Ein Roman über den Kunstbetrieb

„Ein Mann der Kunst“ von Kristof Magnusson


Der Schriftsteller Kristof Magnusson.

Der Schriftsteller Kristof Magnusson.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

In seinem Roman "Ein Mann der Kunst" nimmt Kristof Magnusson den Kulturbetrieb amüsant unter die Lupe

Man kann ihn gar nicht besser erfinden, diesen KD Pratz. Seine Bilder werden für Millionen gehandelt, ganz oben steht er im Ranking der deutschen Maler, weil er in allem entschiedener ist als Richter, Kiefer, Baselitz, egal, welche Ismen gerade angesagt sind.

Doch der Kunstbetrieb geht ihm mächtig auf die Nerven, die seltenen Interviews arten grundsätzlich in globale Beschimpfungen aus. Die Welt ist ja auch so schlecht geworden, so verlogen, oberflächlich, und dann noch dieser Turbokapitalismus! Deshalb hat sich dieser selbstmitleidige Misanthrop schon vor zwanzig Jahren auf einer eigenen Burg im Rheingau verschanzt, also kurz nach der sehr öffentlichkeitswirksamen Affäre mit der Performance-Königin Marina Abramovic.

Ob und was er überhaupt noch malt, weiß nicht einmal sein Galerist Johann König. Sicher ist nur, dass der Burgherr kürzlich eine Drohne abschoss - Paparazzi auf Spionageflug, argwöhnte KD Pratz, der weit über Europa hinaus zum Symbol für die künstlerisch-geniale Weltabkehr geworden ist. So einen lockt man allenfalls mit Unsterblichkeit aus der Reserve, in diesem Fall mit einem eigenen Museum.

Trockenobst und alte Getreidesorten

Für seinen neuen Roman "Ein Mann der Kunst" ist Kristof Magnusson tief eingetaucht in den Kosmos der Kuratorinnen und Direktoren, der ministerialen Kulturfunktionäre von Monika Grütters Gnaden und - um sie geht es vor allem - der Fördervereine. Rechtsanwälte, esoterisch angehauchte Personalberaterinnen, mindestens einer mit Einstecktuch und richtig viel Geld, pensionierte Pastorenehepaare "in naturtrüben Blusen und Hosen", Bildungshungrige mit Hang zu Trockenobst-Snacks und viele Lehrer tummeln sich in diesen Vereinigungen, die in Zeiten gegründet wurden, als "Theaterskandale spannender waren, als die Entdeckung alter Getreidesorten".

Auch Ingeborg gehört zu diesen Streitern für das Gute, Wahre, aber nicht zwingend Schöne. Die ziemlich emanzipierte Psychotherapeutin im Ruhestand ist wahrscheinlich die eifrigste Anhängerin des grandiosen KD Pratz - dessen Chauvinismus ignoriert sie souverän - und Vorsitzende des Fördervereins für das Frankfurter Museum Wendevogel direkt am Main. Die Sammlung in einer überkandidelten Fabrikantenvilla aus dem 19. Jahrhundert hat sich selbstredend der modernen und zeitgenössischen Kunst verschrieben, was sonst.

An jeder Gartentür die Bernwardstür

Magnusson mischt reale Personen, Fakten und präzise konzipierte Fiktionen zu einem süffig aromatischen Cocktail, durchzogen von köstlichen Dialogen. Seine Klientel schildert er so kundig detailliert, dass man meinen möchte, er hätte Jahre seines Lebens in solchen Vereinen verbracht. Und dabei geschmeidigen Kunstexegeten gelauscht, die vor jedem ramponierten Gartentor Bezüge zur Hildesheimer Bernwardstür herstellen.

Er sei tatsächlich immer viel in Ausstellungen gewesen, erklärt der deutsch-isländische Schriftsteller am Telefon in Berlin, und im Freundeskreis würden einige im Kunstbereich arbeiten. Magnusson ist allerdings auch für seine minutiösen Recherchen bekannt, für sein letztes Buch "Ein Arztroman" fuhr er tagelang im Rettungswagen mit. Und er kommt ohne besondere Überzeichnungen aus. Das hat im Vergleich zu überdrehten Satiren wie Ruben Östlunds Kinofilm "The Square" etwas anziehend Unaufgeregtes.

Wobei die Gschaftlhuberei um das Museumserweiterungsprojekt und das Gieren nach der Gunst des KD Pratz am Ende aberwitzige Wendungen nimmt. Ein absurdes Theater spielt sich dann am Rheinufer ab, eine Kamikaze-Tour der Kunst sozusagen. Und selbst das könnte in der Realität so ablaufen. Vorausgesetzt, der Dompteur trägt einen großen Namen.

Kristof Magnusson: "Der Mann der Kunst" (Kunstmann Verlag, 238 Seiten, 22 Euro, Hörbuch, gelesen von Devid Striesow, 20 Euro); der Autor liest am 9. Oktober im Literaturhaus