Kultur

Wettstreit mit dem Riesen Ramses

Wie Wohnungsbau gelingen kann, zeigt die Ausstellung "40 Jahre Wohnen in einem Haus"


Das gelungene Wohnhaus des Architekten Peter Ottmann am Ravensburger Ring am Westkreuz in Aubing.

Das gelungene Wohnhaus des Architekten Peter Ottmann am Ravensburger Ring am Westkreuz in Aubing.

Von Joachim Goetz

Sie sieht aus wie neu, hat aber schon vierzig Jahre auf dem Buckel. Die aus 24 Eigentumswohnungen bestehende Wohnanlage am Ravensburger Ring in der Münchner Siedlung am Westkreuz ist gut in Schuss, wirkt sehr gepflegt und gediegen.

Zehn Wohnungen werden seit dem Erstbezug immer noch von denselben Besitzern bewohnt. Das ist nicht unbedingt die Regel. Gerne wird doch - etwa nach Ablauf einer Bindungsfrist oder nach deutlicher Wertsteigerung - eine selbstgenutzte Immobilie gewinnbringend gegen größere, teurere oder gar mehrere Objekte eingetauscht.

Der Münchner Architekt Peter Ottmann, der dank einer eigenen Wohnung mit seinem noch während des Studiums entstandenen architektonischen Erstlingswerk in ständigem Kontakt war, staunt erfreut über die gute Erhaltung. Und hat sich gefragt, woran das wohl liegt. Mit einer typischen, selbst beweihräuchernden (Architekten-) Antwort begnügte er sich nicht. Die würde wohl lauten: Entwurf, Konzept, Grundriss, Gestaltung sind überzeugend, perfekt.

Freilich empfindet man dieses Haus von 1982 mit seinen gelben Vorhängen, die die runden Erker nach außen abschirmen können, als frisch und jugendlich. Immer noch optisch ansprechend sind die Rundbalkone, sichtbare Spuren der damals auf ihren Höhepunkt zusteuernden Postmoderne. Diese hatte ja die emotional aufgeladenen Elemente beim Bauen wieder erlaubt. Und dem schnöden Funktionalismus den Kampf angesagt, der sich in den benachbarten Wohnhochhäusern widerspiegelt - wie etwa in dem 136 Meter langen und 64 Meter hohen Riesen, nach einem ägyptischen Pharao benannten "Ramses".

Ottmann wollte es jedoch genauer wissen - aber nicht Architekturexegeten oder Kunsthistoriker befragen - sondern Architektur mal anders betrachten. Er sagte sich: Fragen wir doch die Alteingesessenen, die Nutzer des Hauses. Diese haben einige jener Geheimnisse enthüllt, die zu ihrem langen Bleiben führten.

So sei verraten: Die vorstädtisch anmutende Lage zwischen Hochhäusern und der von niedrigen, genau gegenüber der Wohnanlage beginnenden kleinteiligen Siedlungsstruktur Altaubings war es nicht. Aber man sieht über die kleinen Häuser drüber, ist dank der inzwischen hohen Bäume mitten in der Natur und lebt in einer überschaubaren Wohnanlage.

Vieles andere lässt sich in der kleinen Studio-Ausstellung am Goetheplatz und in der 40-seitigen kostenlosen Publikation nachlesen. Ein rundes Bild vermitteln außerdem klassische Schwarzweiß-Fotografien aus der Frühzeit (von der bekannten Architektur-Fotografin Sigrid Neubert) und farbige Drohnen-Aufnahmen von heute. Auch eine politische Spezialität wird erläutert. Der Bau entstand nämlich einst im zeitlich befristeten Wohnraumbeschaffungsprogramm der Stadt München, mit dem bis zu 7000 Wohnungen pro Jahr gefördert wurden. Das Ziel: nicht so begüterten Familien durch einen Zuschuss den Erwerb von Eigentum zu ermöglichen. Man erwartete, dass Häuser, die sich im Besitz der Bewohner befinden, gut gepflegt und erhalten werden - in deren eigenem Interesse. Am Ravensburger Ring hat sich das ja, wie es aussieht, bestätigt.

Vielleicht kann man sich ja auch solche Modelle der Förderung wieder ins Gedächtnis zurückrufen. Angesichts des steigenden Wohnraumbedarfs sollen in München zukünftig 8000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Wobei die städtischen Gesellschaften GWG und Gewofag gerade mal 2000 schaffen. Da wäre durchaus noch Luft nach oben.

"40 Jahre Wohnen in einem Haus", bis 23. Februar im Projektraum, Architekt Ottmann, Goethestraße 74, Mo - Do, 12 - 18 Uhr. Anmeldung unter mail@ottmann-architekt.de, % 53886746. In der Ausstellung ist eine kostenlose 40-seitige Publikation erhältlich