Kultur

Michael Mittermeier im Circus Krone

Der Comedian setzt sich mit Autofahrern, weißen Männern und Jesus auseinander


Ein bisschen Moral darf auch sein. Und Michael Mittermeier steht sie im Circus Krone ganz prima.

Ein bisschen Moral darf auch sein. Und Michael Mittermeier steht sie im Circus Krone ganz prima.

Von Anne Fritsch

Was ist nur mit den Leuten los? Alle sind so furchtbar angespannt. Der Autofahrer, den man freundlich fragt, ob er gerade ausparkt. Der "Teslaner" an der Diesel-Tanksäule. Der Social-Media-Schwarm, wenn es ums Grillen geht. Mit Schimpfwörtern von "Dieslamist" über "Gemüse-Nazi" bis "Systemwichser" sind sie schnell dabei, die analogen und digitalen Hater.


Nur Michael Mittermeier bemüht sich, entspannt zu bleiben. Ob nun bei der Darmspiegelung oder im Umgang mit seiner 15-jährigen Tochter. Der Comedian präsentiert sein neues Programm mit dem schlichten Titel "#13" im Circus Krone. Eigentlich ist es schon das 15. - wegen Corona, und überhaupt hat sich da allerlei dazwischen geschoben und ist durcheinandergeraten. Aber die Plakate waren schon gedruckt, und die 13 ist ja auch eine gute Zahl irgendwie.

Mittermeier jedenfalls tut seine neue Reife gut. Neben jeder Menge schneller Gags, die natürlich wie geplant zünden, wird er immer wieder ziemlich persönlich. Statt sich über andere lustig zu machen, sucht und findet er die Komik im eigenen Umfeld, vor allem: in sich. Und was da aus ihm herauskommt, ist nicht nur unerwartet viel Luft nach der Darmspiegelung ("Das hat mir vorher keiner gesagt!"), sondern auch ziemlich viel Privates.

Da ist der Vater, der ein Wespennest aussaugen will und schließlich den ganzen Staubsauger als "Insektenhotel" in einen Baum im Garten hängt, weil die Viecher es sich darin häuslich eingerichtet haben. Und natürlich die Tochter, die den Vater allein durch ihr Erwachsenwerden herausfordert und aktiv nachlegt, indem sie ihm Sophie Passmanns Buch "Alte weiße Männer - Ein Schlichtungsversuch" schenkt.


Vielleicht ist er der einzige, der Schicksalsschläge wie die vier Totgeburten, die er und seine Frau erlebt haben, würdevoll in ein Comedy-Programm einbauen kann. Ohne die Stimmung zu killen, aber auch ohne den Schmerz zu verharmlosen. Natürlich wäre Mittermeier nicht Mittermeier, wenn er sich jeden derben Scherz versagen würde. Keine Sorge, derer gibt es genug. Ob Bundeswehr, China, Kirche, Prinz König Charles oder die Reality-Show "Love Island": Mittermeier zielt und trifft (meistens) dahin, wo es schon ein bisserl wehtut.

Immer wieder kehrt er aber an diesem Abend zu sich selbst zurück, zum eigenen Älterwerden, das sich nicht nur an den sich verändernden Spam-Mails ablesen lässt. Statt 19-Jährigen werden ihm da nun willige Mütter angeboten.


Am Ende landet er über sehr viele Schleifen bei Jesus, dem "größten Influencer aller Zeiten", der nur zwölf Follower brauchte, um die Welt zu verändern. Seine Botschaft täte auch dem Internet-Gebaren von heute gut: "Like deinen Nächsten wie dich selbst." Damit endet das Programm, der Abend allerdings noch nicht. Statt einer Zugabe dankt Mittermeier den Menschen in seinem Umfeld - und wird auf einmal ganz ruhig und nachdenklich. Er werde oft gefragt und frage sich auch selbst, ob man wirklich alle Themen in Comedy verpacken könne. Er meint: ja. Seine gestorbenen Kinder trage er an jedem Abend auf der Bühne bei sich, warum sollte er nicht über sie sprechen? "Humor ist auch Verarbeitung", denkt er.

Und entlässt das Publikum mit einem alten Song von Wolfgang Ambros, neu interpretiert von seiner Frau Gudrun: "Minderheit". "Jeder ist eine Minderheit", resümiert Mittermeier. Jeder hat ein Handicap. "Wenn jeder das akzeptiert, sind wir alle zusammen eine sehr stabile Mehrheit. Ohne Hate."

Hat irgendwer gesagt, Comedians seien oberflächlich? Mittermeier jubelt seinem Publikum nonchalant eine ganze Menge Tiefgang unter. Ein bisschen Moral hat noch keinem geschadet. Mittermeier jedenfalls steht sie ganz famos.