerferien gemeinsam verbringen. Die Schwestern wurden bei ihrem Vater groß, der angeblich die Katze in den Müll geworfen hat, während Mao das Vergnügen hatte, bei seiner Mutter, einer Psychologin, zu leben. Aus Saint Julien gibt es ein altes Foto, auf dem alle drei zu sehen sind. Gabrielles Sohn findet es und fragt "War das vor oder nach dem großen Knall?" Es gibt also viel aufzuarbeiten.
Knallen kann es auch jederzeit in der Gegenwart, insbesondere zwischen den Eltern. Was wiederum die Kinder verzweifeln lässt. Mao ist eigentlich ohnehin immer noch Teenager, sitzt regelmäßig bei seiner Psychotherapeutin und verdient als Entwickler von Videospielen viel zu viel Geld. Geld, das Gabrielle immer fehlt, während ihre Schwester verzweifelt auf ein Kind wartet und die biologische Uhr tickt. Ignoranz mag ein Allheilmittel sein, aber im Falle der Großmutter kommen die Kinder damit nicht weiter. Ihre Demenz ist so fortgeschritten, dass sie schließlich in ein Heim soll. Doch dann entscheiden die Enkel erstaunlich naiv: Wir kümmern uns gemeinsam um Oma!
Natürlich haben in "Das Familienfoto" alle so viel mit ihrem Leben zu tun, dass es zu allerlei komischen Szenen kommt. Da wird geknutscht, gebrüllt und im Anschluss bereut, wie in jedem Familienfilm, um dann im letzten Drittel zu Herzen gehende Szenen anzuhäufen. Das ist alles nichts Neues, und auch das Drehbuch ist höchst durchschnittlich.
Dass man diesen Film dennoch gerne sieht, ist den sympathischen Hauptdarstellern zu verdanken. Vanessa Paradis trägt ihre Unentschlossenheit in Liebesdingen charmant zur Schau, und Pierre Deladonchamps spielt mit jugendlicher Freude. Camille Cotin ist für die humorvolle Seite zuständig. Allerdings vergeht ihr das Lachen, wenn sie hört, dass ihr Vater mit 60 noch mal Papa wird, während sie sich ständig mit ihrem Mann streitet, weil sie selbst keine Kinder hat.
R: Cecilia Rouaud (F 99 Min.)
Kinos: City Atelier, Kino Solln, Monopol, Münchner Freiheit, Studio Isabella (OmU), Theatiner (OmU)
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