Langjähriger Intendant der Staatsoper

Ein Nachruf auf Sir Peter Jonas


Sir Peter Jonas in der Intendantenloge des Nationaltheaters.

Sir Peter Jonas in der Intendantenloge des Nationaltheaters.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Peter Jonas hat seinen langen Kampf gegen den Krebs verloren: Der langjährige Intendant der Staatsoper starb am Mittwoch im Alter von 73 Jahren.

Es gibt eine Geschichte der Bayerischen Staatsoper vor Sir Peter. Und es gibt die Jahre danach, die auf seiner Intendanz aufbauen. 12 entscheidende, ja prägende Jahre leitete der britische Kulturmanager das Haus am Max-Joseph-Platz. Als er es 2006 verließ, war es nicht mehr nur ein Opernhaus, sondern ein kommunikatives Zentrum. Am Mittwoch abend verlor Peter Jonas seinen 45-jährigen Kampf gegen den Krebs. Er wurde 73 Jahre alt.

"Die Bayerische Staatsoper prägte der in London Geborene in einzigartiger Weise, definierte das Gefühl und Verständnis ihres Publikums für Musiktheater vollkommen neu und positionierte diese Kunstform weit über München hinaus in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts", so sein Nachfolger Nikolaus Bachler. "So war Peter Jonas für München ein Glück - mit englischem, oftmals das Absurde streifenden Humor und großer Disziplin und britischer Coolness schuf der Kinofan und allem Visuellen aufgeschlossene Sir Peter hier einen neuen Blick auf die Opernkunst. Seit der Ära Jonas hört das Publikum in München (auch) mit den Augen."

Vor Peter Jonas war die Bayerische Staatsoper unter Wolfgang Sawallisch ein Hort der konservativen Oper, musikalisch zwar erstklassig, aber letztlich gediegen langweilig, wenn man die wirbelwindartige Intendanz von August Everding (1977 - 1982) ausnimmt, der manches vorwegnahm, was erst sein Nach-Nachfolger ganz verwirklichen konnte.

Verkaufskunst und Publikumsnähe

Erst seit den mittleren 1990er Jahren beschlich einen jeden Abend beim Passieren des Max-Joseph-Platzes den Eindruck, man könnte etwas verpassen, wenn man nicht im Nationaltheater sitzen würde, was einem unter Sawallisch-Ära nur passierte, wenn man ein Wagner- und Strauss-Aficionado härtester Sorte war.

Peter Jonas hatte zwar eine Handgranate auf dem Schreibtisch liegen, aber nicht jede seiner Premieren war ein Knaller. Der Intendant glich dies aber mühelos mit einer exzellenten Verkaufskunst und Publikumsnähe aus, etwa in exzentrischen Auftritten in der Silvester-"Fledermaus". Seine Regisseure überrumpelten das Münchner Publikum durch starke Bilder. Der Dinosaurier aus "Giulio Cesare in Egitto" wurde zum Markenzeichen. Aber auch der Feuermann im "Ring" und die Wunderkerze aus "L' Orfeo" hafteten noch lange im Gedächtnis.

Für Händel- und Monteverdi-Fans waren es goldene Jahre, wer Verdi oder Richard Strauss vorzog, erlebte vergleichsweise dürre Zeiten, auch wenn das Nationaltheater unter dem Generalmusikdirektor Zubin Mehta erstklassig blieb.

Der späte Peter Konwitschny brachte mit "Parsifal" und "Tristan" zwei gute und mit dem "Holländer" eine flaue Wagner-Inszenierung heraus. David Alden lieferte zwar 15 Inszenierungen, doch nie war er wieder so gut wie bei seinem Debüt mit "Tannhäuser". Mit dem "Ring" hatte Sir Peter allerdings Pech, weil der Regisseur Herbert Wernicke nach "Rheingold" verstarb und auf diese Weise gnädig vergessen ließ, dass er auch nur seine Brüsseler Inszenierung in neuer Ausstattung wiederholen wollte.

Die große Öffnung

Das Traditionspublikum lernte durch Peter Jonas das anzusehen, was es eigentlich gar nicht mochte. Für viele wurde daraus Neugier auf unbekanntes Terrain. Und zusammen mit neuen Besuchern und einem Hauch von Spaßgesellschaft reichte es am Ende immer für eine Auslastung von 97 Prozent.

Herzstück der Ära von Sir Peter war die Öffnung des Hauses. Er strahlte eine einladende Leichtigkeit aus, und zwar als Person und in Aktionen wie den 4000 Gartenzwergen des Künstlers Ottmar Hörl vor dem Nationaltheater anlässlich der Opernfestspiele 1998.

Mit der Festspielnacht in den Fünf Höfen und "Oper für alle" versuchte er, Menschen jenseits des traditionellen Opernpublikums anzusprechen und Sponsoren zu gewinnen. Peter Jonas hat zwar weder Freiluftkonzerte noch die Übertragung einer Aufführung auf eine Leinwand vor dem Theater erfunden. Aber für München (und Deutschland) war das sogenannte "Public Viewing" neu. Und Jonas blieb dran und stiftete durch Wiederholungen eine Tradition.

Die britische Offenheit half im dabei. Der in London geborene Sohn eines Deutschen und einer Frau mit spanisch-libanesisch-schottischen Wurzeln studierte erst Anglistik und Literaturwissenschaft. In den 70er Jahren wurde er Manager des Chicago Symphony Orchestra unter Georg Solti, 1984 wechselte er als Generaldirektor zur English National Opera nach London, die er zu einer der innovativsten Bühnen mit zeitgenössischem Musiktheater und jungen Regisseuren ausbaute. Die brachte er dann, mit der dezenten Staubschicht des Etablierten versehen, an die Isar mit, wo lange Jean-Pierre Ponnelle das Extrem des Avancierten markierte.

Ein großer Europäer

Schon bei der ersten Verlängerung seines Vertrags an der Bayerischen Staatsoper fürchtete die "Abendzeitung", er könne diesen wegen seiner Krankheit nicht erfüllen. 2018 berichtete er in einer Rundmail von neuen Tumoren und bat gleichzeitig um Verständnis dafür, wenn man eine Zeitlang nichts von ihm höre. "Ich will meine ablaufende Pacht auf dieser Erde nicht beenden… noch nicht!", schrieb er damals. Voriges Jahr besuchte er, bereits stark geschwächt, noch die Festspielpremiere von Händels "Agrippina" im Prinzregententheater. Zuletzt erholte er sich dem Vernehmen nach von den Folgen eines Sturzes bei einem Spaziergang in Zürich in einer Klinik in Oberbayern.

München kannte Peter Jonas lange vor seiner Intendantenzeit: In den 70er Jahren war er mit der Sopranistin Lucia Popp liiert und hörte sie im Nationaltheater unter Carlos Kleiber singen. Auch nach seinem Abschied vom Nationaltheater blieb die Stadt seine zweite Heimat, wenngleich er viele Jahre in der Schweiz wohnte. Seine Witwe Barbara Burgdorf ist Konzertmeisterin des Bayerischen Staatsorchesters.

Mit ihr erfüllte er sich den Traum, Europa zu Fuß von Nord nach Süd zu durchqueren. In mehreren Etappen marschierte er 5000 Kilometer von der Nordspitze Schottlands nach Sizilien. Im April 2015 kam er in Palermo auf Sizilien an. "Ich habe so viel gelernt über Europa, ich habe verstanden, warum das Konzept Europa so wichtig ist und der Brexit so katastrophal", erzählte er im Herbst 2016. "Ich habe erfahren, wie unterschiedlich wir sind und wie viel wir gemeinsam haben."