Kultur

Drei Frauen allein im Wald

Gabriel Barylli inszeniert in der Komödie im Bayerischen Hof sein Stück "Eine Mutter… zwei Töchter"


Weibliche Aussprache mit Anne-Catrin Wahls (links) Felicitas Hadzik und Christine Neubauer.

Weibliche Aussprache mit Anne-Catrin Wahls (links) Felicitas Hadzik und Christine Neubauer.

Von Mathias Hejny

Claus Peymann soll ihn als den Botho Strauss Österreichs gefeiert haben. Das Magazin "Cosmopolitain" sieht in Gabriel Barylli "Europas Antwort auf Woody Allen". Schon sein rund 30 Jahre altes Frühwerk mit Stücken wie "Butterbrot" oder "Honigmond" wird noch gerne gespielt und er liefert weiterhin zuverlässig neue Komödien. Sein jüngstes veröffentlichtes Stück ist "Eine Mutter… zwei Töchter". Es erzählt von drei Frauen bei einem Picknick anlässlich des 35. Geburtstags der jüngsten Tochter. In der Regie des Autors ist es nun in der Komödie im Bayerischen Hof zu sehen.

AZ: Herr Barylli, die Schauplätze von Boulevardtheater sind meistens elegant möblierte Wohnzimmer oder schicke Lofts, vorzugsweise mit gut ausgestattetem Bar-Bereich. Sie schicken nun Ihre drei Protagonistinnen in den Wald. Wie kommt das?

Gabriel Barylli in der Komödie im Bayerischen Hof.

Gabriel Barylli in der Komödie im Bayerischen Hof.

Gabriel Barylli: Das fängt damit an, dass ich keine Boulevardstücke schreibe, aber Boulevardtheater diese Stücke gerne spielen. Es gibt unterschiedliche Genres: Die Boulevardkomödie, die Slapstickkomödie, die Tragikomödie und ich schreibe die klassische Komödie. Woody Allen hat einmal gesagt: "Komödie ist Tragödie plus Timing." Das heißt, in meinen Stücken kommen Menschen zusammen, die in Wahrheit ein großes Rätsel darüber mit sich tragen, wie ihr Leben sein soll. Wenn sie aufeinandertreffen und unterschiedliche Weltanschauungen aufeinanderprallen, hat das einen komischen Charakter. Wenn drei Frauen von der Mutter bis zur jüngsten Tochter über verschiedenste Vorstellungen von Liebe reden, kann das letztlich nur komisch werden und wir sind bei einer Komödie.

Sie persönlich sind ein Vater mit zwei Söhnen. Ist ein Stück einer Mutter und zwei Töchtern Ausdruck Ihrer feministischen Seite?

Ich habe festgestellt, dass meine Stücke immer in einem Pendelschlag kommen. Das vorige Stück hieß "Fünf Männer". Es hatte vor zwei Jahren in Wien Premiere. Da geht es um vier Männer, die für einen Männerabend bei einem Lieferservice bestellen. Das Essen wird von einem Moslem gebracht und die vier anderen laden ihn ein, dabei zu bleiben. Da haben wir zwei Welten, die aufeinanderprallen. Als Nächstes musste es also das Weibliche sein.

Deshalb wohl erinnert die ganze Szenerie ein wenig an einen Vatertags-Ausflug: Drei Leute gehen in den Wald, trinken Dosenbier, rauchen Zigaretten und klopfen sexistische Sprüche über das andere Geschlecht. Ist diese Zusammenfassung zu kurz gegriffen?

Nein, das ist nicht zu kurz gegriffen. Wenn nur Männer in einem Raum sind und eine Frau betritt den Raum, ändert sich das Klima. Umgekehrt, wenn nur Frauen da sind und ein Mann betritt den Raum, ändert sich sofort das soziale und emotionale Klima. Wenn ein Geschlecht unter sich ist und sich unbeobachtet fühlt, dann kommen die Wahrheiten heraus, die man dem anderen Geschlecht nicht immer zeigen möchte. Deswegen ist dieses ein Stück ausschließlich für Frauen, weil man durch den Schlüsselloch-Effekt Dinge sieht, die man nicht unbedingt aus dem Alltag kennt.

Dem Vernehmen nach soll Christine Neubauer Ihre Wunschbesetzung für Luise, die Mutter, gewesen sein. Was macht sie zur Richtigen für diese Rolle?

Ich arbeite gerne mit Menschen, die ich schon von anderen Arbeiten her kenne. Dadurch fällt viel Anlaufzeit weg. Ich habe mit Christine vor 25 Jahren "Krambambuli" gedreht, wofür wir die Goldene Romy und den Grimme-Preis bekamen. Wir haben also eine gemeinsame Geschichte, aus der wir wissen, wohin wir mit unserem Beruf wollen. Christine ist gerade in einer Phase ihres Lebens, in der sie über die Grenzen hinweg will, die man von ihr bisher kennt. Diese Rolle gibt ihr die Möglichkeit, sehr weit in tiefe und starke Gefühle jeder Art hinein zu gehen und sich dort zu Hause zu fühlen. Deshalb hatte ich den Wunsch, dass sie die Mutter spielt.

Wie so oft sind Sie auch in diesem Fall nicht nur der Autor, sondern auch der Regisseur. Was können Sie, was Ihre Kolleginnen und Kollegen nicht können?

Das müssen Sie das Ensemble fragen. Ich kann nur sagen, dass ich durch die reale Erfahrung als Schauspieler weiß, was ein Schauspieler in erster Linie braucht. Es gibt viele Regisseure und Regisseurinnen, die noch nie auf einer Bühne standen. Sie können die tiefsten Gefühle, die auch viel mit Vorsicht, auch mit Angst, mit Selbstzweifeln, mit Sorge zu tun haben, nicht nachvollziehen. Ich kann dagegen sehr gut nachvollziehen, wie sich ein Schauspieler fühlt, wenn er beginnt, eine Uraufführung eines Stücks, von dem es keine Erfahrungen gibt, zu erarbeiten. Ich weiß selbst, wie verwirrend dieser Prozess sein kann.

Sie haben das Libretto zum Udo-Jürgens-Musical "Ich war noch niemals in New York" geschrieben, aber wenn man Ausgaben Ihrer Werke recherchiert, stößt man auf einen Verlag, der direkt am Broadway ansässig ist. Wie kommen denn zumindest Ihre Texte nach New York?

Es ist der Hauptsitz meines Verlags und dort freuen sich die Leute, wenn wir nach dieser entsetzlich langen Pause wieder weiterkommen.

Werden Ihre Stücke auch in den USA gespielt?

Ich habe selbst eine englischsprachige Fassung dieses Stücks geschrieben, die wir zuerst im English Theatre in Wien herausbrachten. Dann sind wir vom Österreichischen Kulturforum, das in New York ein eigenes Theater betreibt, dorthin eingeladen worden. Das war eine der schönsten und verrücktesten Erfahrungen meines Lebens. Ein Kritiker schrieb: "Österreich hat nicht nur die Sängerknaben und die Lipizzaner, sie haben auch Theater".

Komödie im Bayerischen Hof, Premiere am 9. März, danach bis 30. April, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 29161633