Exklusives AZ-Interview

Münchner Mode-Königin Marion Heinrich dankt ab


Schön, schlau - und optimistisch: Marion Heinrich möchte bis zum letzten Moment kämpfen, um ihren Laden in der Residenzstraße zu retten.

Schön, schlau - und optimistisch: Marion Heinrich möchte bis zum letzten Moment kämpfen, um ihren Laden in der Residenzstraße zu retten.

Von Bernhard Lackner

Marion Heinrich hat für ihren Luxus-Laden Insolvenz angemeldet. Exklusiv in der AZ spricht sie über den Tiefpunkt und Millionenverluste: "Online und Größenwahn haben mich kaputtgemacht."

München - Sie hat alles, was das Mode-Herz begehrt: Seit über 40 Jahren ist Marion Heinrich die Anstöckeladresse für die Schönen und Reichen, die noch schöner und reicher ausschauen wollen.

Die neuen It-Bags von Chloé, Loewe, Céline oder Balenciaga, High Heels von Azzedine Alaïa oder Manolo Blahnik, Kleider von Victoria Beckham oder The Row - alle diese Must-haves verkauft Marion in ihrem sogenannten Multi-Brand-Store in der Residenzstraße gegenüber der Oper mit so viel Charme, dass Spielerfrauen des FC Bayern, Wiesn-Wirtinnen, Kino-Stars, Wirtschaftsgrößen und Adelige nicht widerstehen können. Ihre vielen Fashion-Fans müssen jetzt aber ganz tapfer sein. Denn die "Miss Germany" von 1966 (mit den 100.000 Mark Preisgeld eröffnete sie den ersten Shop damals in Schwabing) musste Ende letzten Jahres Insolvenz anmelden.

Exklusiv in der AZ spricht Münchens Mode-Königin über ihren Fall, Probleme im Einzelhandel und Millionenverluste.

AZ: Liebe Frau Heinrich, die Fashionistas stehen unter Schock, wie geht's Ihnen jetzt?
MARION HEINRICH: Die absolute Schockstarre ist zum Glück vorbei, über die Weihnachtstage konnte ich mich ein bisschen sammeln. Trotzdem ist es unendlich traurig. Ich wusste, dass wir Probleme haben, aber dass diese so tief gehen, war mir nicht bewusst. Dass ich in solche heftigen Turbulenzen gerate, ahnte ich nicht.

Heinrich: "Der Druck im Luxussegment ist enorm"

Wann kam das böse Erwachen?
Ich war ja ständig unterwegs, Kollektionen für die neue Saison einkaufen, das Kaufmännische war mir nie so wichtig. Meine Leidenschaft war und ist Mode. Als bei Chloé der Designer wechselte und die Handtaschen auf einmal nicht mehr so gefragt waren, machte ich plötzlich eine Million Euro Verlust. Der Druck im Luxussegment ist enorm, ich musste meine Chloé-Ecke zusätzlich für 400.000 Euro umbauen lassen, weil sich mit dem neuen Designer auch der Look geändert hatte. Dazu kam, dass Céline oder Loewe bei mir irre gut liefen, sich die Firmen dann aber dachten, wir machen in der Maximilianstraße selbst ein Mono-Label-Geschäft auf. Das war natürlich fatal für meinen Laden. Alaïa begann plötzlich mit dem Online-Geschäft, mein leider verstorbener Freund Azzedine Alaïa würde sich im Grab umdrehen. Alles muss günstiger und schneller gehen, selbst Luxus muss zum Schnäppchenpreis hergehen. Das mag online so laufen, ich kann mir das nicht leisten.

Plötzlich flog Ihnen also alles um die Ohren?
Ja. Ganz ehrlich: Ich zahle für meine Läden, also den Multi-Brand-Store, Tom Ford und Isabel Marant zusammen 160.000 Euro Miete pro Monat. Dazu 150.000 Euro pro Monat fürs Personal. Plus Vorab-Steuer. Ich gebe also im Monat eine halbe Million Euro aus, ohne nur einen Cent verdient zu haben. Für die Lieferungen der Waren zahle ich für eine Saison acht Million Euro - ohne zu wissen, ob sich Ware und Designer überhaupt verkaufen.

Seine Anzüge lieben Bayern-Stars wie Robert Lewandowski: Top-Designer Tom Ford mit Marion Heinrich, die den Store (Falckenbergstraße) führt.

Seine Anzüge lieben Bayern-Stars wie Robert Lewandowski: Top-Designer Tom Ford mit Marion Heinrich, die den Store (Falckenbergstraße) führt.

"Wenn sich ein Investor findet, kann es ein Happy End geben"

Allein bei den Summen wird einem schwindelig.
Ich hatte glücklichweise immer einen guten Riecher, was Trend wird, aber die Zeiten haben sich verändert. Es gibt mehr Kollektionen, oft sechs pro Jahr, also mehr Vorauszahlungen in Wahnsinnshöhen, dazu E-Commerce. Ich würde sagen: Online-Handel und Größenwahn der Luxusbranche haben mich kaputtgemacht. Als ich das begriffen habe, bin ich zum Anwalt, der mir sagte: Melden Sie sofort Insolvenz an.

Wie geht es nun weiter?
Meine Läden haben normal offen, bis zum letzten Tag werde ich für meine Kunden und für meine Mitarbeiter da sein. Wenn sich ein Investor findet, kann es ein Happy End geben. Glücklicherweise gibt es Interessenten. Ich dachte erst, mein Lebenswerk wäre zerstört. Immer habe ich alles alleine hingekriegt und mir aufgebaut, jetzt bin ich machtlos. Aber ich bleibe optimistisch.

Wollen Sie sich diesen Mode-Zirkus überhaupt noch antun?
Diese Frage stelle ich mir aktuell natürlich. Ich liebe Mode und werde sie immer lieben, auch wenn alles verrückter wird. Momentan kann ich mir aber auch gut vorstellen, endlich Italienisch zu lernen und wieder mehr mit meiner Gitarre zu spielen.