Munich Rocks!
Wie lebt es sich als Musiker in München?
26. November 2019, 21:00 Uhr aktualisiert am 27. November 2019, 11:28 Uhr
Am Donnerstag bietet die Reihe "Munich Rocks!" jungen Musikern aus München und Umgebung Gelegenheit zu einem Auftritt im Ampere.Der Eintritt ist frei.
München - Das Ampere ist für Münchner Nachwuchsbands einer der schönsten Orte der Stadt, um die eigene Musik zu präsentieren. Seit mehr als zehn Jahren bietet die Veranstaltungsreihe "Munich Rocks!" jungen Künstlern aus München und der Umgebung die Gelegenheit, ihr Talent ins große Schaufenster zu stellen. "Munich Rocks!" demonstriert, dass die hiesige Musikszene wahnsinnig vielseitig ist.
Am Donnerstag spielen in der von Muffatwerk, Bang Bang Concerts, Radio M 94,5 und der AZ unterstützten Reihe, die Bands Take Off Your Shirts, D!aspora und Russo & Fernandes.
Lucas Fernandes: Münchner kam erst spät zur Musik
Aber wie ist das eigentlich, wenn man in dieser teuren Stadt seinen musikalischen Traum erfüllen will? Lucas Fernandes erzählt, wie schwer, aber auch erfüllend es ist, wenn man sich ganz einer Leidenschaft widmet. Der gebürtige Münchner mit portugiesischem Pass und Eltern aus Goa kam relativ spät zur Musik. Jahrelang hatte er seinen Kindergartenkumpel Fabio Russo darum beneidet, dass dieser ein Instrument spielte. Noch in der Grundschule hatte ihm die Lehrerin abgeraten, es mit der Blockflöte zu versuchen.
"Als ich 14 war, hat Fabio etwas gesagt, was mein Leben nachhaltig verändert hat: ,Kauf Dir 'nen Bass und lerne ihn spielen. Das kann jeder Idiot.'" Parallel dazu lernte Lucas Fernandes als Autodidakt auch Gitarre. "Damals kamen die ganzen großen Alben raus, ,Nevermind' von Nirvana, ,Automatic for the People' von REM, ,Achtung Baby' von U2 und Guns 'n' Roses. Da hat man sich halt vor die Stereoanlage gehockt und rumprobiert, bis es genau so klang. Mein großes Ziel war es, einmal auf der Bühne zu stehen, aber Fabio wusste es damals schon besser: ,Wenn Du einmal da stehst, willst Du es jeden Tag.' Das stimmt bis heute."
Damals hat er jeden Nachmittag nach der Schule geübt - bis zum Abendessen und danach wieder. "Ich war sehr nervig". Aber es gab auch Erfolge: "Mit der Band Lilac waren die ersten beiden Konzerte der Emergenza-Wettbewerb und der Feierwerk-Wettbewerb, die haben wir beide gewonnen", sagt Fernandes "Wir haben auch im Theatron gespielt. Aber dann kam der Abi-Stress am Willi-Graf Gymnasium und danach blieben nicht mehr alle in derselben Stadt wohnen."
Andy Ross holte die Band Suez nach London
Bei rund 30 Bandprojekten hat Lucas Fernandes mittlerweile mitgewirkt. Einige waren durchaus erfolgreich wie die Five! Fast!! Hits!!!, die eine Art Hausband des Atomic Cafes wurden.
Und es gab auch den ganz großen Rocktraum gemeinsam mit Fabio Russo Anfang des neuen Jahrtausends in der Band Suez. Der Sänger der Band hatte sich in eine Isländerin verliebt und war nach Reykjavík gezogen. Von dort verschickte er Demotapes nach New York und London, schließlich war Island dank Björk oder Sigur Rós eine besonders hippe Adresse der Musikwelt. Tatsächlich folgte eine Einladung nach London. Andy Ross, Chef von Food Records, meldete sich - und der galt schließlich als der Mann, der Blur entdeckt hatte. "Wir haben vor dem Showcase drei Monate acht Mal die Woche geprobt", erinnert sich Lucas Fernandes. "Unsere Freunde haben das natürlich mitbekommen und nur gesagt: ,Hoffentlich kennt Ihr uns noch, wenn ihr groß rauskommt."
Ross war wirklich begeistert und animierte die Band, nach London zu ziehen. Die ersten drei Monate hausten sie zu dritt in einem Zimmer, aber auch zwei Jahre später war aus Suez noch nicht die neuen Blur geworden. Die Gigs wurden schließlich immer seltener.
Blec Le Roc: Münchens beste Indie-Rockband
"Ich bin dann wieder heim nach München und zwei Monate später ist mir Tobias Dirr über den Weg gelaufen, mit dem ich dann Blek le Roc gegründet habe", sagt Lucas Fernandes. So wurde aus dem Suez-Bassisten der Leadgitarrist, der zusätzlich per Fußorgel die Basslinien beisteuert. Blek Le Roc gewann den "Unüberhörbar"-Wettbewerb in der Muffathalle und galt schnell als Münchens beste Indie-Rockband. Doch trotz radio- wenn nicht sogar stadiontauglicher Stücke blieb kommerzieller Erfolg aus. Von geplatzten Träumen mag Fernandes aber nicht sprechen. "Ich bin eher froh darüber, dass es uns in derselben Besetzung nach 14 Jahren immer noch gibt."
Lucas Fernandes studierte Amerikanische Literaturgeschichte und schrieb seine Magisterarbeit über "Musik und Text in der amerikanischen Counterculture der 60er Jahre". In einem Alter, in dem andere hart an ihrer beruflichen Karriere arbeiten, jobbte er in der Schwabinger X-Bar und widmete die volle Aufmerksamkeit der Musik und diversen Bandprojekten. Als Mitglied der Hausband von Joko Winterscheidts Show "Win Your Song" hatte er vor einem Jahr auch regelmäßige Fernsehauftritte. Im kommenden Jahr wird Lucas Fernandes 40, aber nicht nur deswegen hat er seinen Job hinterm Tresen inzwischen aufgegeben. Er hat endlich Noten gelernt, sich als Musiklehrer selbstständig gemacht und betreut rund drei Dutzend Gitarrenschüler.
Fernandes fordert städtische Proberäume in jedem Münchner Stadtteil
Anders als vor zwei Jahrzehnten, als Fernandes anfing, gibt es mittlerweile sogar einen bayerischen Rockintendanten und staatliche Förderprojekte für junge Bands. Deren Gesamtvolumen aber liegt im Promillebereich dessen, was die öffentliche Hand für klassische Musik ausgibt. Fernandes hätte ohnehin eine andere Forderung an die Politik: "Warum gibt es nicht in jedem Münchner Stadtteil einen Bunker, einen Keller mit städtischen Proberäumen? Was gibt es denn Schöneres, als die Kids vom Smartphone und von der Straße wegzukriegen, damit die mal Rock'n'Roll machen? Man braucht sich auf jeden Fall nicht beschweren, dass München keine große Szene hat, wenn hier alles schon im Keim erstickt wird."
Seine Schüler, die schon in Bands spielen, bestärkt er aber in ihren Träumen: "Ich sage immer: ,In Deinem Alter hatte ich noch nicht einmal angefangen - und Du bist jetzt schon so gut. Mach das weiter und Du wirst immer etwas haben, auf das Du Dich verlassen kannst.' Mit Musik wird Dir nie langweilig im Leben. Ich jedenfalls stehe jeden Morgen mit einem Grinsen auf."
Sein Enthusiasmus ist ansteckend, selbst für seine Schwabinger Nachbarn. Obwohl er in seiner Wohnung ständig spielt und Schüler empfängt, hat sich in dem Mietshaus noch nie jemand über die Musik beschwert. Ganz im Gegenteil: Drei Menschen aus seinem Haus lernen jetzt selber Gitarre - bei Lucas Fernandes.
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