Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks

Mit Zubin Mehta in Taiwan


Ein bisschen wie auf dem Weg ins Sportstadion schaut's aus, wenn man sich dem neuen Kulturzentrum von Kaohsiung in Südtaiwan nähert

Ein bisschen wie auf dem Weg ins Sportstadion schaut's aus, wenn man sich dem neuen Kulturzentrum von Kaohsiung in Südtaiwan nähert

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit Zubin Mehta auf Asien-Tournee

Der Unterschied könnte krasser nicht sein. Erst am Vortag schreitet ein Wuschelkopf spritzig auf das Podium, um ein Feuerwerk der hohlen Gesten zu entfachen. Am Tag darauf präsentiert sich ein 82-Jähriger, der langsam auf die Bühne wankt - mit Krückstock und gestützt von Mitarbeitern. Er kann nur im Sitzen dirigieren. Man sieht ihm seine Schmerzen an, aber: Sobald die Musik beginnt, wirkt er wie ausgewechselt - wach und agil.

Gustavo Dudamel heißt der feurige Wuschelkopf. Mit den Berliner Philharmonikern stemmte der Südamerikaner das erste Gastspiel eines internationalen Orchesters im neuen Konzertsaal des frisch eröffneten Kulturzentrums von Kaohsiung in Südtaiwan. Am Folgetag ist das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks an der Reihe, mit Zubin Mehta am Pult.

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Zubin Mehta bei einer Probe...

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Zubin Mehta bei einer Probe...

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...und in der Aufführung.

Ungewohnter Schubert

Im direkten Wettkampf ging der Sieg ganz klar nach Bayern, obwohl die Truppe aus München keine Erwartungen bediente. Und das hat schon allein das Programm gezeigt. Während die Berliner unter dem "Showmaster" Dudamel mit dem "Divertimento" von Leonard Bernstein und der Symphonie Nr. 5 von Gustav Mahler auf erfolgversprechenden Effekt und Bombast setzten, lauschten die Münchner nach Innen. Hierfür wählten sie die Symphonie Nr. 3 und die Rosamunde-Ouvertüre von Franz Schubert, gefolgt vom "Heldenleben" von Richard Strauss.

"Eine frühe Schubert-Sinfonie von einem westlichen Orchester in Taiwan? Das habe ich noch nicht erlebt", verrät der taiwanesische Musikkritiker Richard Tseng von "Muzik". Beim "Heldenleben" wurden hingegen keine Überwältigungsstrategien gefahren, sondern die Farben genauestens ausbalanciert.

Dabei stand die Fernost-Tournee des BR-Symphonieorchesters unter einem denkbar ungünstigen Stern. Erst Ende Oktober musste Chefdirigent Mariss Jansons absagen - wegen einer Virus-Infektion. Für ihn sprang Mehta ein, der sich gerade erst von einer Krebsbehandlung erholt hatte. In der vergangenen Saison musste der frühere Staatsopern-GMD und Ehrendirigent der Münchner Philharmoniker viele Termine streichen. Am Freitag vor einer Woche, wenige Tage vor dem Tour-Start, dann der Super-GAU: Die Hüfte schmerzt.

Musik - und die Schmerzen sind weg

"Mir ging es wieder blendend, sonst hätte ich die Tournee nicht gemacht", so Mehta auf Nachfrage. "Der Krebs ist weg, und die Therapie war sehr erfolgreich. Die Ärzte in Los Angeles können das nicht glauben. Wenn ich jetzt nicht die Probleme mit der Hüfte bekommen hätte, wäre alles ganz normal. Aber wenn die Musik beginnt, spüre ich keine Schmerzen mehr. Das geht alles weg. Ich habe keine Ahnung, was da genau passiert, aber es ist die Musik. Ich habe keine Erklärung dafür."

Genau das berichten auch die Musiker. "Ja, er ist körperlich angeschlagen, aber: Nur ein rascher Blick, und alles läuft wie von selbst. Er braucht nicht viele Gesten, alles ist auf Anhieb klar. Das ist wirklich unglaublich." Das berichten der Bratschist Giovanni Menna und der Cellist Samuel Lutzker. Seit 2014 gehören beide zum festen Stamm der BR-Symphoniker. Ähnlich wie sie sprechen auch andere jüngere BR-Musiker von "Glück im Unglück", jetzt mit Mehta die Fernost-Tournee zu machen.

"Wir haben vielleicht das letzte Mal die Gelegenheit, derart intensiv mit diesem bekannten Dirigenten arbeiten zu können. In dieser Notsituation ist das fast schon eine glückliche Fügung", und noch dazu in einem nagelneuen Konzertsaal.
Er sieht edel aus, helles Eichenholz und cremefarbene Stühle, aber: Die Akustik von Albert Xu, auch bekannt von der 2005 eröffneten Philharmonie in Luxemburg, könnte optimiert werden.

Das war erst der Anfang

Mit umgerechnet knapp 306 Millionen Euro war der Bau vergleichsweise preiswert, zumal er noch eine Oper und ein Theater beheimatet sowie Säle für Kammermusik und für Proben. Schon ist von dem "derzeit weltweit größten Kulturzentrum" die Rede. Im Konzertsaal ist der Nachhall etwas lang, sehr direkt und gleichzeitig diffus die Wirkung im Raum.

Trotzdem wurde man Zeuge, wie das "Heldenleben" im glasklaren Klang buchstäblich entschwebte. "Warten's a bisserl", freut sich Mehta im zugereisten Bayerisch. "Das war erst der Anfang der Tournee."