Biennale Venedig
So ist der deutsche Pavillon
12. Mai 2019, 17:26 Uhr aktualisiert am 12. Mai 2019, 17:26 Uhr
Leichtigkeit sucht man im deutschen Pavillon vergeblich. Politische Kunst ist ja auch eine bierernste Angelegenheit
Amüsant ist immerhin der Name: Natascha Süder Happelmann klingt nach Loriot. Aber das war's dann auch schon mit den Heiterkeiten, denn im internationalen Wettbewerb sind die Deutschen wieder beinhart bei der Sache.
Steinhart müsst man eigentlich sagen. Im Biennale-Pavillon "Germania" in den venezianischen Giardini liegen Gesteinsbrocken. Und auch der Kopf von Süder Happelmann steckt bei öffentlichen Auftritten grundsätzlich unter einer Steinmaske aus Pappmaschee. Wird sie etwas gefragt, antwortet eine Sprecherin.
Ein Spiel mit dem Lebenslauf
Top secret sollte ihre Identität bleiben, die Kunst allein das Interesse auf sich ziehen. Mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass sich hinter dem holpernden Pseudonym Natascha Sadr Haghighian verbirgt. Die Professorin für Bildhauerei an der Kunsthochschule Bremen spielt mit ihrer Identität und wechselt gerne den Lebenslauf. Vermutlich wurde sie 1967 in Teheran geboren, es könnte aber auch 1979 oder in den 1950er-Jahren in Budapest, München oder Santa Monica gewesen sein.
Doch so verwirrend ihre persönlichen Koordinaten scheinen, so klar ist Süder Happelmann in ihrer künstlerischen Aussage. Unweit der Steine tut sich im deutschen Pavillon ein Urwald aus Eisenstangen auf, aus dem Vogelgezwitscher und das Kreischen wilder Tiere dringt. Was sich zu einer zeitweise ohrenbetäubenden, von Synthie-Klängen unterlegten Kakophonie hochschraubt, sind allerdings keine kreatürlichen Töne. Vielmehr kommen hier einfache Trillerpfeifen zum Einsatz.
Im Ankerzentrum
Mit dieser Installation deutet Sadr Haghighian nicht zum ersten Mal auf Flucht und Migration hin. Auf der Homepage des von Franciska Zólyom kuratierten Pavillons sieht man, wie die deutsch-iranische Künstlerin bayerische Ankerzentren besucht - entsprechend lautet der Titel ihres Beitrags "Ankersentrum" mit irritierendem "S". Dort warnen sich Geflüchtete mit Trillerpfeifen, wenn jemand abgeschoben werden soll. Genauso hat sich Sadr Haghighian auf Tomatenfeldern in Süditalien umgesehen, wo teils grausige Zustände menschlicher Ausbeutung herrschen. Darauf verweisen exakt gestapelte Gemüsekisten mit einem Plakat, das für eine neue Tomatensorte wirbt.
Man kann das durchaus für Kunst mit der Brechstange halten - davon sind genügend im Pavillon verteilt. Andererseits gibt es im Pavillon eine zweite Seite mit den erwähnten Steinen. Zwischen den Brocken windet sich ein dunkles Rinnsal, das aus einer riesigen Betonmauer in der Form eines Staudamms gelaufen ist. Schottet sich da jemand ab? Sind das die eingetrockneten Reste des Fortschritts? Oder droht vielleicht doch die große Flut?
Wenigstens hier bleibt ein Fragezeichen. Aber auch nicht mehr. Grosso modo ist Natascha Sadr Haghighians monströses Ergebnis einer Zusammenarbeit mit Musikern, Architekten und Grafikern natürlich wieder eine schwer korrekte Sache. Wenn die Deutschen etwas anpacken, dann richtig. Da kennen sie keinen Spaß.
58. Biennale in Venedig bis 24. November, www.biennale.org