Vereinsheim
Sulaiman Masomi über sein Programm "Morgen-Land"
26. Februar 2019, 17:15 Uhr aktualisiert am 26. Februar 2019, 17:15 Uhr
Der Kabarettist, Poetry-Slammer und Passauer Scharfrichterpreisträger über Afghanistan als Kulturschock, den Alltagsrassismus und deutsche Protestwähler
Der Deutsch-Afghane Sulaiman Masomi ist studierter Literaturwissenschaftler sowie Landesmeister im Poetry Slam, Jurymitglied beim Treffen der jungen Autoren der Berliner Festspiele und seit vielen Jahren kultureller Botschafter für das Goethe-Institut. Und ein großes Scharfrichterbeil hat er auch. Im Vereinsheim präsentiert er sein neues Solo "Morgen-Land".
AZ: Herr Masomi, auf Ihrer Homepage steht unter Ihrem Namen "Schriftsteller, Poet, Rapper und POETRY SLAMMER, letzteres in signalroter Schrift. Heißt das, Sie fühlen sich im Poetry Slam am Wohlsten?
SULAIMAN MASOMI: Eigentlich ist das schon mein Hauptmetier. Ich bin ja in der Poetry-Slam-Szene bekannt geworden, habe dort die meiste Bühnenerfahrung gesammelt, da komme ich her.
Geboren sind Sie in Kabul - ein Monat, nachdem die Russen dort einmarschiert sind. Nach einem Jahr floh die Familie nach Deutschland, Ihr Vater arbeitete als Arzt in Krefeld. Nun leben Sie in Köln. Aber: Wo ist Ihr Zuhause?
An Kabul habe ich keine Erinnerungen, an Krefeld dagegen schon, weil ich da aufgewachsen bin, und hier in Köln fühle ich mich pudelwohl - wahrscheinlich brauche ich Städte mit K.
Was für ein Verhältnis haben Sie zu Ihrem Geburtsland?
Die afghanische Kultur wird mir durch den Mikrokosmos meiner Familie vorgelebt. Das war schon immer ein Zwei-Welten-Denken: der Afghane und die deutsche Welt - und die fließenden Übergänge dazwischen.
Wie gut kennen Sie Afghanistan?
Ich war ein Mal dort, vor elf Jahren, mit der Familie. Das war sehr aufregend zu sehen, wo ich eigentlich aufgewachsen wäre. Ich wäre ja ein ganz anderer Mensch! Sich das mal vor Augen zu führen: Das war schon krass. Allein der Anflug: eine Stadt auf 3000 Metern Höhe, die wie Metastasen in die Berge rausschießt. Kabul ist eine sehr schnell wachsende Stadt, sehr verstaubt. Am Flughafen stand schon die ganze Familie, die ich noch nie gesehen hatte, und knutschte uns heulend ab. Das war der erste Kulturschock. Ich habe alles doppelt aufgesogen. Ein anderer Urlaub wäre nie so intensiv gewesen wie dieser. Dabei ist nur ein Onkel in Kabul geblieben, der Rest der Familie ist über die ganze Welt verteilt - das einzig Positive an diesem Krieg! Eine Tante lebt auf Hawaii, die hab' ich auch schon besucht.
Wie wächst es sich auf als Sulaiman in Krefeld?
Nicht viel anders als ein Deutscher. Man merkt schon: Man ist etwas Spezielles. Es ist kein Stigma, aber man ist schon Ausländer - und das ist noch nicht mal negativ. Aber die Lehrer, die mit dir und deinen Eltern reden, die wissen: Das sind Moslems, die sind so und so. Du gehörst halt zu der Gruppe, die neu dazugekommen ist. Das ist ein anderer state of mind als wenn man als Deutscher einfach selbstverständlich aufwächst. So wird man schon früh für sensibilisiert für eine gewisse Gruppeneinteilung. Aber ich hatte zum Glück immer Freunde aus allen Ethnien, manchmal war ich auch das verbindende Element. Das klingt paradox, aber es hat für mich nie eine Rolle gespielt, welche Herkunft jemand hat - obwohl es eine ziemlich große Rolle spielt. Aber es passiert mir ja auch, dass ich Leute in Schubladen stecke. Der erste Schritt ist es, sich das bewusst zu machen. Viele Leute sind nicht rassistisch, aber handeln trotzdem rassistisch.
Wie meinen Sie das?
Zum Beispiel sagt jemand: "Distanzier' dich als Muslim vom Terror!" Eine total absurde Forderung, weil du allen kollektiv unterstellst, dass sie beim Terror sind und sich von dort distanzieren sollen. Das ist, als würde ich einem Deutschen sagen "Distanzier' dich von Breivik!" Ist doch klar, dass ich nix mit dem zu tun hab'! Warum soll ich mich von dem distanzieren? Das ist nicht fair. Da merkt man: Irgendwas ist nicht im Gleichgewicht. Das sind diese kleinen Sollbruchstellen, wo man merkt: "Oh, das ist rassistisch!" Dafür gibt es viele Beispiele. Fragen Sie mal einen Muslim, der auf Wohnungssuche ist!
Und daran hat sich ja in den letzten Jahren ja auch wenig bis gar nichts geändert, oder?
Das sieht man ja an der AfD. Fast jeder Fünfte wählt AfD! Und das nach dem, was die alles so von sich gegeben haben. Als die vor acht Jahren aufkamen, habe ich noch gedacht: "Mit den Leuten kann man reden. Das ist eine Protestwahl. Die ärgern sich über "die da oben. Aber wenn man auf die eingeht und sich mit denen auseinander setzt, kann man die wieder zurückholen." Das glaube ich jetzt nicht mehr. Die fühlen sich nur bestätigt, wenn man ihre Sorgen ernst nimmt - und ich kann diese Leute als Protestwähler nicht mehr ernst nehmen. Die AfD hat im Laufe der letzten acht Jahre ihr Gesicht gezeigt, ist nach Rechts gewandert. Mittlerweile ist das längst eine Ideologie-Wahl. Da brauche ich auch nicht mehr in den Dialog zu gehen, sondern sage: "Okay, bleibt in eurer Blase, in eurem Sumpf!" Die Diskussion ist vorbei.
Sind wir da thematisch schon in Ihrem neuen Programm "Morgen-Land"?
Ja, darum wird es auch gehen. Das doppeldeutige "Morgen-Land" steht für Vergangenheit und Zukunft, für meine Erlebnisse in Kindheit und Jugend, aber auch für meine Sicht auf unsere Gesellschaft und was uns da womöglich erwartet. Aber ich rede auch über Trump, diese Orange, die die Presse nicht mag.
Sulaiman Masomi tritt am Donnerstag um 19.30 Uhr im Vereinsheim auf (ausverkauft)