Tatort-Kritik
"Tatort: Funkstille" aus Frankfurt: Zu viel Stoff, zu theatralisch
13. September 2020, 15:15 Uhr aktualisiert am 13. September 2020, 18:53 Uhr
Man würde dem Frankfurter Tatort-Team Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) so sehr wünschen, dass einer ihrer Fälle mal richtig zündet. Beim nächsten Einsatz dann bitte - denn beim aktuellen hat das nicht so recht geklappt.
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung und das Ende des Frankfurter "Tatort: Funkstille". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben (Das Erste, 13.09.2020, 20.15 - 21.45 Uhr und in der ARD-Mediathek).
"Funkstille" (Regie: Stanislaw Mucha) hat zwei Probleme: Erstens hat sich die Episode ein zu großes Feld für 90 Minuten geschnappt - Spionage, amerikanische und russische Geheimdienste und Doppelagenten, die als bürgerliche Familie getarnt sind. Wirklich aufgebohrt wird die Thematik allerdings nicht, sondern weitgehend an der Oberfläche gefischt.
Frankfurt-"Tatort": Theatralik wie in einer Soap
Das zweite Problem: Viele Szenen wirken zu aufgesetzt und theatralisch - wenn etwa der Freund des getöteten Sebastian befragt wird, schnaubt und schreit dieser und knallt sein Handy auf den Boden (welcher Jugendlicher macht das in der Realität?). Auch werden Türen geknallt, Gläser zerschlagen und vor Wut übertrieben gezittert. Man fühlt sich manches Mal an eine Seifenoper erinnert.
Aber zur Geschichte: Ein deutsch-amerikanisches Mädel namens Emily Fisher (17) schleicht sich aus dem Haus, um heimlich den Nachbarsjungen Sebastian (Lost-Places-Fotograf mit 100.000 Followern im Netz) zu treffen. Der taucht nicht auf - klar, weil er tot ist. Ermordet. Das findet Brix schon mal schneller heraus als die Funktionsweise eines E-Scooters.
Schauplätze Frankfurter "Tatort" hätten Gänsehaut-Potenzial
Es stellt sich heraus, dass Emilys Mutter mit Sebastian eine Affäre hatte. Und dass ihre Eltern für die CIA arbeiten sollen. Unter anderem. Gretchen Fisher (Tessa Mittelstaedt) spioniert also Terroristen aus, kann aber nicht verhindern, dass ihre "systemfeindliche" Tochter (sie schreibt in der Schülerzeitung schlecht über die USA und geht zu Klima-Demos) regelmäßig zum Fenster hinaussteigt. Zwischendrin gibt es dann noch einen zweiten Toten, es ist Emilys Vater. Dubioser Giftmord im Aufzug nach einer Tasse Kaffee. Kennt man so ähnlich irgendwoher, oder?
Es geht um Identität und Geheimnisse, große und kleine, aber die sind leider nicht so spannend inszeniert, dass man darauf brennt, sie zu erfahren. Dabei hätten die verlassenen Orte in Frankfurt durchaus Potenzial gehabt und wären das richtige Ambiente für Spannung und Gänsehaut gewesen. Kurz gelingt das Brix und der erfrischenden Fanny (Zazie de Paris, immer ein Highlight!), als sie auf einen einsamen Mann in der Ruine stoßen und auch am Ende, wenn es zwischen Sprayer-Kunstwerken, bröckelnden Wänden und schaurigem Licht zur Konfrontation kommt. Mein Wunsch: Mehr davon! Das könnte zünden.