Kultur
Zu viele Beerdigungen in Russland
31. Januar 2023, 17:01 Uhr aktualisiert am 31. Januar 2023, 17:21 Uhr
Erst vor einigen Tagen riefen der Dirigent Valery Gergiev, der Schauspieler Nikolai Burljajew und der Filmemacher Andrei Kontschalowski zusammen mit dem nationalistischen Ideologen Alexander Dugin dazu auf, Kunsträte zu bilden Sie sollen mit Sicherheitsbehörden und der orthodoxen Kirche die "patriotische Substanz der Kunst" bewerten.Burljajew soll in Anspielung auf Kasimir Malewitschs berühmtes Gemälde erklärt haben, die Zeit der "Schwarzen Quadrate" sei vorbei. Insofern befindet sich der Beschwerdeführer auf der Höhe der gegenwärtigen Kunstdebatte in Russland.
Die staatliche Tretjakow-Galerie in Moskau ist einem Medienbericht zufolge wegen eines Verstoßes gegen die "traditionellen Werte Russlands" unter Druck geraten. Das Kulturministerium habe die Galerie aufgefordert, ihre Ausstellung "in Übereinstimmung mit den geistlich-moralischen Werten" zu bringen und Rechenschaft darüber abzulegen, so die Onlinezietung "Moscow Times" am Montag.
Auslöser war die Beschwerde eines Besuchers über mehrere Werke, die seine religiösen Gefühle verletzt haben sollen oder eine Beleidigung einheimischer Staatsführer darstellen. Laut dem Brief des Kulturministeriums soll die Tretjakow-Galerie bis zum 6. Februar auf die Vorwürfe antworten.
In der Beschwerde heißt es laut "Moscow Times", es seien Werke ausgestellt, die "Anzeichen einer destruktiven Ideologie" aufwiesen." Der Besucher habe durch den Besuch "tiefen Pessimismus, ein Gefühl der Leere und Hoffnungslosigkeit erlebt. Konkret störte sich der Mann an einem Zyklus über das Abendmahl, aus dem nicht klar hervorgehe, wer Judas sei. Außerdem empörte ihn eine Pieta von Alexander Burganov: Der fehlende Kopf deute auf eine "teuflische Interpretation".
Zudem sei die Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Szenen über "zahlreiche Beerdigungen, darunter im Beisein marginaler sozialer Elemente, über Trunksucht und über willkürliche Interpretationen bei der Darstellung vaterländischer Staatsmänner und Kulturschaffender" übersät, klagte der Besucher.
Die Tretjakow-Galerie ist neben der Eremitage in St. Petersburg das größte Kunstmuseum in Russland und spezialisiert sich auf Werke der russischen Kunst vom 11. bis zum 20. Jahrhundert. Die kommunistische Führung verbannte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts alle Werke avantgardistischer Künstler im "Kampf gegen den Formalismus" aus den Ausstellungsräumen.
Die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erlassene russische Verfassung verbietet Zensur in der Kunst. Allerdings ist in den letzten Jahren auch die Freiheit der Kunst in Russland unter Druck geraten.