Kultur muss für alle sein

Kulturreferent Hans-Georg Küppers verabschiedet sich


Selbstironisches Amtszeitfazit? Kulturreferent Hans-Georg Küppers im Kreativquartier Dachauer- Ecke Leonrodstraße.

Selbstironisches Amtszeitfazit? Kulturreferent Hans-Georg Küppers im Kreativquartier Dachauer- Ecke Leonrodstraße.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien



AZ: Herr Küppers, am 28. September eröffnen die Kammerspiele die letzte Saison des Intendanten Matthias Lilienthal mit "König Lear". Wo werden Sie an diesem Abend sein?
HANS-GEORG KÜPPERS: Da werde ich auf jeden Fall in den Kammerspielen sein.

Sie bleiben also in München.
Meine Frau und ich bleiben hier in München. Ich wüsste jetzt keinen durchschlagenden Grund, aus dieser doch sehr attraktiven und lebenswerten Stadt wegzuziehen.

Sie sind im Ruhrgebiet geboren, aufgewachsen und waren dort auch beruflich bis zu Ihren Wechsel nach München tätig. Die Stadt hat Sie also überzeugt?
Wir haben es nie bereut. Aber es kann natürlich sein, dass wir eines Tages wieder zurück ziehen. Unsere Tochter wohnt dort, wir haben dort Geschwister, Neffen, Freunde. Wenn wir einmal Unterstützung brauchen, dann ist diese enge soziale Bindung etwas sehr Wertvolles.

Sie können nun im Ruhestand erstmals die Münchner Kultur ganz entspannt genießen.
Das ist ja das Schöne am Rentnerdasein. Man kann, man muss aber nicht. Und ich bin jetzt auch nicht mehr als Ansprechpartner interessant für all diejenigen, die sehr wichtige Kulturprojekte für die Stadt vorhaben und kein Geld haben. Vor allem kann ich ab dem 1. Juli Fehler machen - und die stehen am nächsten Tag nicht in der Zeitung.

Was war denn Ihr größter Fehler als Kulturreferent?
Ich habe mit Sicherheit Fehler gemacht, aber meist solche, die nicht pressewirksam wurden. Aber einen richtig dicken Bock? Nein, da müsste ich mir etwas ausdenken.

Viele Menschen würden jetzt wohl Matthias Lilienthal nennen, den Sie als Intendanten an die Kammerspiele berufen haben.
Ich würde mit aller Vehemenz bestreiten, dass dies ein Fehler war. Es war eine folgerichtige und klare Entwicklung nach Frank Baumbauer und Johan Simons. Die Öffnung des Theaters und die neuen Impulse, die Matthias Lilienthal gebracht hat und bringt, haben Reibungen erzeugt. Ich bin über jede Abonnentin und jeden Abonnenten traurig, die nicht mehr kommen. Gleichzeitig freue mich über ein zusätzliches junges Publikum. Und ich glaube, dass die Reibung auch Relevanz erzeugen kann. Vielleicht sieht man das im Rückblick klarer.

Sie haben sich gelegentlich, zum Beispiel im Vorfeld der #ausgehetzt-Demo, auch politisch klar geäußert.
Wichtig war mir immer, nicht parteipolitisch aufzutreten, obwohl ich - aus Überzeugung - in der SPD bin. Aber wenn es um allgemeine gesellschaftliche Probleme geht, ist es notwendig, seine Meinung ohne Scheu zu äußern. Ich war bei der #ausgehetzt-Demo von Anfang an dabei und klitschnass bis auf die Knochen. Es war ein bewegender Tag und ich fand es unabdingbar, dass man gegen den unerträglichen Umgang mit Menschen, die vor Krieg und Hunger fliehen, ein Zeichen setzt. Ich finde, dass wir im Kulturbereich deutlich gefordert sind, unsere Stimme zu erheben gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, aber auch gegen Demokratiefeindlichkeit.

Hat es Sie überrascht, dass so viele Menschen an der Demonstration teilnahmen?
Nein, ich habe diese Erfahrung in München schon öfter gemacht. Zum Beispiel als aufgerufen wurde, gegen Pegida zu demonstrieren. Da kamen zehntausende Menschen. Das war ein deutliches Zeichen, dass die Münchnerinnen und Münchner Pegida nicht auf ihren Straßen gewähren lassen. Das habe ich in dieser Größenordnung in anderen Städten nicht gesehen.

Man hat manchmal das Gefühl, die Kultur spielt keine so große Rolle in der SPD.
Das stimmt schon historisch nicht. Volkshochschule, Arbeiterbildungsvereine sind aus der SPD gewachsen, das Volksbibliothekswesen ebenso. Es ist in der SPD angelegt, die Kultur für ein wichtiges Thema zu halten. In den letzten Jahren hat sich das ebenfalls deutlich gezeigt.

Im Stadtrat hat zuletzt die SPD gegen den Vorschlag des Kulturreferenten zur Generalsanierung des Gasteigs gestimmt.
Das ist Demokratie. Ich bin Kulturpolitiker. Mir scheint es am sinnvollsten, den Gasteig in Gänze für alle Institute, die Volkshochschule und die Stadtbibliothek umzubauen. Und zwar so, dass er in den nächsten 30 Jahren gut bestehen kann. Und wenn jetzt die Fraktion und der Oberbürgermeister dazu eine andere Meinung haben, dann nehme ich das zur Kenntnis, wechsele meine Meinung dazu aber nicht.

Da Sie uns Ihren größten Misserfolg nicht verraten wollen, was war denn Ihr größter Erfolg?
Das wichtigste Projekt, das wir umgesetzt haben, ist das NS-Dokumentationszentrum, das zeigt sich gerade in der heutigen Zeit. Ich bin froh, dass wir diesen Ort der Erinnerungskultur und des Lernens aus der Vergangenheit geschaffen haben. Ansonsten habe ich mich über die Eröffnung des UBO 9 in Aubing genau so gefreut wie über die Monacensia, die wir umfassend neu gestaltet haben. Mir ist das Haus Buchenried der MVHS genau so wichtig wie die Wiedereröffnung des Deutschen Theaters. Ich habe die Kulturpolitik, die ich betreibe, immer unter dem Stichpunkt der Teilhabegerechtigkeit gesehen. Die dezentralen Kulturzentren sind mir gleich viel wert wie die weit nach außen strahlenden Philharmoniker oder das Lenbachhaus.

In Ihrer zwölfjährigen Tätigkeit hat sich der Kulturetat von 149 auf 220 Millionen Euro gesteigert. Wieviel Geld bräuchte man denn, damit alle zufrieden sind, auch die Freie Szene?
So viel Geld gibt es überhaupt nicht.

Sie haben gerade für die Freie Szene viel Geld erkämpft und ein anderes Fördermodell eingeführt. Kritisiert wurden Sie dennoch. Ist das ein Dauerbrenner?
Ja, das denke ich schon, obwohl wir das Modell gemeinsam mit der Freien Szene entwickelt haben. Ich habe damals gesagt: Ich muss nicht gefördert werden, Ihr sollt gefördert werden. Sagt mir, was für Euch hilfreich ist. Daraus haben wir das Modell entwickelt. Aber es gibt immer Einzelne, die das dann doch wieder infrage stellen.

Die Strahlkraft der Freien Szene Münchens ist dennoch überschaubar und stark regional geblieben.
Es gibt durchaus Erfolge: Anna Konjetzky oder Richard Siegal zum Beispiel sind Künstler, die durch unsere Förderung europaweit sichtbar wurden. In einzelnen Fällen gelingt so etwas.

Früher gab es monatelange öffentliche Debatten um den Posten des Kulturreferenten, ihre Stabübergabe an Ihren Stellvertreter Anton Biebl verlief vollkommen geräuschlos. Auch alle anderen Parteien waren mit der Entscheidung einverstanden.
Es tut mir Leid, ich weiß, so etwas ist total langweilig für die Presse. Aber es ist eine gute Entscheidung. Wir arbeiten seit neun Jahren eng zusammen. Er weiß, wie die großen Projekte laufen. Und wir haben ja von der Sanierung des Stadtmuseums, über den Gasteig bis zum Bau des Volkstheaters noch sehr viel vor uns. Was wir gemeinsam gemacht haben, war nicht schlecht.

Was machen Sie nun mit der neu gewonnenen Freiheit?
Ich wandere gerne mit meiner Frau, ich fotografiere auch gerne. Ich war die letzten zwölf Jahre häufig fünf Abende die Woche als Kulturreferent unterwegs. Ich möchte jetzt wieder alte Freundschaften intensivieren, die mir viel bedeuten. Wir werden also keine Weltreise machen und ich werde keine Memoiren schreiben. Wir werden einfach lernen, München und die Umgebung zu genießen.

In ziemlich desolatem Zustand war die Münchner Kulturpolitik als Hans-Georg Küppers am 1. Juli 2007 als neuer Münchner Kulturreferent begann. Seine überforderte und beratungsresistente Vorgängerin Lydia Hartl hatte ihm einen Scherbenhaufen hinterlassen. Doch dem Mann aus dem Ruhrgebiet gelang es schnell, mit seiner uneitlen Art und seinem trockenem Humor die Gemüter zu beruhigen und sich den Respekt der nahezu gesamten Kulturszene zu erarbeiten. Nun geht Küppers in den Ruhestand, Anton Biebl übernimmt zum 1. Juli das Referat in der Burgstraße.