Goethe vertont: Der West-östliche Divan im Gasteig

Die musikalische Brücke


Goethe war nie im Orient, aber ein großer Kenner orientalischer Kultur. Hier sitzt er von Tischbein porträtiert nicht in der Campagna, sondern vor der Hagia Sophia in Istanbul.

Goethe war nie im Orient, aber ein großer Kenner orientalischer Kultur. Hier sitzt er von Tischbein porträtiert nicht in der Campagna, sondern vor der Hagia Sophia in Istanbul.

Von Adrian Prechtel / TV/Medien

Am Samstag feiert ein Konzert mit den Münchner Symphonikern, dem Pera Ensemble und Herbert Knaup "200 Jahre West-Östlicher Divan" . Er hat in dreijähriger Arbeit komponiert, für das Projekt ein Symphonieorchester und Herbert Knaup gewonnen und geprobt. Jetzt feiert sein Werk Goethe, dessen "West-östlichen Divan" und die Neugierde auf den Orient. Ein Interview mit dem Münchner Komponisten Mehmet Yesilçay.

AZ: Herr Yesilçay, gerade wird wieder diskutiert, ob jeder, der in Deutschland Abitur macht, den "Faust" gelesen haben muss. Goethe ist als Großmeister unter den deutschen Dichtern und Denkern ja eiserner deutscher Kultur-Konsens. Sie betonen jetzt seine orientalische Seite.
MEHMET YESILÇAY: Goethe hat sich bereits in jungen Jahren mit dem Orient beschäftigt. Er war nicht der erste, aber er ist weiter gegangen als alle anderen und hat nicht nur auf die Poesie geblickt, sondern sich für die Autoren interessiert: Wer schreibt da warum so etwas?

Da kam er natürlich zwangsläufig auch auf den Islam.
Mit 23 Jahren hat er eine Ode über den Propheten Mohamed geschrieben - auch als Gegenwerk zu einem Pamphlet von Voltaire. Der Islam hat ihn fasziniert. Es gibt eingestreute Koranzitate in Briefen, im "Werther" in "Faust". Und zur orientalischen Poesie hat er alles zusammengetragen, was auf Deutsch, Französisch und Englisch darüber zu bekommen war - und auch lateinische und italienische Texte. Er hatte da eine mächtige Bibliothek, die Texte aus über sechs Jahrhunderten umspannte.

Sein "West-östlicher Divan" ist ein späteres Werk, das vor 200 Jahren zum ersten Mal erschienen ist.
Das 12-bändige Werk ist eine begeisterte geistige Reise in den Orient, ohne je - wie Karl May und der Wilde Westen - da gewesen zu sein. Und Mohammeds Reise von Mekka nach Medina hat er sich als Beispiel einer geistigen Entwicklung genommen: vom Flüchtenden zum Anführer.

Goethe schreibt über den "edlen Osten" über die persische, arabische, türkische Literatur - und geht eben weit über die Hommage an den persischen Dichter Hafiz, seinen "Zwillingsbruder" hinaus.
Goethes Fazit: "Wer sich selbst und andere kennt, / Wird auch hier erkennen: / Orient und Okzident / Sind nicht mehr zu trennen." Und das Tolle ist: Auch der Orient selbst - wie zum Beispiel der pakistanische Philosoph und München- und Heidelbergstudent Muhammad Iqbal - hat auf Goethes Werk geblickt und gesagt: Das ist ein Meisterwerk, weil es eben nicht die Lust an einem modischen Exotismus bedient, sondern fundiert ist.

Ganz wenige Teile des "West-östlichen Divans" wurden bisher vertont - unter anderem von Felix Mendelssohn Bartholdy oder Robert Schumann.
Ich komme ja selbst aus der orientalischen Tradition, über die Goethe schreibt. Aber ich kenne genauso die klassische deutsche Kultur, aus der Goethe stammt. Und als Komponist fühlte ich mich vor allem dem Goethe-Text verpflichtet, der mich seit meiner Kindheit mit 13 Jahren fasziniert. Ich bin also nun, zum 200. Geburtstag des Divan, auf der musikalischen Seite die Brücke, die Goethe auf der sprachlichen, philosophischen, lyrischen Seite ist. Aber ich maße mir natürlich nicht an, das Niveau Goethes zu haben, auch wenn ich seit 40 Jahren Musik mache und komponiere. Und vor drei Jahren - im Hinblick auf die 200-jährige Jubiläum des Werkes - habe ich angefangen zu komponieren.

Solisten, Symphonieorchester, Ihr Pera Ensemble und ein Sprecher - in München Herbert Knaup: das ist groß angelegt.
Das Projekt hat vor drei Jahren begonnen - und jetzt ist es aufführungsreif! Der Chor ist hier ein "sehender" - wie im antiken Theater. Und wir setzen auch orientalische Instrumente ein. Es gibt in den gut zwei Stunden auch viele Lieder, die allein stehen können. Für mich ist das Schöne, dass das Werk - in einer kammermusikalischen Version - auch als Unterrichtsmaterial zur Ausbildung von Musiklehrern an der Uni Heidelberg hergenommen wird.

Wenn Sie die Zeitung aufschlagen, müsste doch ihr Herz bluten, wenn Sie Richtung Türkei blicken.
Ich habe auch noch - leider sehr aktuell - ein paar "Faust"-Passagen eingestreut: "Wenn hinten, tief in der Türkei, die Völker aufeinanderschlagen..."

Das Konzert am Samstag ist ja ein Gemeinschaftsprojekt der Münchner Symphoniker mit der interkulturellen Organisation "Respect us".
Das passt. Die Aufführung kann manchen Leuten das Feindbild "Islam" nehmen, weil die Verwobenheit mit der westlichen Kultur deutlich wird. Wenn ich das behaupte, heißt es vielleicht, "Der Türke da macht Propaganda!". Aber ich sage: Selbst der Altmeister und Kronzeuge deutscher Kultur, Goethe, bezeugt das! Und das gibt umgekehrt ja auch Türken ein gutes Gefühl hier in Deutschland.

Samstag, 26. Oktober, 20 Uhr, Philharmonie im Gasteig: "200 Jahre West-östlicher Divan", Jubiläumskonzert, Münchner Symphoniker, Pera Ensemble, Herbert Knaup (Sprecher), 26 - 66 Euro, 54 81 81 81, alle Vorverkaufsstellen und Abendkasse

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