Kultur

Schwung mag doch jeder

Das Rundfunkorchester unter Ivan Repušić mit Verdis "I Lombardi" im Prinzregententheater


Ivan Repu?ić und das Münchner Rundfunkorchester im Prinzregententheater.

Ivan Repušić und das Münchner Rundfunkorchester im Prinzregententheater.

Von Robert Braunmüller

Aus Verdis Frühwerk gehören "Nabucco" und "Macbeth" zum festen Repertoire. Manches, wie der eher langweilige Schiller-Verschnitt "Luisa Miller" wird wegen des nur maßvollen Aufwands und der schönen Tenorarie unverdient oft gespielt, einige höher geschätzte Werke wie "Ernani" oder "Stiffelio" tauchen hin und wieder auf. Nur "Alzira" und die komische Oper "Un giorno di regno" werden mit gänzlichem Vergessen abgestraft.

Die vom Münchner Rundfunkorchester konzertant zu Gehör gebrachte Oper "I Lombardi alla prima crociata" gehören in die vorletzte Kategorie. Die von der stark beschäftigten Piccoloflöte begleiteten Chöre im Polka-Rhythmus sind schmissig, "O Signore, dal tetto natio", die Klage der halb verdursteten Kreuzfahrer, ist fast so berühmt wie "Va pensiero". Das Beste am Textbuch sind die Werbesprüche über die Schönheiten der Lombardei. Die Handlung, ein Familienkonflikt samt Vatermord ist selbst für italienische Opernverhältnisse extrem konfus, weshalb die Bühnen seit 100 Jahren dem Werk nichts mehr abgewinnen können.

In "I Lombardi" fehlt der eigentlich unverzichtbare Bariton. Seine Stelle vertritt der Bass. Der noble Michele Pertusi kam mit der Rolle des zwischen Mönchtum und Vatermord schwankenden Rolle des Pagano nur mäßig gut zurecht: für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Abgründen dieser Figur bräuchte es mehr Schwärze in der Stimme.

Statt eines Tenors gibt es gleich zwei, die sich musikalisch im Weg stehen. Galeano Salas sang die zweitrangige Rolle des Arvino mit einer schönen, hell timbrierten und lyrisch grundierten Stimme mit viel Geschmack. Piero Pritti durfte mit weniger attraktiver, leicht krähender Stimme den Oronte singen: Umgekehrt wäre es erheblich sinnvoller gewesen.

Eine innere Logik hatte diese Besetzung allerdings: Ivan Repušić, der Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters. kann mit den Lyrismen des frühen Verdi wenig anfangen. Der Rückbezug auf Bellini und Donizetti interessiert ihn weniger, Kraftmeierei daher umso mehr. Im Zweifel wurde, auch gegen Verdis explizite Wünsche, laut gesungen. Aber die Aufführungen hatte, was man in hierzulande "Italianitá" nennt. Und wer will sich von Verdis knatterndem Schwung nicht mitreißen lassen?

Große Begeisterung beim Publikum löste Nino Machaidze als Giselda aus: Die eher herb timbrierte Sopranistin meisterte die dramatische Koloraturpartie zwar ausgezeichnet. Als Interpretin blieb sie - vor allem in der frommen Erlösungsvision gegen Ende der Oper - etwas monochrom. Dafür gab sie, höchst wirkungsvoll, mit einem Kleiderwechsel während der Pause und schönen Gesten die große Primadonna. Und das ist, wie die sogenannte Italianitá, in einer solchen Aufführung unverzichtbar.

Der von Stellario Fagone einstudierte Chor des Bayerischen Rundfunks demonstrierte wieder einmal, dass er aus Solisten besteht: Die Mezzosopranistin Ruth Volpert sang absolut gleichrangig mit den übrigen Solisten die kleine Rolle der Sofia, um danach wieder ins Kollektiv zurückzutreten. Auch andere kleine Rollen wurden aus dem Chor gesungen.

Zu den Überraschungen von "I lombardi" gehört das eingebaute Violinkonzert, das der Konzertmeister Stanko Madić so kantabel wie virtuos meisterte. Er begleitete auch die beste Nummer dieser Oper, das Terzett. Sonst enthält "I lombardi" viel musikalische Routine, die man nur einmal im Leben gehört haben muss. Und auch dann nur konzertant.

Der Komponist hat das Werk selbstkritisch als "Jérusalem" für Paris aufbereitet. Diese noch seltener gespielte Version hat ihre eigenen Vorzüge. Aber der französische Verdi sperrt sich gegen die Klischees von Italianitá und ist bei Dirigenten wie Sängern notorisch unbeliebt. Und der ressourcenschonende Verdi des Rundfunkorchesters ohne Fernchöre und Bühnenmusik würde angesichts der dort ausdrücklich verlangten Saxofone auch nicht funktionieren.

Infos zur kommenden Saison des Münchner Rundfunkorchesters unter www.rundfunkorchester.de