Kultur

Zurück in den Künstleralltag

Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung kommen mit neuen Songs ins Backstage


Der Musiker und Kabarettist Rainald Grebe

Der Musiker und Kabarettist Rainald Grebe

Von Thomas Becker

Die neuen Songs schlummerten in den Tiefen meines Arbeitsspeichers ich musste sie nur hochladen und in den Proberaum werfen, und so entstand dieser Abend", schreibt Rainald Grebe, der die Musik als einen bunter Strauß "Dada und Rock'n'Roll" bezeichnet. Grebe lässt sich nicht unterkriegen, auch wenn seine Gesundheit ihn schon häufiger zurückgeworfen hat.

AZ: Herr Grebe, so banal das klingt, aber man muss ja zwingend fragen: Wie geht's Ihnen?

RAINALD GREBE: Gut. Ich bin seit einem Jahr unfallfrei, erhole mich langsam und bin guter Dinge. Im Moment.

Sie leiden seit neun Jahren an Vaskulitis, einer Entzündung der Blutgefäße, und haben in den vergangenen fünf, sechs Jahren elf Schlaganfälle erlitten.

Bei mir ist es eine schlimme Variante, bei der ich Schlaganfälle im Hirn kriege, weil die Adern platzen. Eine sehr besondere Krankheit. Die Charité weiß auch nicht, was sie tun soll. Ich bin sozusagen dauernd gefährdet. Das lässt sich nicht ändern. Man weiß auch nicht, wie man das behandelt. Aber man kann dennoch viel machen, fast schon wie ein Normaler - und plötzlich zockt es einen dann weg.

Das heißt, es sagt Ihnen auch niemand ‚Essen Sie mal mehr Gemüse!' oder ‚Trinken Sie mehr Saft!'

In der Charité sagen die gar nichts, halten sich komplett raus. Die haben anscheinend so einen Kodex, dass sie einem keine Tipps fürs Leben geben. Die geben einem nur Tabletten. Ich bin jetzt ein Pillenschwein. Anscheinend ist die Schulmedizin so: Sie konzentriert sich nur auf Medikamente und Blutwerte - das war's. Die haben wenig Zeit für andere Sachen wie ‚mehr Bewegung' oder ‚gesünder essen' - das machen andere, Naturheilkundler oder so. Die Charité sagt mir nur, ich soll arbeiten, aber in Maßen - was heißt das denn? Soll ich nur kurze Lieder spielen? Laufen, bisschen Sport machen? Ja, aber nicht zu viel! Essen? ‚Alles, was Ihnen schmeckt. Aber nicht zu viel Sahnetorte!' Alles sehr undeutlich.

Wie leben Sie mit der ständigen Unsicherheit, mit dem Wissen, dass es in der nächsten Minute wieder Klick machen kann?

Ziemlich cool eigentlich. Wundert mich selber. Man kann ja auch verrückt werden daran, mache ich aber nicht. Das ist mittlerweile so im Alltag drin, dass es passiert ist, dass der Krankenwagen kommt und ich dann in der Notaufnahme liege. Man gewöhnt sich daran. Wie bei Corona: Wenn die Masken weg sind, vergisst man das wieder. Jetzt geht's mir ganz gut, jetzt hab' ich wieder Lust. Aber es kann mich jederzeit wieder zocken.

Zuletzt vor einem Jahr, oder?

Im Januar 2022 hatte ich fünf Schlaganfälle, lag danieder, war ziemlich im Arsch, mit Rollator und scheiß Aussprache. Mir fehlen so viele Hirnzellen! Aber das Hirn kann sich ganz gut regenerieren. Bis September habe ich die ganze Zeit nur geschlafen. Vier, fünf Stunden konnte ich wach bleiben, dann war ich wieder weg. Und plötzlich klarte es auf, in Schritten. Seitdem kann ich wieder halbwegs leben und arbeiten. Die Sprache ist immer noch im Arsch. Ich muss mich sehr konzentrieren, mache gerade so Programme für die Stimme. Wenn der Mund weiß, was er spricht, dann geht das. Ich muss also üben. Und langsamer sprechen, was ja nicht das Schlechteste ist. Wenn ich schnell spreche, stottere ich, dann kommt die Zunge nicht hinterher.

Seit Dezember sind Sie wieder auf der Bühne.

Ich habe mich richtig zurückgekämpft. Das war hart, so mit am Mikro festhalten, schwanken und hinfallen. Das war für die Leute vielleicht nicht so schön.

Aber für Sie sehr war das sehr wichtig, oder?

Ich wollte unbedingt den Alltag wiederhaben. In wollte nicht nach Indien oder in ein Ayurveda-Camp. Ich wollte einfach das haben, was ich vorher hatte.

Alltag als Reha.

So ein Bühnenprogramm ist auch Reha. Da sitze ich dann backstage und darf meine Brötchen essen - ich bin fast eingeschlafen, als um acht die Show losging. War schlimm. Aber es wurde dann immer besser. Theater-Regie in Bonn und Dresden habe ich gemacht, sechs Wochen lang: ging gut mit dem Biorhythmus.

Wie haben Sie das vertragen?

Ich musste mich zwischen den Proben nachmittags immer hinlegen - das ist neu. Ich habe vielleicht 80 Prozent meiner Kraft, schätze ich. Aber das Schlimmste überwunden. Glaube ich.

Wie laufen Ihre Bühnenauftritte im Vergleich zu früher ab?

Vielleicht eine halbe Stunde kürzer, aber das ist schon anstrengend. Ich muss da wirklich auf mich acht geben. Dass die Kraft reicht. Jetzt habe ich fast jeden Tag einen Auftritt, wie früher halt. Ich habe aber Hoffnung, dass es geht.

Ihre "Kapelle der Versöhnung" musste im vergangenen Jahr den Tod von Schlagzeuger Martin Bauer verkraften…

Nach einem Trauerjahr haben wir uns entschieden weiterzumachen, mit einem anderen Trommler, aus der erweiterten Family.

Auch um nach zig Absagen nochmal auf der Berliner Waldbühne zu spielen. Was ist so besonders an diesem Gig?

Das ist eine Inszenierung für einen Abend. Ein halbes Jahr bereite ich mich darauf vor, und dann ist es weg - wenn es überhaupt stattfindet. Ganz schön risikobehaftet.

Ein Leuchtturm-Projekt für Sie?

Es ist kein normales Konzert: Ich lade mir viele Leute ein, aus der Stadt und dem Umland, Chöre, Blasorchester, in einem großen Stadion - das ist schon sehr besonders für mich.

In der Reha haben Sie auch noch Ihre Biografie geschrieben: "Rheinland Grapefruit. Mein Leben". Wie haben Sie das geschafft?

Das floss eigentlich gut raus. Nach der Reha hatte ich ja Stoff ohne Ende, habe die Reha-Zeit als Gerüst genommen. Der Verlag hatte mir das angetragen. Die dachten, das wird so eine Promi-Biografie, die man aufs Tonband labert - damit konnte ich nix anfangen. Ich dachte mir: "Wie kann denn daraus Literatur werden?" Und wenn die Erinnerung bei einem selbnst so zertrümmert ist, erfindet man was dazu, so dass es eine Mischung aus echt und erfunden wird. Irgendwann ist es dann egal, ob es stimmt oder nicht. Hauptsache, es ist gut erzählt.

Rainald Grebe & Die Kapelle der Versöhnung spielen an Dienstag, 21. März um 20 Uhr im Backstage