Die AZ-Kinokritik

"Late Night" mit Emma Thompson


Die neue Autorin Molly Patel (Mindy Kaling, links) rettet ihre Chefin Katherine Newbury (Emma Thompson).

Die neue Autorin Molly Patel (Mindy Kaling, links) rettet ihre Chefin Katherine Newbury (Emma Thompson).

Von Volker Isfort / TV/Medien

Emma Thompson überzeugt in "Late Night" als zynische Moderatorin, die in eine Krise gerät

Wer glaubt, Frauen seien die besseren Menschen oder Chefinnen wird sich nach dieser bitterbösen Komödie die Augen reiben. Die 56jährige Katherine Newbury ist autoritär, ungerecht, egoistisch. Ihre nur männlichen Mitarbeiter nennt sie nicht beim Namen, sondern bei Nummern. Wer aufmuckt, fliegt raus.
Das ging 30 Jahre gut. Jetzt bröckelt die Quote. Der Exil-Britin, die einzige Frau mit einer eigenen Late-Night-Show in den USA, wird vorgeworfen, Frauen zu hassen und nur noch lieblos das Programm herunter zu nudeln. Die Senderchefin fordert frischen Wind und stellt auch schon den Nachfolger vor: einen hippen und natürlich jüngeren Comedian.
Da schrillen die Alarmsirenen und Katherine heuert in der Not die völlig unerfahrene Molly an, um die Show aufzupeppen. Und zwar subito. Die tritt erst in jedes Fettnäpfchen, mischt dann die müde Mischpoke auf und lässt sich nicht den Mund verbieten. Mit modernen Witzen und charmantem Auftreten rettet sie Karriere und Image der TV-Moderatorin, die plötzlich weiche Seiten an sich entdeckt.
Ein schlagkräftiges Team: Emma Thompson als arrogante Zicke und mediale Frontfrau mit coolem britischen Humor und Mindy Kaling als unbekümmerte Newcomerin mit Format und Köpfchen werfen sich die Bälle zu und liefern sich knallharte Wortgefechte, junge Ideen gegen bräsige Routine. Dass alles so stimmig wirkt, liegt nicht nur Regisseurin Nisha Ganatra, sondern vor allem am Drehbuchfeuerwerk von Kaling. Die Schauspielerin, Autorin und Produzentin gilt als Pionierin der Unterhaltungsbranche, erlebte die männlichen Seilschaften hautnah. Als erste Frau und erste Farbige gehörte sie zum Autorenteam der Sitcom "The Office", entwickelt eine eigene Serie.

Auch die Presse bekommt ihr Fett ab

Die bissigen Pointen zünden bei diesem Rundumschlag, der den herrschenden Sexismus und Machismo hinter den Kulissen entlarvt, Jungendwahn und Run auf soziale Medien, das peinliche Andienen an YouTuber und Influencer. Und beweist süffisant, wie man mit einigen Tricks und messerscharfen Verstand das hierarchische System überlisten kann.
Auch die kritische Presse kriegt ihr Fett ab, die schnell gnädig gestimmt ist - da muss man nur mit Blick auf die Geschlechterquote eine Frau engagieren, dazu noch indischer Abstammung. Das kommt immer gut an. Einen weiteren Punktsieg kann die Talk-Ikone einfahren, wenn sie sich für eine Affäre und andere nicht korrekte Kleinigkeiten entschuldigt - wie sie es innerlich zähneknirschend, aber nach außen lächelnd dem Zeitgeist entsprechend tut. Auch das pflichtschuldige Menscheln kommt nicht zu kurz durch die Beziehung der taffen Geschäftsfrau zu ihrem an Parkinson erkrankten Gatten, der ihr Halt in schweren Stunden bietet. Dazu ein Appell an weibliche Solidarität und ein Aufruf zur Diversität. Die Mischung macht´s. Und die ist hier gnadenlos gut.


Kinos: Cinema, Museum-Lichtspiele (beideOV), Astor Lounge im Arri (auch Omu und OV), City (auch OmU), Gloria (auch OV), Mathäser (auch OV), Monopol (OmU), Cinemaxx, Leopold